04.04.2019 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 92 / Zusatzpunkt 7

Alexander HoffmannCDU/CSU - Urheberrechtsrichtlinie

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Danke. – Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es wird Sie nicht überraschen: Die Anträge, die vorliegen, enttäuschen mich, weil sie so einseitig sind.

(Zurufe von der FDP und der LINKEN: Och!)

Jetzt habe ich zumindest von Ihnen von der FDP gedacht, dass Sie eine Partei des Rechtsstaats sind.

(Roman Müller-Böhm [FDP]: Das sind wir doch! Wir wollen den Rechtsstaat behalten! Sie wollen ihn privatisieren!)

Doch wenn ich Ihren Antrag lese, fühle ich mich bemüßigt, Sie darauf hinzuweisen, dass in Deutschland Eigentum – Sacheigentum, meine Damen, meine Herren, aber auch geistiges Eigentum – grundgesetzlich geschützt ist.

(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Das Urheberrecht gilt auch im Internet!)

Ich verstehe auch nicht, dass Sie heute einen Antrag vorlegen und sagen: „Ja, es ist doch ganz einfach; wir stimmen jetzt im Rat nicht zu“ und Sie keinerlei konkrete, belastbare Vorschläge machen, wie man dann geistiges Eigentum im Internet tatsächlich effektiv schützen kann. Stattdessen suggerieren Sie in den Anträgen – diesen Eindruck erwecken Sie auch draußen bei denjenigen, die demonstrieren –: Hier gibt es jetzt noch eine letzte Hürde. Wir verhindern die Abstimmung im Ministerrat.

(Manuel Höferlin [FDP]: Warum haben Sie es dann in Ihren Koalitionsvertrag geschrieben?)

Ich sage Ihnen, dass Sie auch dort den Menschen Sand in die Augen streuen;

(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Das sagt der Richtige! – Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Das können Sie gut!)

denn in der Konstellation, die vorliegt – das müssten Juristen wissen –, ist die Zustimmung im Ministerrat eigentlich nur noch reine Formsache.

(Daniel Föst [FDP]: Aha!)

Wir haben nämlich ein Trilogverfahren, an dem der Ministerrat schon beteiligt war und in dem Deutschland, konkret: Katarina Barley, zugestimmt hat. Wir haben die Zustimmung des EU-Parlaments und die Zustimmung im Ausschuss der Ständigen Vertreter. Da spricht auch die Bundeszentrale für politische Bildung

(Zurufe von der FDP: Oh!)

von einer – ich zitiere – „Formsache“, die diese Zustimmung darstellt.

(Manuel Höferlin [FDP]: Na dann, wenn die das sagen!)

Letztendlich ist es so wie bei uns die dritte Lesung eines Gesetzes. Trotzdem erwecken Sie bei den Menschen den Eindruck: Heute könnte noch etwas gehen, und Sie kämpften für sie.

(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Na klar! – Manuel Höferlin [FDP]: Wenn man Eier hat, dann geht das! – Heiterkeit bei der FDP)

Dann gehen wir mal auf die Straße und schauen uns die Demonstrationen an. Sie laden zu Demonstrationen ein, die Aufrufen wie „Save your Internet“ folgen. Sie suggerieren – vorhin ist es wieder geschehen –: Wenn diese Urheberrechtsreform kommt – – Herr Präsident, ich glaube, da drängt es einen Kollegen zu einer Zwischenfrage.

Wenn Sie gestatten, dann würde der Herr Buschmann gerne eine Frage stellen.

Mit Blick auf meine Redezeit mit ganz großem Vergnügen.

Vielen Dank, Herr Kollege, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Sie haben sehr umfangreich zum Thema „Sand in die Augen streuen“

(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Sandmännchen!)

und zu verfassungsrechtlich geschützten Rechtsgütern wie dem Eigentum ausgeführt.

Ich wollte Sie fragen: Was für eine Form von Miss­achtung gegenüber dem verfassungsrechtlich geschützten Gut der Vertragsfreiheit und was für eine Form von Sand-in-die-Augen-Streuen ist es eigentlich, wenn eine Partei sich in einem Koalitionsvertrag bindet – und es ist die ganze Partei, die sich bindet – und sagt, dass Uploadfilter unverhältnismäßig sind, und dann sehenden Auges diesen Vertrag durch den Kakao zieht, der Öffentlichkeit offenbar Sand in die Augen gestreut haben muss und diese grundgesetzlich geschützte Vertragsfreiheit offenbar missachtet, indem alle Angehörigen dieser Partei im Europäischen Parlament die im Koalitionsvertrag getroffene Vereinbarung mit Füßen treten und dagegenstimmen? Das hätte ich gerne mal von Ihnen erläutert.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD)

Danke, Herr Kollege, für Ihre Frage. – Auch mich rührt es, dass Sie sich so ernsthaft Sorgen um die Einhaltung des Koalitionsvertrages machen.

