Norbert MüllerDIE LINKE - Änderung des Grundgesetzes - Kinderrechte
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Im 30. Jahr der Verabschiedung der UN-Kinderrechtskonvention führen wir im Deutschen Bundestag erneut eine Debatte über die Aufnahme der Kinderrechte ins Grundgesetz, und das ist gut. Die erste Initiative dazu gab es übrigens in der 14. Wahlperiode von der PDS-Bundestagsfraktion, die bereits 2000 einen Gesetzentwurf eingebracht hat, um die Kinderrechte im Grundgesetz zu verankern.
(Beifall bei der LINKEN)
Ebenso lange mahnt uns, Herr Dr. Buschmann, der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes in seinen abschließenden Empfehlungen zu den Staatenberichten, die die Bundesregierung alle fünf Jahre zur Umsetzung der Kinderrechte abgibt, in Deutschland doch bitte endlich die Kinderrechte ins Grundgesetz aufzunehmen.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Das ist keine fantastische Diskussion, sondern Realität.
Die UN-Kinderrechtskonvention ist bereits geltendes einfaches Bundesrecht. Sie hat nicht Verfassungsrang, aber ist dank der FDP mit der vollständigen Ratifizierung im Jahre 2011 – Konservative, aber auch Sozialdemokraten und Grüne haben das fast 20 Jahre nicht hinbekommen – in Deutschland geltendes einfaches Bundesrecht.
(Ingmar Jung [CDU/CSU]: Die CDU war auch beteiligt!)
Das genügt aber nicht, und ich will Ihnen auch sagen, warum.
Warum sollen Kinderrechte ins Grundgesetz? Die Gegner sagen, Elternrechte würden eingeschränkt. Ja, um Himmels willen! Kinder sind doch nicht das Eigentum ihrer Eltern.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Marco Buschmann [FDP]: Aber auch nicht des Staates!)
Was ist denn das für eine verquere Vorstellung von Familie, die Sie haben? Bei der AfD interessiert mich das nicht; die haben sowieso ein verqueres Familienbild.
(Martin Reichardt [AfD]: Das muss man sich doch nicht von so einem wie Ihnen sagen lassen!)
Aber was ist denn das für ein Bild von Familie, das Sie hier entwickeln, bei dem Kinder und Eltern ständig im Konflikt miteinander sind und der Staat jetzt intervenieren soll?
(Dr. Marco Buschmann [FDP]: Das vermitteln Sie doch gerade!)
Das ist doch nicht die Realität. Die Realität ist, dass Sie Elternrechte stärken, wenn Sie die Rechte der Kinder stärken. Dazu müssten Sie mal wissen, was Kinderrechte sind.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Martin Reichardt [AfD]: Das ist doch alles Unsinn! Das kommt doch alles aus Ihrer stalinistischen Mottenkiste!)
Sie haben offenbar gar keine Ahnung, was Grundrechte sind. Grundrechte sind Abwehrrechte gegenüber dem Staat und nicht Abwehrrechte gegenüber den Eltern. Das heißt, wenn die Kinderrechte im Grundgesetz gestärkt werden, werden die Abwehrrechte gegenüber dem Staat gestärkt und nicht gegenüber den Eltern. Gucken Sie noch mal rein, dann sehen Sie das.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Das nächste Argument ist, Menschenrechte würden ja auch für Kinder gelten. Ja, das stimmt. Aber Kinder sind eben keine kleinen Erwachsenen. Sie haben besonderen Anspruch auf Schutz, sie haben besonderen Anspruch auf Förderung und besonderen Anspruch auf Beteiligung, übrigens einen anderen als Erwachsene. Ich will Ihnen ein einfaches Beispiel geben: Wir hatten gerade Europa- und Kommunalwahlen. Vor den Europawahlen gab es verschiedene Vorstöße, das Wahlalter zu senken. Kinder und Jugendliche haben kein Wahlrecht, sollen aber nach der UN-Kinderrechtskonvention in allen Dingen, die sie betreffen, beteiligt werden. Weil das in Deutschland nun mal nicht so ist, weil hier bei Bundestagswahlen nur Deutsche, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, ein Wahlrecht haben, heißt das: Wir müssen Kinder besonders beteiligen, und zwar anders als Erwachsene, die ein Wahlrecht haben. Deswegen brauchen wir Kinderrechte im Grundgesetz.
(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Beate Walter-Rosenheimer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Ein anderes Beispiel: die Proteste von Fridays for Future. Hier wird die Schulpflicht gegen das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit ausgespielt. Im Zweifel werden Kinder eben nicht beteiligt. Entscheidend ist aber die Versammlungsfreiheit. Das zeigt: Wir müssen auch hier die Rechte von Kindern stärken, weil sie an dieser Stelle eben überhaupt nicht klar sind.
(Abg. Thomas Heilmann [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)
– Meine Redezeit ist so gut wie zu Ende. Ich glaube, Sie müssen eine Kurzintervention machen. – Das zeigt die komplette Verlogenheit der Debatte.
Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss.
(Grigorios Aggelidis [FDP]: Gott sei Dank!)
Der letzte Punkt, der mir besonders wichtig ist – meine Kollegin Sabine Zimmermann wird gleich die zweite Rede vonseiten unserer Fraktion halten –: In kaum einem Land Europas entscheidet die soziale Stellung so sehr über den Bildungserfolg von Kindern. Wir sagen: Das Recht auf Förderung muss besonders verankert werden.
Sie können gerne weitersprechen. Das kostet aber die Kollegin Zimmermann Redezeit.
Neben den großen Themen – Kinderarmut und andere; Katja Dörner hat das schon angesprochen – brauchen wir ein spezielles, in der Verfassung verankertes Recht auf Förderung. Ich bitte Sie, nach Überweisung in den Ausschuss unserem Gesetzentwurf zuzustimmen.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Das Wort hat der Kollege Dr. Volker Ullrich für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7361474 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 104 |
Tagesordnungspunkt | Änderung des Grundgesetzes - Kinderrechte |