30.11.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 69 / Tagesordnungspunkt 12

Pascal KoberFDP - Gesetzlicher Mindestlohn

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegen der Linkspartei, einmal mehr fordern Sie eine Erhöhung – eine politische Erhöhung – des Mindestlohns. Liebe Kollegen der Union, was haben Sie in den letzten vier Jahren gemacht? Es ist bei der Linkspartei in keiner Weise irgendein Erkenntniszugewinn in den Grundlagen volkswirtschaftlicher Wissenschaft zu erkennen. Sie machen die gleichen Fehler. Aber ich bin gern bereit, es Ihnen noch einmal zu erklären.

(Beifall bei der FDP)

In unserer sozialen Marktwirtschaft ist es so: Niemand hat etwas gegen gute und hohe Löhne. Aber diese Löhne bestimmen im Wesentlichen auch den Preis des Produkts. Am Ende muss der Verbraucher entscheiden, ob er bereit ist, zu diesem Preis die Dienstleistung oder das Produkt zu kaufen. Wenn er das nicht tut – die Freiheit dieser Entscheidung hat er in unserer sozialen Marktwirtschaft –, dann fällt der Arbeitsplatz weg, und die Menschen sind arbeitslos. Ich sage für die Freien Demokraten: Nicht zu arbeiten, keinen Arbeitsplatz zu haben, ist schlechter, als einen gering entlohnten Arbeitsplatz zu haben, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ein Arbeitsplatz ist mehr als ein Einkommen. Ein Arbeitsplatz ist Chance. Er ist die Chance, aufzusteigen. Er ist die Chance, bessere Fortbildungsmöglichkeiten zu bekommen. Er ist eine Chance für Befähigung. Er ist die Chance, wirklich aufzusteigen. Diese Chancen wollen Sie den Menschen nehmen, bzw. Sie riskieren diese Chancen mit Anträgen wie dem vorliegenden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, lieber arbeitslos als gering entlohnt – das ist zynisch. Das lehnen wir als FDP ab.

(Beifall bei der FDP – Abg. Klaus Ernst [DIE LINKE] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

Gegenwärtig existiert die Mindestlohnkommission aus Arbeitnehmern, Arbeitgebern und der Wissenschaft. Sie hat sich bewährt.

Herr Kollege Kober, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja, vom Kollegen Ernst doch immer.

(Heiterkeit bei der FDP – Reinhard Houben [FDP]: Aber er ist doch im Wirtschaftsausschuss, der Kollege Ernst!)

Herzlichen Dank. – Vielleicht eine Vorbemerkung: Ich wundere mich immer wieder, welche Argumente Ihnen einfallen, um einen menschenwürdigen Lohn zu verhindern.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn uns Menschen zuhören und diese teilweise verschwurbelte Argumentation hören, auch der Vorredner, dann frage ich mich: Was müssen die denken, wie sich dieser Bundestag um sie kümmert und sich um sie bemüht? Ich glaube, es ist gut, dass uns wenige hören.

Nun zu den Punkten. Sind Sie nicht mit mir der Auffassung, dass, wenn wir einen Mindestlohn als Untergrenze festlegen, wir ihn nur deshalb als Untergrenze festlegen mussten, weil die Tarifautonomie in den Bereichen offensichtlich nicht funktioniert hat? Sonst brauchten wir ihn gar nicht. Das ist eine Dysfunktionalität des Tarifsystems. Glauben Sie nicht, dass dieser Lohn dann von Anfang an zu gering ist, wenn man, nachdem man mit diesem Lohn in Rente geht, eine Rente bekommt, die von der Allgemeinheit bezahlt werden muss? Wäre es dann nicht viel sinnvoller, die Lohnhöhe so zu definieren, und zwar von Anfang an, dass man dann wenigstens nicht auf Kosten des Staates sein Alter finanzieren muss, sondern auf Kosten seiner eigenen Erwerbstätigkeit? Das ist doch viel vernünftiger.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn der Lohn von Anfang an zu gering war – das möchte ich meinen Freunden von der Sozialdemokratie sagen –, dann ist es doch sinnvoll, sich den Kollegen Martin Schulz noch einmal in Erinnerung zu rufen. Er hat gesagt, man kann Fehler machen, aber man kann sie auch korrigieren. Sie hätten die Möglichkeit, durch Zustimmung zu unserem Antrag den Webfehler des Mindestlohns insofern zu korrigieren, dass man die Löhne so anhebt, –

(Zuruf von der FDP: Frage!)

Herr Kollege Ernst, Sie sollten keine Rede halten, sondern eine Zwischenbemerkung machen.

– dass zumindest Altersarmut nicht entsteht bzw. eine Rente, die nicht mehr funktioniert, ausgeglichen wird.

Ich danke Ihnen fürs Zuhören.

(Beifall bei der LINKEN)

Lieber Kollege Ernst, ich beantworte Ihnen diese Frage gerne. Ich meine, wir haben dies zuletzt auch schon im Jahr 2013 miteinander debattiert. Wenn Sie über einen hohen Lohn, den Sie politisch festsetzen, Altersarmut verhindern wollen, dann gilt trotzdem immer noch die Wahrheit, dass eins und eins zwei ist, oder in der Volkswirtschaft, dass der Arbeitsplatz zu dem Lohn, den Sie politisch festsetzen, auch dauerhaft über das Erwerbsleben hinweg existieren muss.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Nur in der Klassik!)

