Timon GremmelsSPD - Europäische Energiepolitik
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zwei Wochen vor der Europawahl hat die FDP die Gunst der Stunde genutzt und für ihre Spitzenkandidatin vermeintlich ein Thema gefunden, das sie hier setzen kann, damit sich Frau Beer noch mal präsentieren kann. Liebe Kolleginnen und Kollegen der FDP, um mal Herrn Lindner zu zitieren: Hätten Sie das doch bloß mal den Profis überlassen.
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Das beste Beispiel ist die Kollegin Weeser, die gerade formuliert hat, dass das ja alles schwierig ist mit den Pumpspeicherkraftwerken. Pumpspeicherkraftwerke sind energiepolitisch durchaus zu hinterfragen, weil es Spitzenleistungskraftwerke sind. Sie brauchen viel mehr Energie und Strom, um das Wasser nach oben zu pumpen und um es in Spitzenzeiten runterzulassen. Wenn in der Zeit Photovoltaik im Einsatz ist, dann ist das energiepolitisch sehr viel sinnvoller als das, was Sie hier vorgeschlagen haben, Frau Weeser. Energiepolitisch ist da also wenig Ahnung bei der FDP vorhanden. Sie haben da keine Profis.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Die Überschrift, man müsse Energiepolitik doch mal europäisch denken, klingt ja im ersten Moment gut. Und wer hätte ein Problem damit, wenn die FDP mal nachdenkt! Aber wir haben doch kein Erkenntnisproblem in Europa. Wir haben ein Umsetzungsproblem in Europa in der Frage der Energiepolitik. Das ist doch unser Problem, und das ist auch das FDP-Problem, da Sie hier keine Lösung präsentieren, sondern nur Fragen aufwerfen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Florian Toncar [FDP]: Lesen Sie doch unseren Antrag!)
Wir haben doch in Europa verbindliche nationale Ziele vereinbart, zum Beispiel bei der EU-Richtlinie, bei den Energien aus erneuerbaren Quellen oder auch bei der CO 2 -Reduktion und der EU-Rechtsvorschrift zur Lastenteilung. Das sind doch Vereinbarungen, die wir getroffen haben, wo klar drinsteht, dass wir national handeln müssen. Und jetzt tut die FDP in ihrem Antrag so, als ob es auf EU-Ebene diese national festgelegten Ziele gar nicht gibt. Ehrlich gesagt, Frau Beer, von einer FDP-Spitzenkandidatin, die ins Europaparlament will, hätte ich deutlich mehr erwartet; das muss man an dieser Stelle mal sagen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Florian Toncar [FDP]: Immerhin haben wir eine Spitzenkandidatin, Herr Kollege!)
Frau Beer, wir haben ja eine gemeinsame Vergangenheit im Hessischen Landtag. Da war ich auch schon mit Energiepolitik beschäftigt. Ich erinnere mich an eine Debatte mit Frau Beer, bei der es um das Thema Fracking ging. Es gab einen kanadischen Anbieter, der würde gerne in Nordhessen schön Erdgas und Erdöl fracken, Chemie in den Untergrund pumpen und dort dann dafür sorgen, dass Gas und Öl gefördert wird.
(Nicola Beer [FDP]: Da ging es um Fracking mit Wasser!)
An diese Debatte im Hessischen Landtag erinnere ich mich sehr gut, weil Sie, Frau Beer, damals gefordert haben, dieses Fracking in Nordhessen zu ermöglichen. Also, an alle Wählerinnen und Wähler: Wer Frau Beer und die FDP wählt, wird dafür sorgen, dass es in Deutschland Fracking geben wird. Das ist nämlich die Position der FDP, und das sollten auch die Wählerinnen und Wähler wissen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Nicola Beer [FDP]: Nein! – Sandra Weeser [FDP]: Das ist doch Schwachsinn!)
Das Zynische war doch, dass Sie einerseits dafür eingetreten sind, in Hessen schön Fracking zu machen, und gleichzeitig gegen Windkraftenergie gekämpft haben. Das war nämlich die FDP, die mit ihren SUVs in die Wälder gefahren ist, um dort die Demonstrationen gegen Windkraft voranzutreiben.
(Sandra Weeser [FDP]: Und was haben Sie gemacht?)
Das ist der ganze Zynismus und die Doppeldeutigkeit dieser FDP.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Frau Beer, überlassen Sie es bitte den Profis!
(Sandra Weeser [FDP]: Ah!)
Herr Gremmels, erlauben Sie eine Bemerkung, Kommentierung oder Frage von Frau Beer?
Es wäre unhöflich, wenn ich das jetzt nicht tun würde.
Ja, das wäre unhöflich.
(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Unbedingt!)
Ganz herzlichen Dank. – Herr Kollege, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass es in der damaligen Debatte darum ging, dass Forschungseinrichtungen Gelder aus der öffentlichen Hand gestrichen wurden, weil sie Membranen erfunden haben, die es möglich machen, Fracking mit Wasser zu betreiben und gleichzeitig auf dem Rückweg wieder Wasser mit Grundwasserqualität zurückzubekommen? Das durfte damals nicht sein, weil es nicht in Ihr Weltbild passte und weil sich die Bewertung von Fracking auch in Deutschland hätte ändern müssen.
(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sind Sie für oder gegen Fracking?)
Frau Beer, es ist ganz einfach: Auch diese Landtagsdebatte wurde – wenn ich das richtig weiß – festgehalten. Ich stelle das Protokoll auf meine Homepage; dann kann sich jeder Bürger eine Meinung darüber bilden. Die FDP hat damals für Fracking gekämpft, die SPD war dagegen. Gut, dass wir uns damals auch in dieser Frage durchgesetzt haben.
