Roderich KiesewetterCDU/CSU - Aktuelle Stunde zur Münchner Sicherheitskonferenz
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Am Ende dieser Aktuellen Stunde ist uns allen deutlich geworden, dass bei der Münchner Sicherheitskonferenz, aber auch hier die Bruchlinien der internationalen regelbasierten Ordnung zum Greifen nahe sind. Das für uns Beklemmende ist, dass auf der Münchner Sicherheitskonferenz keine europäische Position sichtbar war, die das Ganze wieder gekittet hätte. Wir sollten uns noch einmal vor Augen führen, was Angela Merkel angesprochen hat. Sie hat die Bruchlinien, die Puzzles benannt: die Entwicklung in Afrika, die Erosion der internationalen Rüstungskontrollarchitektur, aber auch die demografische Entwicklung, den Klimaschutz und letztlich die Handelskonflikte. Die Antwort darauf, die wir hier zum Teil versucht haben zu geben, ist nicht der Rückzug ins Nationale. Die Probleme zu lösen – das haben meine Vorrednerinnen und Vorredner fraktionsübergreifend dargelegt –, geht nur gemeinsam. Wenn wir nicht in der Lage sind, die Probleme gemeinschaftlich zu lösen, wird uns eine Renationalisierung erst recht an den Abgrund bringen.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)
Drei Punkte liegen mir am Herzen. Erstens, der Blick auf die Münchner Sicherheitskonferenz selbst: Das ist eine privat organisierte Konferenz, wo Außen-, Entwicklungs-, Sicherheits-, Handels- und Wirtschaftspolitik zusammengeführt werden. Dieser Konferenz gelingt es außerdem seit vielen Jahren, auch junge Leute einzubinden. Das ist ein Pfund. Das Kostbare an dieser Konferenz ist, dass sie nicht mehr wie vielleicht vor 30, 40 Jahren eine Konferenz der Elder Statesmen ist, sondern die Probleme generationenübergreifend anpackt. Sicherheitspolitik bekommen wir nur in die Gesellschaft, wenn wir Foren schaffen. Deshalb sollte das uns als Parlamentarier ein Mahnruf sein, uns im Parlament mit solchen Fragen intensiver zu beschäftigen. Wir als CDU/CSU und SPD in der Koalition haben bewusst dieses Thema auf die Tagesordnung gesetzt, um nicht nur über 30 Einzeldebatten – 16 oder 17 mal 2 im Jahr – über Einsätze zu führen, sondern um auch gezielt über die strategische Ausrichtung zu sprechen.
Wenn eines deutlich geworden ist, dann das – das sind meine beiden anderen Punkte –: Die Bundesrepublik Deutschland kann nicht alleine agieren. Aber die Verteidigungsanstrengungen, die wir unternommen haben, haben die NATO gestärkt. Diese Stärkung der NATO führt dazu, dass sie wieder ernst genommen wird, dass sie auch von den Partnern in Osteuropa, von Polen und dem Baltikum, als Sicherheitsgarantie verstanden wird. Die Folgerungen, die wir daraus ziehen, sind die Verbesserung der Ausrüstung der Bundeswehr und ein stärkeres Engagement in der NATO bzw. eine stärkere Sichtbarkeit in der NATO. Genauso wichtig ist, dass wir vor dem Hintergrund einer gestärkten NATO und mit durchgedrücktem Rücken wieder das Gespräch mit Russland suchen. Wir brauchen auf militärischer und politischer Ebene den NATO-Russland-Rat. Nachdem wir die NATO wieder stark gemacht haben, sollten wir uns nicht der Chance begeben, einen engeren Austausch mit Russland zu suchen und unsere Punkte durchzubringen – sie alle sind bekannt –, von der Krim bis hin zum Vorgehen in Syrien.
Der letzte Gedanke, den ich anstellen möchte, betrifft die Rolle Europas. Wenn wir über Afrika und eine faire Handelspolitik nachdenken, stellen wir fest, dass die Rolle Europas weniger sichtbar ist, als sie sein könnte. Wo ist unser strategischer Beitrag, um den Maghreb stärker an den europäischen Wirtschaftsraum anzubinden? Wo ist der europäische Beitrag, die Operation Sophia und die europäische Grenzmission in Libyen enger miteinander zu verknüpfen? Wo ist der europäische Beitrag mit Blick auf den Schutz von Minderheiten in Idlib, um im Nahen und Mittleren Osten stärker präsent zu sein? Hier haben wir in den nächsten Jahren unsere Hausaufgaben zu machen.
Die Lösung bedeutet also nicht weniger Europa oder weniger NATO und Renationalisierung, sondern, dass wir, fest verankert im Westen, Trump als Warnzeichen und gleichzeitig als Ermutigung sehen, unser europäisches Schicksal fester in die Hand zu nehmen und im Umfeld Europas mehr Verantwortung zu übernehmen. Das kostet Geld. Das bedeutet mit dem Blick auf den Finanzrahmen nicht nur der Bundeswehr, sondern auch der Entwicklungszusammenarbeit, der industriellen Unterstützung sowie der Ausbildungs- und der Bildungsunterstützung, dass wir Geld in die Hand nehmen müssen, um junge Menschen außerhalb Europas aus der Arbeitslosigkeit in Beschäftigung zu führen – davon profitieren wir Europäer wiederum – und um gemeinsam einen Sicherheitsraum um das Mittelmeer herum zu gestalten.
In diesem Sinne war die Münchner Sicherheitskonferenz ein Weckruf und, ich glaube, auch ein Appell an uns, dass wir uns im Parlament intensiver mit solchen Fragen beschäftigen.
Herzlichen Dank.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7328674 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 82 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde zur Münchner Sicherheitskonferenz |