Wenn er das nicht tut, dann wird diese Person arbeitslos, und dann verschärft sich für diese Person das Problem der Altersarmut deutlich. Das heißt, am Ende schütten Sie sozusagen das Kind mit dem Bade aus. Das ist ein völlig falscher Ansatz. Ich kann Sie nur ermuntern, noch einmal die Rede, die ich hier heute gehalten habe, nachzulesen, wie auch die aus dem Jahr 2013.

(Beifall bei der FDP)

Sie selber wissen doch, weil Sie von der Gewerkschaft sind, dass es immer darum gehen muss, dass die Arbeitskosten, die in die Kosten eines Produktes einfließen, auch vom Verbraucher akzeptiert werden müssen. In unserem Land sind die Verbraucher selbstständig und entscheiden nach einem individuellen Preisempfinden. Wenn sie nicht bereit sind, diesen Preis zu bezahlen, dann kaufen sie das Produkt nicht, dann hört dieser Arbeitsplatz auf, zu existieren, und wird vielleicht durch Automaten ersetzt. Lieber Herr Ernst, das kann man nicht wollen.

(Kerstin Tack [SPD]: So ein Quatsch!)

Ich sage es noch einmal: Lieber arbeitet jemand und hat alle Chancen, aufzusteigen. Lieber arbeitet jemand und gewinnt Arbeitserfahrung, kann die Chance ergreifen und hat mehr Möglichkeiten.

(Abg. Klaus Ernst [DIE LINKE] nimmt Platz)

– Herr Ernst, ich bin noch nicht fertig mit meiner Antwort.

Herr Kollege Ernst, die Frage war sehr lang. Insofern kann auch die Antwort etwas länger sein.

(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Das ist ja gar nicht das, was ich gefragt habe!)

Sie haben den Zusammenhang zwischen Altersarmut und Lohnhöhe thematisiert.

(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Ob der Lohn ausreicht, war meine Frage!)

Ich sage Ihnen noch einmal: Sie können nicht politisch Löhne festsetzen, dann müssten Sie die Verbraucherinnen und Verbraucher per Gesetz zwingen, diese Löhne auch zu akzeptieren und zu bezahlen. Das ist in unserem Land glücklicherweise nicht so. Wenn das nicht so ist, dann stellt sich die Frage, ob die Verbraucher bereit sind, diesen Preis zu bezahlen. Wenn sie es nicht tun, fällt der Arbeitsplatz weg.

(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Das war nicht meine Frage! Ob er ausreicht, war meine Frage!)

Herr Ernst, wenn der Arbeitsplatz wegfällt, ist die Wahrscheinlichkeit, in Altersarmut zu geraten, doch viel höher, als wenn jemand dauerhaft in Arbeit ist und an seinem Arbeitsplatz alle Chancen hat, aufzusteigen. Genau an dieser Stelle setzen wir als Freie Demokraten an. Die Möglichkeiten zum Aufstieg auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern, das ist die Herausforderung.

Jetzt zum Antrag der Grünen; denn auch Sie haben einen Antrag vorgelegt. Darin geht es Ihnen darum, die Mindestlohnkommission dazu zu verpflichten, die Mindestlohnfestsetzung künftig entlang der durchschnittlichen Tarifentwicklung vorzunehmen. Das war in den vergangenen Jahren immer der Fall, aus freier Einsicht der Mindestlohnkommission.

(Johannes Vogel [Olpe] [FDP]: Genau!)

Es ist sehr, sehr wahrscheinlich, dass das auch in Zukunft so bleiben wird; denn die Hürden, um von der durchschnittlichen Tariflohnentwicklung abzuweichen, sind sehr hoch, Frau Müller-Gemmeke. Dafür brauchen Sie eine Zweitdrittelmehrheit in der Mindestlohnkommission.

(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir sind der Gesetzgeber, Herr Kollege! Wir können das ändern!)

Wann wird es denn der Fall sein, dass von der durchschnittlichen Tarifentwicklung abgewichen wird? Doch nur dann, wenn ein Arbeitsplatzverlust bei Geringverdienern zum Beispiel durch einen akuten Konjunktur­einbruch wahrscheinlich ist. In einem solchen Fall ist es doch auch Ihr Ansinnen, dass lieber ein Arbeitsplatz erhalten bleibt, als dass er dann verloren geht. Aus diesem Grund lehnen wir Ihren Antrag ab.

Was wir wollen, ist, dass die Menschen die Chance haben, innerhalb des Arbeitsmarktes aufzusteigen. Deshalb müssen wir an ihren Qualifizierungschancen arbeiten. Das ist die richtige Lösung auch für höhere Löhne und eine gute, positive Entwicklung.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Die Kollegin Katharina Dröge ist die nächste Rednerin für Bündnis 90/Die Grünen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7296736
Wahlperiode 19
Sitzung 69
Tagesordnungspunkt Gesetzlicher Mindestlohn
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