Carsten MüllerCDU/CSU - Europäische Energiepolitik
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich will versuchen, am Schluss der Debatte etwas zur Versachlichung beizutragen. Zunächst: Wir beraten heute insgesamt vier Anträge. Die Kolleginnen und Kollegen der FDP haben – das hat unser Eingangsredner, glaube ich, richtig dargestellt – einige nicht unwesentliche Punkte aufgegriffen, nach unserem Geschmack allerdings zum Teil mit einer etwas fragwürdigen Tonalität und in Teilen mit etwas wenig Tiefgang.
Wir dürfen die Augen einfach nicht davor verschließen: Die Frage der Energieunion ist seit Jahren ein Hauptanliegen der Europäischen Union und ist es heute noch immer. Wir haben in den vergangenen Jahren bedeutende Fortschritte erreicht. Ich will diese nur kurz aufzählen: Das Paket zur Sicherung der Energieversorgung, das Paket „Saubere Energie für alle Europäer“ – das ist im Übrigen das größte jemals im Energie- und Klimaschutzbereich vereinbarte Legislativpaket der EU –, wir haben eine Vielzahl von EU-Klimavorschriften auf den Weg gebracht, es gibt die drei Mobilitätspakete 2017 bis 2018.
Meine Damen und Herren, es gab aber auch einen Wechsel der Spielregeln. Die Verankerung des Grundsatzes „Efficiency First“ – das ist Gott sei Dank heute schon angesprochen worden – war eine wesentliche Neuerung. Das ist ganz wesentlich für ein Thema, auf das ich mit Blick auf den einen Antrag der Grünen kommen will. Dies nimmt nämlich das Bild der Wirtschaftlichkeit und der Umweltverträglichkeit auf. Das ist für uns wichtig und wird abgerundet durch die Versorgungssicherheit, ein Punkt, der oftmals zu kurz kommt. Aus Sicht der Union bildet das das unverzichtbare Zieldreieck im energiewirtschaftlichen Bereich.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ich habe mir den Grünenantrag durchgelesen. An einer Stelle war ich schwer entsetzt. Die Grünen greifen das Thema der sogenannten Bürgerenergiegenossenschaften auf und wenden sich explizit gegen marktwirtschaftliche Ausschreibungen im Bereich der erneuerbaren Energien.
(Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Stimmt doch gar nicht! – Ingrid Nestle [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Stimmt doch gar nicht!)
Meine Damen und Herren, wenn wir das machen, erreichen wir weniger Markt, erreichen wir weniger Nachhaltigkeit, erreichen wir weniger Preiswürdigkeit, und das alles führt dazu, dass wir Akzeptanz für das nicht leichte Unterfangen der Energiewende verlieren. Daher müssen Sie noch mal in Klausur gehen und sich über Ihre unausgegorenen Vorschläge dringend weitere Gedanken machen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie müssen unseren Text besser lesen!)
Ich nehme noch einmal das Thema der Bürgerenergiegenossenschaften auf.
Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder -bemerkung von Frau Nestle?
Ja, gerne.
Danke schön.
Ich danke auch. – Sie sagen, wir würden uns hier explizit gegen marktwirtschaftliche Regeln wenden. Zum einen haben Sie gemerkt, dass wir versuchen, ganz viel mehr Markt hinzubekommen, indem wir diesen ganzen aktiven Kunden Marktzugang verschaffen wollen. Das ist ja der wesentliche Bestandteil des Antrages. Ich vermute, dass Sie mit Ihrem Fokus auf den kleinen Punkt abzielen, dass wir sagen: Ja, wir wollen Bürgerenergie-, Windenergieprojekte wieder vereinfachen und halten es für möglich, dass Bürger selbst teilhaben können an den Märkten, ohne die volle Komplexität zu verstehen.
