Jürgen HardtCDU/CSU - Auswärtiges Amt
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zu Beginn meiner Rede den Haushältern im Bereich der Außenpolitik des Deutschen Bundestages herzlich danken.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Es gibt eine gute Zusammenarbeit mit unserem Haushälter
(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mit unseren auch!)
Alois Karl. Das gilt genauso für die anderen demokratischen Fraktionen des Hauses. Es ist der richtige Weg, dass wir am Haushalt das eine oder andere auch auf Beschluss des Auswärtigen Ausschusses noch verbessert haben. Die Fakten dazu hat Alois Karl genannt.
Wenn man sich die Frage stellt, was gegenwärtig und in den nächsten Jahren die größte Herausforderung der Außenpolitik ist, dann sind wir uns sicher alle einig, dass das der Erhalt der multilateralen Ordnung ist, die von vielen Seiten herausgefordert wird. Die multilaterale Ordnung, so wie wir sie haben, etwa in den Vereinten Nationen, ist zwar nicht in dem allerbesten Zustand, aber wenn ich mir vorstelle, wir müssten das, was wir im Rahmen der Vereinten Nationen geschaffen haben, heute neu aus der Taufe heben, dann hätte, so fürchte ich, die Völkergemeinschaft diese Kraft heute nicht. Deswegen müssen wir diesen Schatz wahren und schützen.
Wir müssen auch im Umgang mit sachlicher Kritik an der einen oder anderen Entscheidung der Vereinten Nationen Gerechtigkeit walten lassen. Wer zum Beispiel behauptet, dass der Global Compact for Migration an den Bürgerinnen und Bürgern und an den Politikern des Landes vorbei gestaltet worden wäre, der lügt.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Alexander Gauland [AfD]: Nein, der lügt nicht! Der sagt die Wahrheit!)
Die Vereinten Nationen haben über die Bundesregierung zu mehreren Stakeholder-Konferenzen eingeladen, in New York und in Genf.
(Stefan Liebich [DIE LINKE]: Die sind nicht hingefahren!)
Das Auswärtige Amt hat diese Einladung allen Fraktionen des Deutschen Bundestages zukommen lassen. Von der AfD ist meines Wissens kein einziger Abgeordneter bei einer dieser Konferenzen gewesen,
(Udo Theodor Hemmelgarn [AfD]: Es war jemand da!)
und jetzt reißen Sie hier das Maul auf. Das ist unehrlich hoch drei!
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich entschuldige mich für das Wort „Maul“.
(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Heuchler!)
Die zweite große Herausforderung – der Bundesaußenminister hat davon gesprochen – bilden die transatlantische Zusammenarbeit und unsere Sicherheit. Ich möchte Sie ausdrücklich darin unterstützen, am 4. und 5. Dezember bei der Außenministerkonferenz der NATO die Chance zu ergreifen, den amerikanischen Präsidenten, die amerikanische Regierung davon abzubringen, den INF-Vertrag aufzukündigen. Ich glaube, wir sind uns bei der Bewertung, dass Russland den INF-Vertrag verletzt, einig – auch unsere Fraktion hat sich mit dem Thema beschäftigt und kommt zu diesem Ergebnis –, und wir sind uns auch einig, dass es eine Antwort geben muss.
Wir sind uns mit den amerikanischen Kolleginnen und Kollegen, mit den Senatoren und Kongressmitgliedern, mit denen gerade einige Abgeordnete des Deutschen Bundestages in Halifax Gelegenheit hatten zu sprechen, einig, dass es eine gemeinsame Antwort der NATO geben muss, dass die Antwort aber natürlich in keinem Fall eine atomare Nachrüstung sein kann. Das schließen auch die Amerikaner, meines Erachtens auch der Sicherheitsrat des amerikanischen Präsidenten, aus. Aber eine Voraussetzung für diese Geschlossenheit ist, dass der amerikanische Präsident darauf verzichtet, diesen einseitigen Schritt zu gehen. Ich kann Sie nur ermutigen, das gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen im Außenministerrat der EU entsprechend durchzusetzen.