(Beifall bei der SPD – Dr. Marcus Faber [FDP]: Peinliche Antwort!)
Ich möchte an dieser Stelle aber noch mal deutlich machen, dass das Thema ETS durchaus schwierig und komplex ist. Sie wollen das Ganze auf europäischer Ebene lösen. Das kann man ja mal probieren und auch mal angehen; aber das ist ein langwieriger Prozess. Ich finde, wir müssen kurzfristiger handeln. Jetzt droht doch, dass wir die Klimaschutzziele, auf die wir uns verständigt haben – auch hier – 2030 verfehlen. Es drohen Strafzahlungen aus dem Effort Sharing. Das sind Strafzahlungen, die Deutschland dann vornehmen muss. Das wird doch auch auf die Steuerzahler umgelegt. Deswegen brauchen wir kurzfristig eine Lösung und dürfen das nicht auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschieben.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Ich zitiere jetzt einmal:
Natürlich, wer wollte den Emissionshandel nicht ausweiten! Aber das System ist auf Jahre europaweit festgezurrt. Es lässt sich im Moment nicht aufschnüren. Die Ausweitung des Emissionshandels ist also eine Lösung für die fernere Zukunft. Eine CO 2 -Steuer entscheidet daher als pragmatischer Lösungsansatz im Hier und Jetzt.
Woraus habe ich jetzt zitiert? Es war nicht die „taz“. Es war das „Handelsblatt“ von gestern, das Ihnen das sozusagen ins Stammbuch schreibt. Wenn Sie schon nicht auf mich hören, hören Sie doch mal auf das „Handelsblatt“! Das machen Sie doch sonst auch so gerne, meine sehr verehrten Damen und Herren.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Ich möchte an dieser Stelle noch etwas sagen. Sie haben in Ihrem Antrag auch ein paar richtige Punkte angesprochen. Ich will ja kein FDP-Bashing machen, sondern nur sachliche Kritik üben.
(Dr. Florian Toncar [FDP]: Nein! – Sandra Weeser [FDP]: Natürlich nicht!)
Also: Was Sie zum Thema Erdgas geschrieben haben, ist in der Tat richtig. Wir brauchen eine europäische Erdgasversorgung. Natürlich muss auch Gas künftig grüner werden; das schreiben Sie auch völlig zu Recht in Ihrem Antrag. Aber wenn wir jetzt parallel den Kohleausstieg und den Atomausstieg durchführen, brauchen wir auch eine gute Gasversorgung in Deutschland, und dafür ist ein Projekt wie Nord Stream 2 sinnvoll und richtig.
(Beifall des Abg. Sönke Rix [SPD])
Was Herr Weber da macht, ist purer Populismus. Das ist billiger Wahlkampf, den er da macht, um die Stimmen aus Polen zu bekommen. Ich finde, das geht überhaupt nicht, und ich finde, da sollte die CDU-Vorsitzende ihrem Spitzenkandidaten mal in die Parade fahren. Hier geht es um eine europäische Versorgung.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Wir sind ja nicht in der SPD! Lasst das mal den Kevin weitermachen, der Vorsitzenden in die Parade fahren!)
Denn das Gas, das hier landet, soll ja nicht in Deutschland verbraucht werden, sondern in ganz Europa. Wenn Sie sich bewusst machen, dass die Niederlande und auch Deutschland weniger Gas fördern, dann wird Ihnen ganz klar: Wir brauchen Nord Stream 2.
(Carsten Müller [Braunschweig] [CDU/CSU]: Sie sind ja voll auf AfD-Linie, Kollege!)
Deswegen ist es auch gut so, dass es im europäischen Trilog einen Kompromiss gegeben hat. Am Ende haben 27 von 28 Ländern dem Kompromiss zugestimmt. Wie Herr Weber das wieder aufschnüren will, ist mir ein Rätsel. Er soll sich an dieser Stelle nicht verkämpfen. Wir werden dafür sorgen, dass er gar nicht erst EU-Kommissionspräsident wird. Dann haben wir auch da Ruhe.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Lassen Sie mich zum Schluss aus aktuellem Anlass noch etwas zum Thema Atomkraft sagen: Ehrlich gesagt, merke ich, dass an der einen oder anderen Stelle ein paar Steinchen ins Wasser geworfen werden, was Atomkraft angeht. So hat der Linde-Aufsichtsrat Wolfgang Reitzle vorgestern eine Verlängerung der Laufzeit von Atomkraftwerken gefordert. Ich sage Ihnen hier an dieser Stelle klar und deutlich: Es wird mit der SPD keine Laufzeitverlängerung geben. Im Jahr 2022 geht das letzte AKW vom Netz.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Deswegen ist es umso dringender, dass wir bei der Frage des Ausbaus der erneuerbaren Energien endlich voranschreiten. Da ist der grüne Antrag hilfreich. Da sind unsere Ideen hilfreich. Hilfreich wäre es aber auch, wenn Herr Altmaier endlich mal einen Ausbaupfad vorlegen würde. Es ist seine Aufgabe, sich dafür einzusetzen. Wir erwarten da dringend ein Konzept und eine Vorgabe.
Danke.
(Beifall bei der SPD)
Vielen Dank, Timon Gremmels. – Nächster Redner: Alexander Ulrich für die Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7352853 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 98 |
Tagesordnungspunkt | Europäische Energiepolitik |