Franziska BrantnerDIE GRÜNEN - Gesetz zur deutsch-französischen Zusammenarbeit
Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Der Aachener Vertrag, den wir heute diskutieren, kann das reale Zerwürfnis zwischen deutscher und französischer Regierung nicht übertünchen. Es gibt gerade keinen deutsch-französischen Schulterschluss in und für Europa.
(Norbert Kleinwächter [AfD]: Warum machen wir das dann?)
Diese Bundesregierung zeigt Frankreich nur noch die kalte Schulter. Das ist angesichts des aktuellen Stresstests für Europa einfach nur verantwortungslos.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP)
Ich nenne Ihnen drei Beispiele.
Erstens: Klima. Macron initiiert eine europaweite Klimainitiative zum EU-Gipfel letzte Woche.
(Martin Hebner [AfD]: Mit Atomkraft!)
Schweden, Dänemark, Spanien, Portugal, Belgien, Luxemburg und die Niederlande – sie sind alle mit an Bord.
(Martin Hebner [AfD]: Wollen Sie auch AKWs?)
Und Deutschland? Fehlanzeige.
(Christian Petry [SPD]: Aber das ist doch Atomkraft, Franziska!)
– Niederlande nicht, Schweden nicht.
(Christian Petry [SPD]: Aber Frankreich!)
– Die anderen, die dabei sind, machen echten Klimaschutz. Dann soll Deutschland dazukommen und echten Klimaschutz machen. Es ist keine Ausrede, um einfach nichts zu tun, liebe Kollegen von der SPD.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Christian Petry [SPD]: In der Sorbonne-Rede forderte er Atomkraft!)
Genauso ist es beim Artensterben. 1 Million Arten sind vom Aussterben bedroht. Frankreich macht einen Plan, bietet Deutschland Kooperation an. Was macht Deutschland? Nada, nichts!
Zweites Beispiel: Steuern. Wenn ich momentan vor Ort unterwegs bin, ist Fairness ein großes Thema: Frau Brantner, wie kann es sein, dass sich Betrüger und Internetgiganten die Taschen vollmachen, während wir Bürgerinnen und Bürger unseren fairen Anteil zahlen? – Diese Frage ist absolut berechtigt. Mehr als 50 Milliarden Euro wurden dem Staat durch Umsatzsteuerbetrug geklaut. Vorschläge von der Europäischen Kommission liegen auf dem Tisch. Wer blockiert? Diese Regierung!
Google, Amazon und Co zahlen weniger Steuern als jeder Bäcker an der Ecke. Es gab Vorschläge von der Kommission zur Digitalsteuer. Herr Schäuble war noch dafür. Wer hat es kleingehäckselt und auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben? Die Kanzlerin und der Finanzminister dieser Regierung, Olaf Scholz!
(Norbert Kleinwächter [AfD]: Aber Sie schweifen ab! Diskutieren Sie mal die Inhalte des Vertrags, damit die Leute erfahren, was da drinsteht!)
Ich gebe Ihnen heute ein weiteres, ganz konkretes Beispiel. Im Aachener Vertrag und in seiner Vorhabenliste steht zum Beispiel der Wiederaufbau der Eisenbahnbrücke auf der Strecke Colmar–Freiburg – die letzte Brücke, die im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde.
(Michael Georg Link [FDP]: Genau!)
Es handelt sich um ein gemeinsames Projekt aus dem Anhang zum Aachener Vertrag. Andi Scheuer sagt heute: Dafür haben wir auf Bundesebene kein Geld; das ist keine Priorität für uns; das muss Baden-Württemberg alleine stemmen. – Auch das ist die kalte Schulter in Richtung Frankreich: ein Vorzeigeprojekt und kein Geld aus Deutschland!
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Nichts kommt da. Das Einzige, was kommt, ist ein emotionsloser Gastbeitrag der CDU-Chefin, um Straßburg als Sitz des Europaparlaments zu beseitigen.
(Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Beschämend!)
Das ist einfach nur verantwortungslos. Liebe Kolleginnen und Kollegen, man kann Europa auch durch Nichtstun zerstören, und das ist das, was diese Regierung gerade tut.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Und sind wir doch mal ehrlich: Die Aufgaben sind riesig – Klimaschutz, Digitalisierung, Zukunft der Arbeit, China, USA, die großen Herausforderungen –, und wir wissen doch, dass wir in dieser Welt nur gemeinsam mehr erreichen können, dass wir es nur gemeinsam besser machen können. Es gibt in Europa zwei Arten von Ländern: die kleinen Länder und die, die noch nicht verstanden haben, dass sie klein sind. Zu Letzteren gehören insbesondere wir. Diese Bundesregierung muss endlich aufwachen, handeln.
Frau Merkel sagt heute in der „Süddeutschen Zeitung“ – ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis –, sie habe jetzt ein „gesteigertes Gefühl der Verantwortung“ für Europa. Ich habe heute gedacht: Das darf doch eigentlich gar nicht wahr sein. – Es ist doch der Hammer, dass Frau Merkel nach diesen Jahren der Kanzlerschaft sagt, sie habe jetzt ein gesteigertes Gefühl der Verantwortung für Europa. Da frage ich mich nur: Ja was hat sie denn die ganzen letzten Jahre getan? Was macht sie denn jetzt als Kanzlerin? Vielleicht wäre das ja mal ein Zeichen, dass sie endlich aufwacht und was tut, und zwar hier in diesem Land. Ich wünsche mir, dass sie endlich handelt.
Danke schön.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Vielen Dank, Franziska Brantner. – Gehe ich recht in der Annahme, dass der nächste Redner, Jürgen Hardt, zwar anwesend ist, aber die Rede zu Protokoll gibt? – Vielen herzlichen Dank. Dann ist der nächste leibhaftige Redner
( Heiterkeit bei der SPD)
– jetzt wusste ich auch nicht, was ich sagen sollte – Christian Petry für die SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD)
Das heißt nicht, dass Herr Hardt nicht leibhaftig ist.
(Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Er ist der Leibhaftige!)
Jetzt rede ich mich um Kopf und Kragen.
Der nächste Redner in der Debatte: Christian Petry für die SPD-Fraktion.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7356024 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 101 |
Tagesordnungspunkt | Gesetz zur deutsch-französischen Zusammenarbeit |