(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Das ist jetzt Gähn! – Manuel Höferlin [FDP]: Einhaltung der Wahlversprechen!)

Aber das Entscheidende ist – auch das sagen Sie den Menschen nicht –: Wir reden über eine Richtlinie. Das heißt, wir bekommen jetzt eine Vorgabe aus Brüssel, und dann geht es darum, das in nationales Recht umzusetzen. Im Gegensatz zu Ihnen hat bei uns die Arbeit ja schon angefangen.

(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Nee!)

Es hat ja schon in den letzten Wochen Überlegungen und Vorschläge gegeben,

(Dr. Christian Jung [FDP]: Sie arbeiten gar nicht!)

wie wir ohne Uploadfilter tatsächlich zu einem Ergebnis kommen. Und das unterscheidet uns von Ihnen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Martin Rabanus [SPD])

Ich war bei dem Punkt, dass immer bemüht wird: Das ist das Ende des freien Internets. – Ich will Ihnen sagen: Wenn Sie ehrlich sind, dann müssen wir heute doch alle eingestehen, dass rein tatsächlich das Internet heute schon nicht mehr frei ist; denn es wird beherrscht – und zwar auch im Bereich von geistigen Erzeugnissen, im Bereich von geistigem Eigentum – von Internetriesen wie Google, Facebook, YouTube.

(Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da haben Sie ja nichts gemacht!)

Die entscheiden, wer wann was wo wie lange sehen darf, und zwar aus wirtschaftlichen Interessen. Und da sind auch plötzlich keine technischen Schwierigkeiten mehr vorhanden. Und mit was, liebe Kolleginnen und Kollegen, entscheiden die das? Mit – jetzt kommt das böse Wort – Filtern.

(Abg. Grigorios Aggelidis [FDP] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

– Herr Präsident, eine weitere Frage.

Wenn Sie noch eine zulassen, bitte schön.

Ich schätze den Kollegen Aggelidis; deswegen mit großem Vergnügen.

Vielen Dank, Herr Hoffmann. – Ich habe Ihnen aufmerksam zugehört; das unterscheidet uns von so manchem hier. Jetzt möchte ich Sie fragen: Haben Sie eben allen Ernstes gesagt, dass Sie einer Richtlinie zugestimmt haben, obwohl Sie im Moment noch gar keine Ahnung haben – denn jetzt beginnt ja bei Ihnen erst die Arbeit –, wie Sie diese Richtlinie ohne – –

(Widerspruch bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf von der CDU/CSU: Das haben Sie falsch verstanden!)

– Bitte? Moment, lassen Sie mich bitte aussprechen!

Sie haben eben sehr deutlich gesagt, dass bei Ihnen die Arbeit daran schon begonnen hat, wie Sie diese Richtlinie ohne Uploadfilter – das habe ich vorher schon verstanden, aber Sie nicht – umgesetzt bekommen. Das bedeutet, Sie haben dieser Richtlinie zugestimmt, obwohl Sie noch gar keine Lösung dafür haben, wie Sie diese Richtlinie ohne Uploadfilter umgesetzt bekommen.

(Tankred Schipanski [CDU/CSU]: So ein Quatsch!)

Sonst bräuchten Sie ja gar nicht erst damit zu beginnen, dann hätten Sie die Lösung ja schon.

Herr Kollege, wir können das Spiel jetzt ewig so treiben, dass Sie mir Dinge in den Mund legen, die ich so definitiv nicht gesagt habe.

Es ist vielmehr ein ganz normaler Vorgang, dass die Richtlinie in Brüssel in Form gegossen wird. Daran haben wir uns beteiligt, und da haben wir sehr wohl eingebracht, was am Schluss technisch machbar ist und was nicht. Deswegen sehe ich überhaupt keine Schwierigkeit, diese Richtlinie so ins nationale Recht umzusetzen, dass auch Sie sich um die Umsetzung des Koalitionsvertrages keine Sorgen machen müssen.

Ich würde aber dann gerne an anderer Stelle auch auf Sie zukommen und Ihre Unterstützung für den Koalitionsvertrag einholen, wenn ich so frei sein darf.

(Beifall bei der CDU/CSU)

So, Kollege Hoffmann, die letzte Frage würde gern Frau Dr. Sitte stellen. Ist das okay?

