29.11.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 68 / Tagesordnungspunkt 5

Joana CotarAfD - Privatsphäre und Sicherheit im digitalen Raum

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kollegen! In der heutigen Debatte zum Thema „Recht auf Verschlüsselung“ geht es um Vertrauen und Freiheit: Vertrauen der Bürger in die Digitalisierung, Vertrauen darauf, dass die eigenen Daten geschützt sind, Vertrauen auch darauf, dass die Politik die Freiheit der Bürger nicht mehr und mehr aushöhlt.

Im Jahr 2008 stellte das Bundesverfassungsgericht fest, dass der Staat die Vertraulichkeit und Integrität von IT-Systemen als Grundrecht zu gewährleisten hat. Die Verschlüsselung von Daten stellt, gemäß dieser Entscheidung, eine staatliche Schutzpflicht dar. Ein Nichthandeln durch die Bundesregierung kommt damit einer Nichterfüllung dieser Pflicht gleich.

(Beifall bei der AfD)

Natürlich: Eine hundertprozentige digitale Sicherheit gibt es nicht. Trotzdem muss die Regierung hier eine Vorreiterrolle einnehmen und Anstrengungen unternehmen, die erforderlichen Technologien zu entwickeln, bereitzustellen und Anwendungen zu unterstützen. Effektive und sichere Verschlüsselungstechnologien sind schon seit Jahren auf dem Markt und vielfach erprobt. Ende-zu-Ende-Verschlüsselungen sind bereits technischer Standard und für die private Kommunikation im Internet der einzig sinnvolle Weg. Das Problem ist die konsequente Anwendung von Verschlüsselungssystemen, und hier hakt es. Hier muss mehr passieren. Wir brauchen eine digitale Aufklärung. Wir brauchen den mündigen Nutzer. Hier kann und sollte die Politik mehr leisten.

(Beifall bei der AfD)

Alle Telekommunikationsanbieter nun aber zu verpflichten, ihre Kommunikationsdienste Ende-zu-Ende-verschlüsselt anzubieten, liebe FDP, darüber sollten wir noch einmal diskutieren; denn so liberal kommt mir dieser Vorschlag tatsächlich nicht vor. Ich bin aber völlig bei Ihnen, wenn es darum geht, gesetzliche Beschränkungen und Verbote von Verschlüsselungen zu verhindern. Denn es ist noch nicht so lange her, da sprachen sich Politiker in Deutschland gegen Verschlüsselungen aus. Wir erinnern uns an Herrn de Maizière: Der Staat sollte allzeit vollen Zugriff auf alle Daten bekommen. – Ein interessantes Verständnis von Freiheit, meine Damen und Herren. Dabei zeigen Sie doch immer so gern mit dem Finger auf andere Länder und mahnen zu Demokratie und zu Moral.

(Beifall bei der AfD)

Liebe Regierungsparteien, zeigen Sie, dass Sie besser sind als die Staaten, die Sie ständig kritisieren, und erteilen Sie Verschlüsselungsbeschränkungen eine endgültige Absage!

Gerade auch im Hinblick auf Quantencomputer ist eine Weiterentwicklung der Verschlüsselungstechnologien ein Muss. Quantencomputer werden Probleme in einer Geschwindigkeit lösen können, die jeden heutigen Supercomputer in den Schatten stellt. Viele heute als sicher eingestufte Verschlüsselungssysteme können in Zukunft geknackt werden, und zwar auch rückwirkend. China hat die Chancen und Risiken der Quantentechnologie längst erkannt; auch die USA sind uns wieder meilenweit voraus. Deutschland muss einen ordentlichen Sprint hinlegen, um hier wieder aufzuholen. Stattdessen geben wir allzu oft den Fußkranken.

(Beifall bei der AfD)

Im Zeitalter der Digitalisierung, in dem wir über autonomes Fahren, über das Internet der Dinge, über E-Health, über E-Government, über Industrie 4.0 – all die schönen Schlagwörter, die so gut wie jeder Kollege hier in seine Rede einpflegt – reden, in so einem Zeitalter ist alles hinfällig ohne die Sicherheit der Daten. Die öffentliche Verwaltung kann hier mit einem guten Beispiel vorangehen. Dem Vorschlag, dass sie die Verwendung von Verschlüsselungstechnologien fördern soll, können wir gerne folgen. Das kann auch das Vertrauen der Bürger stärken, die völlig zu Recht sehr vorsichtig mit ihren persönlichen Daten umgehen. Denn immer wieder hört und liest man von schweren Sicherheitslücken bei Anwendungen, die die Datensicherheit der Bürger bedrohen. Der Spruch der FDP „Bedenken second“ ist daher nicht immer angebracht. Auch ich trete für mehr Innovation, für eine Änderung der Denkweise ein: Nicht immer nur das Risiko, nicht immer nur die Gefahr sehen, sondern auch mal eine Chance. Aber in Sachen Datensicherheit, gerade wenn es um private Informationen geht, sollte man keine Kompromisse eingehen. Hier geht der Schutz der Bürger vor.

(Beifall bei der AfD)

Doch der Bürger muss nicht nur vor den Kriminellen beschützt werden: Leider greift der Staat mehr und mehr in die Freiheitsrechte und die digitale Privatsphäre der Menschen ein. Die Regierung möchte sich gerne sogenannte Backdoors offenhalten. Die Industrie soll sich verpflichten, in ihre Produkte Hintertüren einzubauen und diese den Sicherheitsbehörden zur Verfügung zu stellen, sodass Pkws, Computer oder sogar Unterhaltungs- und Haushaltsgeräte zur umfassenden Überwachung genutzt werden können.