Ständig sagen Sie, wie schwierig es ist, dass wir keine Windparks mehr hinbekommen. Das war das Erfolgsrezept in Schleswig-Holstein, wo alle Dörfer gerufen haben: Wir wollen einen Windpark. – Das ist kaputt. Das ist das Einzige, was wir wieder machen wollen. Ansonsten würde ich das scharf zurückweisen und sagen: Wir wollen mit diesem Antrag mehr Markt schaffen und nicht weniger.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Frau Kollegin, Ihre Vermutung geht fehl und Ihre scharfe Zurückweisung somit ins Leere. Dafür gibt es verschiedene Anhaltspunkte. Ich erinnere mich, dass Sie vor etwa 30 Minuten zu den etwas irrlichternden Ausführungen des Kollegen Beutin zur Marktwirtschaft und zum Markt an sich frenetisch Beifall geklatscht haben. Wenn Sie an solch einer Stelle klatschen, dann erklärt das auch Ihre falsche Sicht auf die Dinge.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Ingrid Nestle [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und was ist mit unserem Antrag? – Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Antrag! – Abg. Ingrid Nestle [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] nimmt wieder Platz)
– Ich bin mit der Antwort noch nicht fertig.
Wir müssen eines zur Kenntnis nehmen: Die sogenannten Bürgerenergiegenossenschaften und die Privilegierung derselben haben dazu geführt, dass aus dem Ausnahmefall der Regelfall geworden ist.
(Ingrid Nestle [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wollen wir gar nicht!)
– Ich habe Sie auch ausreden lassen. – 90 Prozent aller Zuschläge gingen an diese sogenannten – ich sage bewusst „sogenannten“ – Bürgerenergiegenossenschaften unter Verzicht auf Planungserfordernisse. Im Ergebnis führte das dazu: 90 Prozent zugeschlagen an Vorhabenträger, die bisher nicht in der Lage waren, diese Vorhaben zu realisieren. Das ist genau das Gegenteil von Klimaschutz. Wir wollen eine Beschleunigung des Ausbaus der erneuerbaren Energien, und wir wollen eine effektive Beschleunigung des Ausbaus. Zuschläge allein nutzen nichts; sie müssen realisiert werden.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was hat das jetzt mit Marktwirtschaft zu tun? Das habe ich jetzt nicht verstanden!)
– Mir ist vollkommen klar, dass Sie, geschätzter Kollege Krischer, Themen rund um die Marktwirtschaft regelmäßig nicht verstehen. Aber das ist nicht mein Problem. Das ist Ihr Problem. Dafür reicht jetzt auch die begrenzte Redezeit bedauerlicherweise nicht mehr.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)
Auch im Falle einer Zwischenfrage würde ich Ihnen das angesichts Ihrer Einsichtsverweigerung nicht erklären können.
Ich hatte Ihnen diesen Paradigmenwechsel, den wir unter Unionsführung vorgenommen haben, erklärt. Er zeitigt Erfolge. Wir haben einen Anstieg der EEG-Umlage verhindern können. Wir haben den Ausbau der Erneuerbaren, den wir, wie gesagt, sehr unterstützen, enorm beschleunigt. Es ist uns gelungen, den Strompreis für private Haushaltskunden zu stabilisieren. Wir hatten vor einigen Wochen hierzu eine Aktuelle Stunde. Wir haben ausgeführt, dass wir deutlich unter der allgemeinen Inflationsrate geblieben sind.
Wir machen einen Angriff auf ganz neue Spielfelder. Wir kümmern uns um Innovationsausschreibungen, um auch beispielsweise die Erzeugung erneuerbarer Energien und Speicherung derselben zusammenzupacken und, wie gesagt, ganz neue Wege zu beschreiten. Auch das dient aus unserer Sicht dem wichtigen Akzeptanzgewinn.