Ich würde jetzt vorschlagen, Herr Präsident, –

Gut.

– angesichts des langen Abends wäre das doch im Interesse aller – –

Jawohl, so machen wir es.

(Zurufe von der FDP und der LINKEN)

Nein, ich habe auch kein Problem – – Dann machen wir die Frage noch, bevor ich mir jetzt nachsagen lasse, ich hätte Angst.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wollen Sie, Frau Sitte, jetzt zusagen, dass Sie den Koalitionsvertrag ab nun mit uns umsetzen?

Nein, nein, den habe ich ja vorhin schon zitiert; das war ja eingängig.

Ich habe die Bundesregierung gefragt, nachdem die CDU, sprich: Herr Ziemiak, überall herumgelaufen ist, Sie hätten Ideen, wie man das alles ohne Uploadfilter machen kann. Wissen Sie, was die Bundesregierung mir geantwortet hat? – Die Bundesregierung wird im Rahmen des anstehenden nationalen Gesetzgebungsverfahrens zur Umsetzung der Richtlinie alle eventuell bestehenden Umsetzungsspielräume sorgfältig prüfen und gegebenenfalls nutzen.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Richtig, das war die Antwort!)

Das ist null Plan.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN, der AfD und der FDP)

Frau Kollegin, Entschuldigung, Sie liefern die Antwort in Ihrem Zitat:

(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Sie gibt zu: ohne Plan!)

weil die Bundesregierung nicht das Parlament ist.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

In Ihrem Kopf herrscht offensichtlich die Vorstellung, dass die Bundesregierung – wer immer das dann sein mag – in einem dunklen Kämmerlein entscheidet, was wir machen.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Das wäre totalitär!)

Dann muss ich uns mal alle fragen: Warum sitzen wir hier dann eigentlich zusammen und reden uns die Köpfe heiß?

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Wenn ich einer Sache zustimme, muss ich einen Plan haben, wie es geht!)

Wir sollten also unterscheiden, was das Parlament als Aufgabe hat und was die Bundesregierung als Aufgabe hat; das stand ja sehr schön in der Antwort, die Sie bekommen haben, Frau Kollegin.

(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Sie stimmen einer Sache zu und haben keine Ahnung, wie Sie es umsetzen!)

Frau Kollegin, die Frage ist jetzt beantwortet.

Ich will noch einmal zu dem Punkt zurück, dass heute schon in diesem Bereich das Netz von den Großen beherrscht wird – mit Filtern. Schauen Sie sich YouTube an: Wir haben das Phänomen, dass über 40 Prozent aller Videostreams im Netz bei YouTube stattfinden. YouTube selbst leistet aber nur 2 bis 3 Prozent der urheberrechtlichen Vergütungen. Wie kann man da, meine Damen, meine Herren, noch von der Freiheit im Netz reden?

(Zurufe der Abg. Dr. Petra Sitte [DIE LINKE] und Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Unterhalten Sie sich mal mit einem Musiker, mit einem Fotografen, mit einem Redakteur, mit irgendeinem Urheber, der bei YouTube oder anderen Großen schon einmal angeklopft und auf die Einhaltung seines Urheberrechts gepocht hat! Wissen Sie, was der als Antwort bekommt? – Wir sind nur die Plattform, dafür sind die User verantwortlich. – Genau das, liebe Kolleginnen und Kollegen, genau das wollen wir ändern.

(Peter Boehringer [AfD]: Sie wollen noch mehr zensieren!)

Wir wollen, dass diejenigen, die mit dem geistigen Eigentum anderer Geld verdienen, auch sicherstellen, dass urheberrechtliche Vorschriften eingehalten werden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich komme zum Ende. Wenn Sie Freiheit im Netz wollen, dann müssen Sie auch Sicherheit im Netz gewährleisten.

(Peter Boehringer [AfD]: Freiheit ist Freiheit!)

Wenn Sie Freiheit für Künstler, für Urheber, für Redakteure im Netz wollen, dann müssen Sie auch gewährleisten, dass deren geistiges Eigentum sicher ist.

(Peter Boehringer [AfD]: Das hat das Internet 40 Jahre ohne Sie geschafft!)

Das wird in Ihren Anträgen vernachlässigt; deswegen lehnen wir sie selbstverständlich ab.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Der nächste Redner: der Kollege Dr. Jens ­Zimmermann, SPD-Fraktion.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

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Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7342105
Wahlperiode 19
Sitzung 92
Tagesordnungspunkt Urheberrechtsrichtlinie
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