15.02.2019 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 81 / Tagesordnungspunkt 19

Pia-Beate ZimmermannDIE LINKE - Zwei-Klassen-System in der Pflegeversicherung

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Verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Dramatik des Pflegenotstands kann man daran erkennen, dass selbst Bundesminister Spahn von einer notwendigen Grundsatzdebatte über die Finanzierung der Pflege spricht und Herr Lauterbach wieder mal die Bürgerversicherung für die Pflege fordert, obwohl wir doch gar nicht im Wahlkampf sind.

(Tino Sorge [CDU/CSU]: Ist doch nichts Neues!)

Wir haben Konzepte vorgelegt. Wir wollen, dass schnell gehandelt und nicht nur geredet wird.

(Beifall bei der LINKEN)

Deshalb schlagen wir einen ersten Schritt vor, um die Pflege besser zu finanzieren, einen ersten Schritt, um mehr Geld für gute Pflege bereitzustellen, ohne dass die Versicherten weiter belastet werden,

(Beifall bei der LINKEN)

einen ersten Schritt zu wirklicher Generationengerechtigkeit, damit die jungen, gesünderen Menschen in der privaten Pflegeversicherung nicht nur für sich vorsorgen, einen ersten Schritt zu wirklicher Solidarität, damit alle Besserverdienenden gute Pflege für alle mitfinanzieren.

(Beifall bei der LINKEN)

Es ist doch absurd: Die Rücklagen der gesetzlichen Pflegeversicherung reichen nicht mal drei Monate. Die Rücklagen der privaten Pflegeversicherung von 34 Milliarden Euro reichen fast 30 Jahre. Das ist doch wirklich absurd, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN)

Und warum ist das so? Weil Junge, Gesunde, meist Besserverdienende, die noch keine Pflege brauchen, in den privaten Versicherungen sind. Das ist ungerecht, und das wollen wir ändern.

(Beifall bei der LINKEN)

Um diese Systemfrage geht es. Das zeigt auch der Antrag der FDP. Sie bleiben sich treu, verehrte Kolleginnen und Kollegen: mehr private Vorsorge zum Wohle der Versicherungen, mehr Wettbewerb sogar zwischen den privaten Pflegeversicherungen

(Nicole Westig [FDP]: Weil es nachhaltig ist!)

und noch mehr Pflegevorsorgefonds, die Versicherungsbeiträge am Finanzmarkt parken und so der Versorgung entziehen – als hätte der private Markt mit dem Pflegenotstand nichts zu tun, als würde noch mehr Wettbewerb die Pflege besser machen. Das ist so absurd. Das will ich an dieser Stelle gar nicht weiter kommentieren.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, Die Linke fordert konsequent einen Paradigmenwechsel. Wir wollen gute Pflege für alle solidarisch finanzieren. Das heißt, jeder und jede zahlt den gleichen Anteil vom gesamten Einkommen, im Übrigen auch von Kapitaleinnahmen, in die Pflegeversicherung ein, und zwar ohne Beitragsbemessungsgrenze. Die Pflegeversicherung finanziert alle Leistungen, die für eine gute und bedarfsgerechte Pflege notwendig sind. Als Einstieg in diese Pflegevollversicherung werden die Eigenanteile sofort gedeckelt.

(Beifall bei der LINKEN)

Gute, bedarfsgerechte Pflegeangebote müssen für alle Menschen verfügbar und bezahlbar sein. Niemand wird bei der Versorgung bevorzugt oder benachteiligt. Deshalb wird die private in die soziale Pflegeversicherung überführt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD, ich würde vorschlagen, Sie folgen einfach mal Ihrem Gewissen und nicht dem Koalitionszwang. Sie haben bereits mehr Solidarität angekündigt; jetzt können Sie Ihr Versprechen einlösen. Wir als Linke haben tatsächlich nicht den Ehrgeiz, die einzige Partei zu bleiben, die sich wirklich für soziale Gerechtigkeit einsetzt.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Auch viele Pflegekräfte wollen sofortige Veränderungen. Nicht nur in Niedersachsen kämpfen sie gemeinsam und auch mit uns Linken für gute Arbeitsbedingungen und gute Löhne. Die Pflegekräfte haben die Nase voll von Entscheidungen über ihren Kopf hinweg. Sie wollen endlich mitbestimmen und nicht nur mit verwalten.

(Erich Irlstorfer [CDU/CSU]: Reden Sie doch nicht einen solchen Propaganda-Unsinn!)

Das werden sie auch tun. Der Protest auf der Straße lässt sich nicht mehr aufhalten. Ich freue mich darüber sehr. Der Protest auf der Straße, wie er jetzt von Niedersachsen ausgeht, ist das Salz und ist der Pfeffer in der Suppe für unsere Arbeit hier im Deutschen Bundestag.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, glauben Sie als Regierung wirklich, dass Ihre halbherzigen arbeitgeberfreundlichen Reformen den jetzigen Zustand ändern werden? Haben Sie Konzepte tatsächlich für alle Pflegebereiche, zum Beispiel für die ambulante Pflege? Dort wird die tarifliche Bezahlung der Pflegekräfte oft nicht durch die Kassen refinanziert. Es reicht nicht, tarifliche Bezahlung ins Gesetz zu schreiben. Es muss auch gesichert sein, dass tatsächlich alle 109 Krankenkassen den Tariflohn gleichermaßen akzeptieren und bezahlen.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie verabschieden ein Gesetz für 13 000 zusätzliche Pflegekräfte in Pflegeheimen. Sie könnten auch 30 000 oder 300 000 zusätzliche Stellen versprechen. Das bleiben leere Worte, wenn Sie keine Finanzgrundlage schaffen, um Pflegekräfte sofort besser zu bezahlen, damit niemand mehr aus dem Beruf flieht.

Meine Damen und Herren, wenn Sie nicht den Ausverkauf der Pflegeeinrichtungen an Renditejäger unterbinden, bleiben die Menschen mit Pflegebedarf und die Pflegekräfte Spielball im internationalen Finanzmarkt. Pflegekräfte sind keine billigen Arbeitskräfte, die ihren Beruf aus Dankbarkeit ausüben und mit einer Schachtel Pralinen abgespeist werden können. Menschen mit Pflegebedarf haben ein Recht darauf, professionell und mit Würde versorgt zu werden, egal wo sie wohnen und egal wie dick ihr Geldbeutel ist. Angehörige und Familien müssen sich darauf verlassen können, dass sie überall und jederzeit die Unterstützung bekommen, die sie benötigen.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Überführung der privaten Pflegeversicherung in die soziale Pflegeversicherung wäre ein Anfang. Damit entsteht eine nachhaltige Finanzierungsgrundlage. Weitere Schritte müssen natürlich folgen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Zimmermann. – Als Nächstes erhält das Wort der Kollege Erwin Rüddel, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7325958
Wahlperiode 19
Sitzung 81
Tagesordnungspunkt Zwei-Klassen-System in der Pflegeversicherung
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