Gleiches gilt für die Zero-Day-Exploits, Schwachstellen in IT-Systemen, die die Regierung der Öffentlichkeit und sogar den Herstellern verschweigen möchte, um sie selbst zu nutzen. Der Handel mit solchen Sicherheitslücken ist mittlerweile ein lukratives Geschäft geworden. Was passieren kann, wenn solche Schwachstellen nicht öffentlich gemacht werden, das haben wir vor kurzem beim „WannaCry“-Erpressungstrojaner gesehen. Dieser Trojaner hat eine Schwachstelle im Windows-System ausgenutzt und Hunderttausende Rechner befallen. Der Schaden wird auf circa 4 Milliarden Dollar geschätzt. Die NSA wusste von dieser Schwachstelle, und sie hat sie verschwiegen.

(Dr. Alice Weidel [AfD]: Genau!)

Das sollte uns eigentlich Mahnung genug sein, doch nein: Gerade der Kauf, die Entwicklung und die Nutzung von solchen Sicherheitslücken durch Strafverfolgungs- und Sicherheitsbehörden werden von der Bundesregierung aktuell untersucht. Die AfD fordert die Regierung auf, aus den gemachten Fehlern zu lernen: Sicherheitslücken und Schwachstellen sind sofort nach Entdeckung öffentlich zu machen, Backdoors ist eine Absage zu erteilen.

(Beifall bei der AfD)

Wir fordern die Regierung auch auf, sich vehement Bestrebungen der Nachrichtendienste entgegenzustellen, Spionage-Schnittstellen im Internet zu verankern. Denn was nützen die besten Verschlüsselungssysteme, wenn Behörden mithilfe von Nachschlüsseln jede vertrauliche Mitteilung und private Nachricht mitlesen können?

Das Standardisierungsgremium der Internet-Ingenieure hat den Vorschlag der Sicherheitsbehörden abgelehnt. Diese wollen jetzt allerdings über das Europäische Institut für Telekommunikationsstandards gehen und ihre Ideen so doch noch durchbringen. Und wenn die EU einmal involviert ist, geht es in der Regel nicht gut aus für uns Bürger.

(Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Stimmt doch gar nicht! So ein Quatsch!)

Selbstverständlich müssen wir unsere Sicherheitsbehörden in die Lage versetzen, auch tatsächlich für unseren Schutz zu sorgen, gerade in Zeiten des weltweiten und aktiven Terrorismus. Eingriffe des Staates in die Rechte der Bürger dürfen aber nur bei unabweisbarer Notwendigkeit und unter richterlicher Kontrolle erfolgen. Das heißt nicht, dass der Staat jeden Bürger bis ins kleinste Detail ausspionieren darf. Und warum sollen für Zugriffe in der digitalen Welt andere, geringere Anforderungen gelten als in der analogen? Nicht alles, was möglich ist, sollte man auch machen.

(Beifall bei der AfD)

Apropos „nicht machen“: Zur digitalen Jagd zu blasen und Dieselfahrer per Massenüberwachung besser zu kontrollieren und zu verfolgen als so manchen Verbrecher in diesem Land: ganz dumme Idee, Herr Scheuer!

(Beifall bei der AfD)

Die AfD sagt ganz klar Nein zu einer solch anlasslosen Überwachung aller Pkws und Nein zu den Träumen eines solchen Überwachungsstaates.

(Beifall bei der AfD)

Liebe Bundesregierung, werden Sie sich Ihrer Verantwortung bewusst! Schützen Sie Ihre Bürger, und lassen Sie ihnen gleichzeitig die Freiheit, die sie brauchen und die in einer Demokratie selbstverständlich ist! Eine freiheitliche Gesellschaft braucht die Privatheit.

Die AfD steht für vernünftigen Datenschutz und den Schutz der Bürger. Wir wehren uns gegen eine flächendeckende Überwachung, die alle Bürger zu potenziellen Verdächtigen macht, während Überwachungen an anderen wichtigen, neuralgischen Stellen völlig fehlen.

(Beifall bei der AfD)

Freiheit im Netz bedeutet für uns als Alternative noch mehr. Denn im Deutschland von Merkel und Maas werden selbst Meinungen in sozialen Netzwerken kontrolliert und überwacht. Wer falsch denkt, ist schnell gelöscht.

(Marian Wendt [CDU/CSU]: Wer hetzt, wird gelöscht! Nur der! Wer Fake News verbreitet! Hetzen hat nichts mit Meinungsfreiheit zu tun!)

Das Ergebnis ist eine vorauseilende Selbstzensur, und das bedeutet nichts anderes als eine Einschränkung der Meinungsfreiheit.

(Beifall bei der AfD)

Die AfD steht für ein freies Internet ohne Meinungszensur, ohne NetzDG und ohne Upload-Filter. Das Grundrecht auf Meinungs- und Informationsfreiheit muss geschützt werden. Die Gesellschaft und die Bürger in diesem Land haben ein garantiertes Recht darauf.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank, Kollegin Cotar. – Nächster Redner: Sebastian Hartmann für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7296271
Wahlperiode 19
Sitzung 68
Tagesordnungspunkt Privatsphäre und Sicherheit im digitalen Raum
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