Ich will abschließend auf das Thema Euratom kommen. Uns liegen zwei Anträge vor, einmal der Grünen und einmal der Linken. Wir haben über diese Anträge im zuständigen Fachausschuss diskutiert. In der Diskussion ist es bereits zu einer ganz bemerkenswerten Verkürzung der Sachlage gekommen. Sie negieren offensichtlich, dass wir bei einer substanziellen Änderung des Euratom-Vertrages auf eine Einstimmigkeit der Mitgliedstaaten angewiesen sind. Wir sehen das. Wir sehen auch, dass es einen Erneuerungsbedarf gibt. Das findet sich im Übrigen im Koalitionsvertrag; ich empfehle Nachlesen auf Seite 141.
(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Sie machen aber nichts!)
– Nur weil Sie nicht merken, dass was passiert, heißt das noch lange nicht, dass nichts passiert. Denn das ist sozusagen Ihr regelmäßiges Auftreten.
Wir sind dafür, dass aus dem Euratom-Vertrag heraus und auf dessen Grundlage der Ausbau der Kernenergie europaweit nicht mehr gefördert wird. Auch das lesen Sie im Vertrag. Aber, meine Damen und Herren, Sie gehen mit einer, ich finde, unverantwortlichen Leichtigkeit – das trifft die Grünen, und das trifft noch viel mehr die Linken – über wesentliche Inhalte des Euratom-Vertrages hinweg. Sie nehmen offensichtlich nicht zur Kenntnis, dass der Euratom-Vertrag die Grundlage für den Strahlenschutz der Bevölkerung bildet und dass der Euratom-Vertrag die sichere und diskriminierungsfreie Versorgung mit Nuklearmaterial für medizinische Anwendungen regelt und für uns für den Frieden so wichtig ist. Sie nehmen offensichtlich gar nicht zur Kenntnis, dass der Euratom-Vertrag die wesentliche Handlungsgrundlage für Überwachung und Nichtverbreitung von Kernmaterial liefert.
(Zuruf der Abg. Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Die Europäische Kommission – man muss nicht alles ausschließlich gut finden, was dort gesagt wird – hat zutreffend festgestellt – ich zitiere –:
Der Euratom-Vertrag bietet den fortschrittlichsten Rechtsrahmen der Welt auf dem Gebiet der nuklearen Sicherheit, der Abfallwirtschaft und des Strahlenschutzes.
Wenn sich jetzt beispielsweise das Vereinigte Königreich bedauerlicherweise um den Abschluss bilateraler Verträge kümmern muss, dann ist es ein Zeichen für die Qualität des Euratom-Vertrages, dass sie wesentliche Passagen hieraus in ihre bilateralen Vereinbarungen aufnehmen.
Herr Müller, entschuldigen Sie. Erlauben Sie eine Zwischenfrage oder Zwischenbemerkung von Frau Kotting-Uhl?
Von Frau Kotting-Uhl? Sie war heute noch nicht dran, und ich bekomme drei weitere Minuten Redezeit.
Nein, das entscheide ich.
(Heiterkeit)
Na gut, dann entscheide ich, dass Frau Kotting-Uhl nicht drankommt.
Ja oder nein?
Chance vertan.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)
Ich habe Sie nicht verstanden.
(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was jetzt? Hallo?)
Ich habe Ihnen gerade meine Entscheidung mitgeteilt.
Entschuldigen Sie, ich hatte Sie nicht verstanden. Also nein.
Nein.
(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein? Oh!)
Das war eigentlich recht unmissverständlich. Sie hatten mir ein Angebot gemacht, dem ich gut widerstehen konnte.
Meine Damen und Herren, zum Euratom-Vertrag abschließend. Der Erfolg beim Ausbau der Erzeugung erneuerbarer Energien in der Bundesrepublik Deutschland straft alle diejenigen Lügen, die behaupten, der Euratom-Vertrag stünde diesem entgegen. Er ergänzt ihn wesentlich. Deswegen können wir diese beiden Anträge nur ablehnen.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7352858 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 98 |
Tagesordnungspunkt | Europäische Energiepolitik |