Wir haben natürlich weitere Belastungen im transatlantischen Verhältnis, zum Beispiel den Streit über den Handel.
Herr Kollege Hardt, gestatten Sie eine Zwischenfrage vom Kollegen Hampel?
Ich gestatte eine Zwischenfrage des Kollegen Hampel.
Sehr freundlich, Herr Kollege Hardt. – Ich habe nur eine ganz schlichte Frage: Trifft es zu, dass es die AfD war, die den Global Compact for Migration hier, in die Debatte des Deutschen Bundestages, eingebracht hat und dass es unser Antrag im Auswärtigen Ausschuss war, sich überhaupt damit zu beschäftigen?
(Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: Falsch!)
Dann ist doch die Frage, ob Sie es nicht für richtig halten, dass ein so wichtiger Pakt mit über 79 verpflichtenden Bindungen
(Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Och! – Weiterer Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Stimmt doch gar nicht!)
dem deutschen Volk vorgestellt wird, bevor er am 10. Dezember in Marrakesch unterschrieben wird, lieber Herr Hardt.
Ich glaube, dass wir im Deutschen Bundestag bereits ausgiebig Gelegenheit hatten, über diesen Pakt zu sprechen. Wir haben am 19. April darüber geredet, die Bundesregierung hat Antworten auf Kleine Anfragen gegeben, und wir werden in der kommenden Woche über diesen Global Compact for Migration reden. Die Bürgerinnen und Bürger haben die Möglichkeit, wie das bei UN- und EU-Dokumenten in der Regel der Fall ist, die Dinge eins zu eins zu lesen.
(Lachen des Abg. Dr. Alexander Gauland [AfD])
Ich glaube, es bedarf in diesem Deutschen Bundestag keines Anstoßes der faschistisch-völkischen Identitären Bewegung, uns dazu zu bringen, diese Dinge ernst zu nehmen. Ich finde es beschämend für die AfD, dass Sie sich auf diese Kampagne draufsetzen. Für Sie ist dieser Global Compact das Chlorhühnchen, mit dem Sie versuchen, ein Thema ohne sachliche Argumente hochzuziehen. Damit werden Sie auf die Nase fallen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP – Udo Theodor Hemmelgarn [AfD]: Das werden wir sehen!)
Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Kollegen Neu?
Herr Kollege Neu.
Herr Kollege Hardt, ich möchte zum INF-Vertrag zurückkommen. Sie haben ja gerade ausgeführt, dass man sich einig sei, dass die russische Seite gegen den INF-Vertrag verstoßen würde. Ich sehe bislang noch keinen belastbaren Beweis; aber das sei dahingestellt. Es gibt aber auch seitens Russlands Kritik an den USA, dass sie mit Blick auf das Raketenabwehrsystem gegen den INF-Vertrag verstoßen würden, zum Beispiel mit der Startrampe MK 41. Lockheed Martin, die Rüstungsschmiede in den USA, die genau das herstellt, wirbt damit, dass MK 41 auch tauglich sei, um Cruise-Missiles abzuschießen, egal ob konventionell oder atomar bestückt. Somit würde ja dann die Kritik der russischen Seite an den Amerikanern mit Blick auf den INF-Vertrag zutreffen. Wurde das innerhalb der NATO-Gremien ebenfalls besprochen? Welche Maßnahmen gedenkt denn die Bundesregierung zu ergreifen, um den Amerikanern an dieser Stelle auf die Finger zu klopfen?
Das haben die Amerikaner an dem Punkt nicht nötig, da die Amerikaner im Gegensatz zu den Russen gemäß dem Vertrag mit Blick auf diese Raketenabwehrsysteme große Transparenz zulassen. Das sind eben Boden-Luft-Raketen und keine Boden-Boden-Raketen, so wie die modifizierte SSC-8. Aufgrund der Erkenntnisse sind wir uns im Westen darin einig, dass die russischen Systeme den Vertrag „highly likely“, also höchstwahrscheinlich, verletzen. Russland könnte dem ganz einfach entgegnen und den Vorwurf aus der Welt räumen, indem es zuließe, dass sich Inspektoren des Vertragspartners Amerika die Dinge anschauen; aber das tun die Russen nicht.
