Nicola BeerFDP - Bildung und Forschung
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!
Wir stärken in der EU die strategische Forschungspolitik, die Innovationsfähigkeit und vollenden den digitalen Binnenmarkt.
Das, meine Damen und Herren, steht im Koalitionsvertrag vom März. Ja, man staunt nicht schlecht, wenn man sich das heute noch einmal anschaut. Wir haben bereits November, sind zwei Haushaltsberatungen weiter, die Zeit rennt, aber Sie haben keinen Meter auf dem Weg der Stärkung der Forschungspolitik und Innovationsfähigkeit gemacht, gerade mit Blick auf den europäischen Forschungsraum.
Gut, unsere Vorschläge haben Sie zumindest dazu geführt, eine deutsche Agentur zur Förderung von Sprunginnovationen mit 116 Millionen Euro bis 2022 zu dotieren. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist zweimal zu kurz gesprungen, nämlich beim Betrag und beim Konzept.
(Beifall bei der FDP)
Die DARPA in den USA verfügt über 3 Milliarden jährlich. In Frankreich werden gerade 1,5 Milliarden Euro für Innovationen eingesammelt. Vor allem sollten wir gleich in der europäischen Dimension denken, Strukturen schaffen, die es ermöglichen, Kräfte zu bündeln, zum Beispiel unter Einbeziehung Frankreichs oder der skandinavischen Länder, um dann sukzessive europäisch zu werden. Eine solche europäische Agentur könnte später auch innovativen Nicht-EU-Ländern, Israel, Schweiz, Norwegen oder auch später Großbritannien, offenstehen. Ein solch großer Wurf, meine Damen und Herren, würde das Gewicht dieser Agentur erhöhen, auch im internationalen Wettbewerb, würde Kosten für doppelte Strukturen vermeiden und vor allem die Unabhängigkeit – Frau Ministerin hat ja angesprochen, dass ihr das wichtig ist – von zu engen nationalen Einflüssen stärken.
(Beifall bei der FDP)
Ähnlich konzeptlos ist die Lage bei der künstlichen Intelligenz, auch wenn Sie – lieber Herr Kollege Schulz, da haben Sie ja recht – endlich den Etatansatz nachgebessert haben. Aber da zeigen Krimis im deutschen Fernsehen – wenn Sie nur einmal den Münchener „Tatort“ von vor ein paar Wochen zur künstlichen Intelligenz nehmen – mehr technologisches Vorstellungsvermögen und Visionskraft als die Pläne der Bundesregierung. Sorry!
(Beifall bei der FDP)
Ich finde es bitter, wenn die Ambitionen des Bundesforschungsministeriums selbst hinter der Fernsehwirklichkeit zurückbleiben.
Digitaler Binnenmarkt: Sie reden völlig zu Recht von der Vollendung des digitalen Binnenmarktes in Europa, agieren aber nur im nationalen Karo. Während wir an ganz dringend benötigen transnationalen Netzen mitarbeiten müssten, sieht die Realität in Deutschland trübe aus. Im ländlichen Bereich fahren Unternehmer mit USB-Sticks ihre Daten von Niederlassung zu Niederlassung, weil Download- und Uploadgeschwindigkeit zum Heulen sind, die Datenautobahn eher eine Schotterpiste ist. Wir brauchen jetzt Gigabit und 5G in der Fläche, Frau Ministerin, und zwar bis zu jeder Milchkanne.
(Beifall bei der FDP)
Das nennt man „Internet of Things“.
Selbst unsere Schulen sind so gut wie nicht an schnelle Netze angeschlossen. Moderne Ausstattung, aber vor allem digitale Lern- und Lehrmethoden: fast überall Fehlanzeige! Mal unabhängig davon, dass die bislang vorgesehenen 2,4 Milliarden Euro nicht ausreichen werden: Wir müssen jetzt endlich den DigitalPakt Schule voranbringen. Seit der ersten Lesung des Haushalts ist zwar endlich Bewegung in die Debatte gekommen. Wenn hier eben oft von Tempo die Rede war: Die Vorschläge von FDP und Grünen liegen ja lange genug vor. Es ist wenigstens Bewegung in die Debatte gekommen, auch wenn man sich wundert, dass die Bundesbildungsministerin gar nicht mit am Verhandlungstisch sitzt.
Was für uns zählt – das möchte ich hier noch mal betonen –, das ist das Ergebnis. Bildung ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Wir müssen jetzt an dieser entscheidenden Stelle sicherstellen, dass nicht nur in Kabel und Beton, sondern vor allem in Qualität und in bundesweit durchgesetzte einheitliche Standards investiert wird.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Denn, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, das schafft Bildungschancen überall, völlig egal in welchem Bundesland und völlig unabhängig davon, aus welchem Elternhaus jemand kommt. Hier, Herr Kollege Schulz, könnten Sie sich in der Koalition insgesamt schneller bewegen. Frau Karliczek, Sie haben die Möglichkeit, aufs Tempo zu drücken; dann legen Sie an dieser Stelle eben auch einen Gang zu!
(Beifall bei der FDP – Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Wir haben aber auch noch Länder! – Marianne Schieder [SPD]: Das ist ja Unsinn! Dass wir Föderalismus haben, das wissen Sie? – Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Was ist denn mit NRW?)
Exzellenz und Internationalität, das sollten die Benchmarks auch für die berufliche Bildung sein. „ Exzellenzinitiative Berufliche Bildung“ im Haushalt? Fehlanzeige! Internationalisierung in der beruflichen Bildung, zum Beispiel durch einen Austauschdienst auch für Auszubildende und Berufstätige, so wie wir das mit dem DAAD für die Studierenden kennen? Fehlanzeige! Hier könnten Sie agieren, meine Damen und Herren. Denn wir wissen doch, dass wir einen Fachkräftemangel haben, er ist schon spürbar im realen Leben, jedenfalls wenn man nicht nur in der Berliner Blase unterwegs ist.
(Beifall bei der FDP – Marianne Schieder [SPD]: Auwei! Auwei!)
Deswegen: Wenn wir den Wohlstand erhalten wollen, wenn wir auch künftig wettbewerbsfähig sein wollen im internationalen Wettbewerb, dann müssen wir uns bei Bildung, Forschung und Innovation ambitioniert und vor allem auch europäisch gemeinsam strategisch aufstellen. Da ist aber bei Ihnen leider Fehlanzeige, „Wieder ein verlorenes Jahr“– bitterschade.
(Beifall bei der FDP)
Vielen Dank, Nicola Beer.
Bevor ich die nächste Rednerin aufrufe, möchte ich ganz herzlich auf der Tribüne eine Delegation der California State University begrüßen: Warm welcome here in our parliament!
(Beifall)
Nächste Rednerin: Birke Bull-Bischoff für die Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7294049 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 65 |
Tagesordnungspunkt | Bildung und Forschung |