14.12.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 72 / Tagesordnungspunkt 23

Ulrike BahrSPD - Fachkräftemangel in der Kinder- und Jugendhilfe

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Das Gute-Kita-Gesetz ist ein gutes Gesetz. Es ist heute auch im Bundesrat beschlossen worden. Das zu all den kritischen Bemerkungen gegenüber diesem so guten Gesetz.

(Beifall bei der SPD)

Ja, für eine gute Kinder- und Jugendhilfe braucht man vor allem engagierte, qualifizierte und persönlich geeignete Menschen, die sich den Aufgaben und Herausforderungen stellen, egal ob im Jugendamt, in der Erziehungsberatung, in der Heimerziehung oder in den Angeboten der offenen Jugendarbeit. Und: Ja, bereits seit 2008 gibt es bei den sozialen Berufen konstant hohe Quoten an sofort zu besetzenden offenen Stellen. Besonders augenfällig ist der gestiegene Personalbedarf in der Kindertagesbetreuung. Dazu hat Ministerin Giffey heute Vormittag ja erklärt, dass es sehr wohl eine Fachkräfteoffensive geben wird, an der wir mit Hochdruck arbeiten, um speziell die Situation bei den Erziehern und Erzieherinnen zu verbessern. Die Mittel hierfür sind für 2019 in den Haushalt eingestellt.

(Beifall bei der SPD)

Aber ich will mich hier vor allem mit der Situation in der Kinder- und Jugendhilfe beschäftigen. Auch dort sind Personalbedarf und Personaleinsatz in den letzten Jahren stark gestiegen, wie dem „Monitor Hilfen zur Erziehung 2018“ zu entnehmen ist. Trotz vieler neuer Stellen hören wir alle aber immer wieder von Überlastungsanzeigen der Jugendämter. Ich verweise auf Frau Professor ­Beckmann aus Koblenz, die eindringlich die schwierige Situation des Allgemeinen Sozialen Dienstes in Jugendämtern mit Beispielen aus allen Bundesländern geschildert hat. Sie hat Überlastungen geschildert, die zu Überforderungsgefühlen führen, zu Fehlern, zu Unzufriedenheit im Job und zu hoher Fluktuation.

Das schildert auch der Antrag der Linksfraktion sehr zutreffend. Qualität dagegen braucht Kontinuität, braucht gute Arbeitsbedingungen und faire Bezahlung, keine Frage. Wenn wir die Kinder- und Jugendhilfe stärken, sie inklusiv öffnen und, wie im neu gestarteten Reformprozess des Jugendministeriums geplant, den Kinderschutz wie auch das Hilfesystem verbessern wollen, dann sind die Fachkräfte dafür ein Dreh- und Angelpunkt. Dabei sind die bundesrechtlichen Regelungen für die Fachkräfte in der Kinder- und Jugendhilfe sehr überschaubar gehalten: Das SGB VIII regelt im Fachkräftegebot des § 72 nur, dass Fachkräfte eine entsprechende Ausbildung vorweisen und persönlich geeignet sein müssen. Genauer wird das nicht spezifiziert, mit gutem Grund, wie ich denke; denn die vielfältigen Aufgaben und Angebote der Kinder- und Jugendhilfe profitieren auch von vielfältigen Kompetenzen und Zugangswegen.

Bildung und Ausbildung sind Länderkompetenzen, die – wir haben es gerade erst beim DigitalPakt erlebt – mit Zähnen und Klauen verteidigt werden, sobald der Bund nicht nur Geld gibt, sondern auch mitgestalten möchte. Nicht immer haben die Landesregierungen die Personalbedarfe und Belange der Kommunen im Blick, die ja vor Ort die Kinder- und Jugendhilfe letztendlich stemmen müssen. So hat zum Beispiel bei mir zu Hause die Hochschule Augsburg nach langem Ringen einen Studiengang „Soziale Arbeit“ eingerichtet, den sie aber komplett selbst querfinanzieren muss, weil die CSU in München keine Landeszuschüsse bewilligt. Der Studiengang bietet darum ganze 20 Plätze. Ich denke, das ist wirklich nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

Darum habe ich persönlich große Sympathien für die Forderung der Linken, auf eine Analyse der Ausbildungssituation in den verschiedenen Bereichen zu dringen und mit den Ländern und Kommunen an einer Strategie für ausreichend Ausbildungs- und Studienplätze zu arbeiten. Ich halte es aber für zielführender und besser, diese Fragen in den Beteiligungsprozess zur Modernisierung der Kinder- und Jugendhilfe einfließen zu lassen. In jedem Fall werden wir das Fachkräfteproblem in vielen Fragen mitdenken müssen, mit denen wir uns im nächsten Jahr beim Beteiligungsprozess beschäftigen werden. Ob Kinderschutz oder ein wirksames Hilfesystem, ob Angebote für bislang vernachlässigte Zielgruppen wie die Kinder psychisch erkrankter Eltern oder auch der bessere Umgang mit Beschwerden und Fehlern, zum Beispiel über die Einrichtung von Ombudsstellen, all dies funktioniert nur mit ausreichend qualifizierten Fachkräften.

Beim Beteiligungsprozess sitzen Kommunen und Länder, Vereine, Praktiker und Wissenschaft gemeinsam an einem Tisch, und alle Fachleute können sich auch über den Onlineprozess einbringen. Ich bin mir sicher: In diesem Dialogprozess werden wir etliche gute Anregungen aus dem Antrag der Linken aufgreifen. Das ist dann auch der Ort, zu analysieren, wo wir gesetzliche Klarstellungen für eine starke Kinder- und Jugendhilfe und bessere Arbeitsbedingungen brauchen.

Danke sehr.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Michael Kießling [CDU/CSU])

Nächster Redner ist Grigorios Aggelidis, FDP.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7307886
Wahlperiode 19
Sitzung 72
Tagesordnungspunkt Fachkräftemangel in der Kinder- und Jugendhilfe
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