Ich möchte an dieser Stelle noch ergänzen: Russland verfügt über atomare Mittelstreckenraketen, die Europa bedrohen, auf Schiffen und an Flugzeugen. Amerika oder die NATO insgesamt haben ihrerseits keine entsprechende Waffe. Wenn Sie so wollen, gibt es im Bereich der atomaren Mittelstreckenraketen in Europa innerhalb und außerhalb des Regimes des INF-Vertrages ein drastisches Ungleichgewicht. Dass das offen angesprochen werden muss und dass wir uns als NATO darauf eine Reaktion überlegen müssen, ist klar. Diese Reaktion muss meines Erachtens darin bestehen, Russland dazu zu bringen, auch auf solche Waffen zu verzichten. Das halte ich – auch gegenüber den Bürgern – für die einzig vernünftige und auch notwendige Antwort.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Nils Schmid [SPD])
Bevor die Zwischenfragen kamen, habe ich über die Handelspolitik gesprochen. Ich möchte auf einen Punkt hinweisen: Der amerikanische Präsident hatte mit dem Präsidenten der Europäischen Kommission, Juncker, im Juli vereinbart, dass es zwischen der EU und den Vereinigten Staaten von Amerika Gespräche über die wechselseitigen Beschwernisse in der Handelspolitik gibt. Es ist üblich, dass man während solcher Phasen die vorgesehenen Maßnahmen suspendiert bzw. keine neuen Maßnahmen ergreift, die die andere Seite verärgern könnten, weil es schlicht und einfach darum geht, dass man eine gute Verhandlungsbasis schafft. Juncker und Trump haben die Agrarpolitik ausdrücklich von den jetzt in Rede stehenden Verhandlungsgegenständen ausgenommen. Wenn der amerikanische Präsident nun mit der Begründung, dass Europa in Agrarfragen gegenüber Amerika nicht großzügig genug sei, Zölle gegen Automobilimporte in die USA erhebt, dann ist das aus meiner Sicht nicht redlich. Schließlich war zwischen Juncker und Trump verabredet, dass das keine Rolle spielt. Deswegen kann ich nur hoffen und die amerikanische Seite auffordern, von Strafzöllen bei Automobilimporten aus Europa abzusehen, zumal die amerikanische Automobilindustrie diese Maßnahme auch für ungerechtfertigt hält.
Ich möchte ganz kurz noch auf den einen oder anderen Aspekt eingehen, den der Außenminister zu Europa gesagt hat; der Kollege von Marschall wird darauf näher eingehen.
Ich glaube, dass wir, wenn Großbritannien tatsächlich aus der EU austreten sollte, möglichst rasch einen deutsch-britischen Freundschaftsvertrag verabreden sollten, in dem wir sicherstellen, dass die bilateralen Beziehungen zwischen Großbritannien und Deutschland ähnlich eng bleiben, wie sie es heute sind, und so eng bleiben, wie sie zum Beispiel zu Frankreich sind und – das wäre erstrebenswert – auch zu Polen sein sollten. Dieser Freundschaftsvertrag könnte viele Dinge enthalten, die wir sonst im Rahmen Europas regeln. Letztlich steht die Teilnahme Großbritanniens am europäischen Studenten- und Schüleraustauschprogramm infrage. Da könnte ein deutsch-britischer Freundschaftsvertrag einen Beitrag leisten. Ich glaube, dass wir den Britinnen und Briten sagen müssen: Egal wie es im Unterhaus ausgeht, egal wie ihr euch entscheidet, wir bleiben fest an eurer Seite. – Deutschland ist dem britischen Volk auch mit Blick auf die Nachkriegsgeschichte zu großem Dank verpflichtet.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Vielen Dank, Herr Kollege Hardt. – Der nächste Redner ist der Kollege Michael Link, FDP-Fraktion.
(Beifall bei der FDP)
Source | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
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Electoral Period | 19 |
Session | 64 |
Agenda Item | Auswärtiges Amt |