30.11.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 69 / Tagesordnungspunkt 12

Bernd RützelSPD - Gesetzlicher Mindestlohn

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Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist immer schön, wenn man hier, an dieser Stelle, wieder einmal über den Mindestlohn reden kann. Schon dafür bin ich den Linken und den Grünen für ihre Anträge dankbar. Denn der Mindestlohn ist eine Erfolgsgeschichte; darauf ist die SPD stolz, darauf dürfen wir alle stolz sein. Es ist die Sozialreform der letzten Legislaturperiode.

(Beifall bei der SPD)

4 Millionen Menschen profitieren von einem besseren Lohn. Es gibt mehr sozialversicherungspflichtige Beschäftigung, und es gibt immer weniger Menschen, die trotz Arbeit am Ende des Monats zum Amt müssen, um Sozialleistungen zu beantragen.

(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Stimmt doch gar nicht!)

Und unserer Volkswirtschaft tut dieser Mindestlohn auch gut. Er schafft zusätzliche Kaufkraft und stärkt auch die nächsthöheren Lohngruppen, weil er sie mitzieht.

Aber ich will an dieser Stelle auch sagen: Ja, der Mindestlohn ist kein guter Lohn. Er ist eine Untergrenze; eine Untergrenze, die wir eingezogen haben gegen Lohndumping, gegen unfairen Wettbewerb. Viele wollen einen höheren Mindestlohn; ich habe gar nichts dagegen. Wer sollte etwas dagegen haben? Es ist immer gut, wenn niedrigere Lohngruppen, untere und mittlere Stufen gestärkt werden und höhere Löhne erhalten.

Ich bin aber dagegen, diesen Mindestlohn jetzt per Gesetz neu zu regeln; denn wir haben mit der Einführung des Mindestlohns schon in die Tarifautonomie eingegriffen. Das war notwendig, das war geboten, und es war auch richtig. Aber wir wollen und sollten das nicht zur Regel machen; denn die Entscheidung über die Höhe des Mindestlohnes haben wir in die Hände einer unabhängigen Mindestlohnkommission gelegt, die aus Gewerkschaften, aus Arbeitgebenden besteht. Die können das besser; die können das viel besser als wir.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ich denke auch schon noch über die Expertenanhörung nach, die wir zu diesem Thema hatten. Ich frage mich: Ist der Entscheidungsspielraum, den diese Mindestlohnkommission hat, groß genug?

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Ja, die Frage stellt sich in der Tat!)

Sie kann mit Zweidrittelmehrheit eine Abweichung vom Tarifindex beschließen, aber nur, wenn besondere, gravierende Umstände vorliegen.

(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann kann die SPD ja unserem Antrag zustimmen!)

Wie konkret wir diese Kommission und den Mindestschutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer stärken können, werden wir, so wie es vereinbart ist, spätestens 2020 bei der Überprüfung der jetzigen Regel diskutieren und besprechen. Ich will aber auch sagen: Wenn wir die Tarifbindung stärken, wenn wir mehr Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen und ein Tariftreuegesetz haben und öffentliche Aufträge nur da vergeben werden, wo es Tarifverträge gibt – die öffentliche Hand ist ein sehr großer Auftraggeber –,

(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann müssen Sie das halt alles mal machen!)

dann unterstützen wir die Tarifautonomie, und dadurch wird automatisch auch der Mindestlohn ein besserer werden.

Wir sollten unser Augenmerk darauf legen, dass auch heute noch 2,2 Millionen Menschen der Mindestlohn, obwohl sie ihn bekommen müssten, verwehrt wird. Sie werden betrogen: ihnen wird der Mindestlohn vorenthalten. Deswegen müssen wir vermehrt und effektiver kontrollieren.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es gibt einfach zu viele schwarze Schafe. Wir brauchen Dokumentationspflichten; sie sind der Dreh- und Angelpunkt für Kontrollen. Denn nur, wenn man etwas schwarz auf weiß hat, kann man kontrollieren. Ich sage nur: Wir werden das gegen alle Versuche von verschiedenster Seite – die Arbeitgeberverbände sagen, dass es zu umständlich ist und zu viel Bürokratie verursacht – verteidigen. Die Aufzeichnungspflichten sind notwendig und auch jedem Arbeitgebenden zuzumuten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU, und der LINKEN)

Wir sind auf einem guten Weg. Wir stellen mehr Personal beim Zoll, bei der Finanzkontrolle Schwarzarbeit ein. Wir haben es in der letzten Legislaturperiode aufgestockt, und wir stocken es auch dieses Mal wieder auf. Aber wir wissen, dass es gar nicht so einfach ist, entsprechendes Personal zu rekrutieren. Man muss die Beschäftigten ausbilden, das dauert seine Zeit. Sie brauchen detaillierte Kenntnisse der Rechtsmaterie; sie sind Vollzugsbeamte, sie haben hoheitliche Aufgaben. Wir müssen aber nicht nur über die Anzahl der Beschäftigten bei der Finanzkontrolle Schwarzarbeit sprechen, sondern auch über deren Befugnisse, die eingeschränkt worden sind und wieder ausgeweitet werden müssen.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, mit der Einführung des Mindestlohns wurden viele Schreckgespenster an die Wand gemalt. Wo sind sie? Nichts davon ist eingetreten. Es ist eine Erfolgsgeschichte. Und wir werden uns diese Erfolgsgeschichte nicht durch detaillierte und kleinziselierte Anträge kaputtmachen lassen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir werden es 2020 überprüfen; das ist unser Plan. Das ist auch gut so.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Nächster Redner: Kollege Jürgen Pohl, AfD-Fraktion.

(Beifall bei der AfD)

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Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7296721
Wahlperiode 19
Sitzung 69
Tagesordnungspunkt Gesetzlicher Mindestlohn
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