05.04.2019 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 93 / Tagesordnungspunkt 22

Nicole GohlkeDIE LINKE - Bundesausbildungsförderungsgesetz

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Jetzt hat die Bundesregierung also endlich einen Vorschlag gemacht, um das BAföG auf Vordermann zu bringen – endlich! –, und trotzdem kommt irgendwie nicht so richtig Jubelstimmung auf, was die Bundesregierung so gar nicht begreifen kann. Dabei ist es aus meiner Sicht wirklich nicht so schwer zu verstehen; denn die BAföG-Reform der Großen Koalition, sie kommt zu spät, und sie fällt zu gering aus,

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das sind die Argumente, die man immer hat, wenn man keine Kritikpunkte findet: zu spät und zu wenig!)

und das geht ganz klar auf Kosten der jungen Generation. Es untergräbt den sozialen Ausgleich in unserer Gesellschaft, und das darf nicht so bleiben.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das BAföG war mal eines der bedeutendsten Instrumente für sozialen Ausgleich, und es war mal die Möglichkeit schlechthin für junge Menschen, trotz geringer Einkommen der Eltern, trotz nichtakademischer Elternhäuser eine gute Ausbildung und ein Studium aufnehmen zu können. Dieses großartige Instrument verliert unter der Großen Koalition jedes Jahr an Bedeutung – jedes Jahr! Das ist eine bildungspolitische, das ist aber auch eine sozialpolitische Katastrophe; anders kann man das nicht nennen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Genau! So ist das!)

Die finanziellen Nöte, die hier entstehen, treffen bei weitem nicht nur die Geringverdienenden; denn den Kindern ein Studium zu finanzieren, wird immer mehr zur Last und eben auch zur Herausforderung, auch für durchschnittlich verdienende Haushalte. Das müssen Sie doch auch mal zur Kenntnis nehmen.

Besonders krass ist die Misere bei den Wohnkosten sichtbar. Die Regierung will die Wohnpauschale im BAföG jetzt auf 325 Euro anheben. Aber viele können von diesem Betrag die Miete nicht bezahlen, und – logisch – da lässt auch niemand die Sektkorken knallen. Das ist ja klar.

In Hamburg wurde gerade ein Studentenzimmer inseriert: 12 Quadratmeter für 750 Euro.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Unglaublich! Da brauchen wir den Mietendeckel! Aber echt!)

Ein Zimmer in den Wohnheimen des Studierendenwerks, von denen es viel zu wenige gibt, kostet 400 Euro. Und Sie, Frau Karliczek, stellen sich hin und sagen, das sei ja alles kein Problem; wenn sich Studierende die Miete nicht leisten könnten, dann sollten sie eben woanders hinziehen; schließlich sei es ja überall in Deutschland schön. So haben Sie das gesagt, auch im „Spiegel“-Interview genau so wiederholt.

(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Unfassbar! Unglaublich!)

Das finde ich wirklich bemerkenswert kaltschnäuzig.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist nämlich gar nicht so, Frau Karliczek, dass man einfach frei entscheiden kann, wo man studiert. Studierende müssen ganz oft den Studienplätzen hinterherziehen – das ist die Situation –, und im schlimmsten Fall werden Studierende dann irgendwann auch mal ihren Studienplatz absagen müssen, wenn sie kein bezahlbares Dach über dem Kopf finden können.

Was bedeutet Ihre lapidar dahingesagte Antwort eigentlich für die Entwicklung unserer Hochschulen und unserer Städte? Dass es dann bald Städte gibt, in denen nur noch die Kinder reicher Eltern studieren, und in den anderen studiert der Rest, an den Hochschulen für die Armen und Geringverdienenden? Das ist doch eine gruselige Vorstellung. Das können Sie doch nicht im Ernst wollen.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich sage Ihnen eines: Erst kriegt diese Regierung keine wirksame Mietpreisbremse hin, die den Mietenanstieg tatsächlich verhindert. Dann versäumen Sie es als Bund, in Studierendenwohnheime zu investieren, und dann stellen Sie sich hin und sagen: Wer es sich nicht leisten kann, der hat halt Pech gehabt. – Das kann wohl nicht wahr sein.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist Ihr Job als Regierung, dafür zu sorgen, dass man an allen Hochschulstandorten in Deutschland wohnen und auch studieren kann. Das ist wirklich Ihr Job.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Beim BAföG-Grundbedarf genau dasselbe Drama! Der Grundbedarf soll jetzt auf 427 Euro steigen. Aber diese Zahl gleicht weder den Kaufkraftverlust seit der letzten BAföG-Novelle noch den zu erwartenden Kaufkraftverlust für das kommende Jahr aus, und für all die Studis, die in großen Hochschulstädten studieren, reicht der Betrag schon lange nicht, um ihre grundlegenden Ausgaben zu decken. Das heißt, Ihre BAföG-Reform, die Sie hier so voller Verve präsentieren, liegt deutlich unterhalb der Armutsgrenze. Das ist die Situation.

(Beifall bei der LINKEN)

Das heißt zusammengefasst: Erstens. Mit dieser BAföG-Reform geht die große Masse der Studierenden leer aus, weil die Bundesregierung die Freibeträge für das elterliche Einkommen eben nicht substanziell erhöht und damit den Kreis der Anspruchsberechtigten nicht substanziell erweitert. Ihre BAföG-Reform bedeutet zweitens: Für die wenigen, die BAföG beziehen, bleibt das Leben eben eine Mischung aus Jobben, aus Prüfungsstress und aus Geldnot, und das ist wirklich kein Grund zum Jubeln.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir als Linke bleiben dabei: Das BAföG braucht eine wirklich grundlegende Reform. Dazu gehört, die Fördersätze so anzuheben, dass sie eben existenzsichernd sind. Dazu gehört, die Wohnpauschale so zu erhöhen, dass sich davon die Miete auch bezahlen lässt. Dazu gehört außerdem, dass das BAföG endlich lebenslanges Lernen unterstützen muss. Das liegt Ihnen doch so am Herzen, Frau Ministerin. Das betonen Sie doch immer. Ja, dann schaffen Sie doch endlich mal die Altersgrenzen ab! Die behindern nämlich das lebenslange Lernen.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Sehr guter Vorschlag!)

Zu einer echten BAföG-Reform gehört vor allem, dass Sie das BAföG endlich dynamisieren, es also automatisch an die Preisentwicklung anpassen;

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Ja, so wie die Renten!)

denn diese ganzen Hängepartien, die die Studierenden hier Jahr für Jahr durchmachen, dieses ganze Gezerre und Gestreite zwischen den Koalitionspartnern darüber, um wie viel die BAföG-Sätze denn jetzt steigen dürfen, das alles könnte Schnee von gestern sein, wenn es einfach automatisch passieren würde.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Bei den Abgeordnetendiäten geht es ja auch!)

Das würde Generationen von Studierenden und ihren Eltern wirklich viel ersparen.

Machen Sie das BAföG endlich wieder zu einem ­Instrument für sozialen Ausgleich!

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Nächster Redner ist der Kollege Kai Gehring, Bündnis 90/Die Grünen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7342222
Wahlperiode 19
Sitzung 93
Tagesordnungspunkt Bundesausbildungsförderungsgesetz
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