Nicola BeerFDP - Start-Ups und Mittelstand - Urheberrechtsreform
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Zunächst geht es noch einmal um die Urheberrechtsrichtlinie, die am 15. April 2019 im Europäischen Rat verabschiedet wurde. Ziel sollte sein, das Urheberrecht an das digitale Zeitalter anzupassen,
(Beifall bei der FDP)
eigentlich sollte das das Ziel sein. Höchst umstritten waren die Uploadfilter und die Haftungsverteilung für Plattformen. Wir haben es gesehen: Fast 5 Millionen Unterschriften von Internetnutzern, meist junge Menschen, wurden gegen die Neuregelung gesammelt und der Politik übergeben. Genutzt hat das leider nichts; denn es ging offenbar um noch ganz andere Dinge. Mit der Zustimmung scheint man eine Einigung mit den Franzosen bei Nord Stream 2 ermöglicht zu haben; die „FAZ“ hat am 26. März 2019 darüber berichtet. Meine Damen und Herren, ich kann nur sagen: Das war ein schlechter Deal.
(Beifall bei der FDP sowie der Abg. Joana Cotar [AfD])
Die Bundesregierung steht in vorderster Reihe der Verantwortlichen. Ohne ihre Zustimmung wäre die Richtlinie nicht zustande gekommen, auf jeden Fall nicht so zustande gekommen. Die deutsche Justizministerin hat zwar in Deutschland gegen die Uploadfilter gewettert, doch im Europäischen Rat für Justiz und Inneres hat sie die Zustimmung organisiert und damit auch den Koalitionsvertrag gebrochen.
(Zuruf der Abg. Marianne Schieder [SPD])
Mit dieser neuen Urheberrechtsrichtlinie wurden Ausnahmen für Haftungsregeln definiert – das war dann immer die Rechtfertigung –, vermeintlich innovationsfreudige Ausnahmen. Doch diese Privilegierungen gelten nur für die Unternehmen automatisch, die jünger als drei Jahre sind und zudem 10 Millionen Euro Jahresumsatz und 5 Millionen Nutzer nicht überschreiten. Damit, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, ist das ein massiver Innovationsverhinderer; denn in Zukunft wird jedes Unternehmen, das älter als drei Jahre ist und auch nur im Entferntesten mit User-generated Content arbeitet, dann zu diesem Zeitpunkt, also drei Jahre nach Gründung, schlichtweg seine Geschäftsgrundlage verlieren.
(Beifall bei der FDP)
Deswegen sage ich Ihnen: Es ist wichtig, dass der Bundestag bei seinen Beratungen dringend sicherstellt, dass wir sowohl in Deutschland als auch in Europa ein günstiges Umfeld für innovative digitale Unternehmen schaffen. Die Bundesregierung hat sich dazu ein Hintertürchen offengehalten und in einer Protokollerklärung aufgezählt, welche Dienste nicht betroffen sein sollen, etwa Wikipedia, Hochschulrepositorien, Blogs und Foren, Softwareplattformen wie GitHub, Special-Interest-Angebote ohne Bezüge zur Kreativwirtschaft oder auch Messenger-Dienste wie WhatsApp, Verkaufsportale oder Cloud-Dienste. Doch ich kann Ihnen nur sagen: Auch hier gilt: Hätte die Bundesregierung die Richtlinie besser vorbereitet, müsste sie nicht mit Protokollerklärungen, die unweigerlich zu einer Fragmentierung des Marktes führen, die Schaffung eines digitalen Binnenmarktes konterkarieren.
Es muss jetzt darum gehen, das Beste aus dieser durch und durch verkorksten Reform zu machen.
(Zuruf der Abg. Marianne Schieder [SPD])
Sie muss möglichst gründer- und start-up-freundlich sein, Frau Kollegin;
(Beifall bei der FDP)
denn wir brauchen in Deutschland Gründerinnen und Gründer. Wir brauchen eine Gründerkultur. Das hat nämlich etwas mit Wohlstand in der Zukunft zu tun. In diesem Zusammenhang kann man nur sagen, dass Gründer, gerade erfolgreiche Gründer, gerne länger als drei Jahre arbeiten möchten.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP)
Diese Umsetzung, liebe Kolleginnen und Kollegen, kann aber nur ein erster Schritt der notwendigen Rettungsaktion sein. Wir Freien Demokraten wollen Urheberrechte im Netz schützen – völlig klar –, aber bitte nicht auf Kosten der Meinungsfreiheit und nicht zulasten von Kreativen und Usern. Deswegen müssen wir auch in Brüssel noch mal an die Uploadfilter ran,
(Beifall bei der FDP)
zumal es viel bessere Wege gibt, um die Vergütung der Leistung von Urhebern wirklich sicherzustellen: blockchain-basierte Smart Contracts, Micropayment-Systeme und – das hat die CDU vor ihrer Zustimmung zu dieser Urheberrechtsreform selbst in die Debatte eingebracht – Pauschalvergütungsmodelle der Plattformen, also ein System, das bei unseren Radiosendern hervorragend funktioniert und auch hier funktionieren kann.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP)
Frau Beer, auch wenn das Ihre letzte Rede hier ist, bitte.
Ich komme schon zum Ende, Frau Präsidentin.
Lassen Sie mich zum Schluss noch eine persönliche Bemerkung machen: Es war mir eine große Freude, in diesem Hohen Haus mit Ihnen für die Belange unserer Bürgerinnen und Bürger zu arbeiten. Sollte ich im Eifer des Gefechts einmal die eine oder andere Kollegin oder den einen oder anderen Kollegen zu harsch angegangen sein, so war das sicherlich nicht persönlich gemeint. Es ging mir stets um die Sache, und darum wird es mir auch weiterhin stets gehen: für mehr Freiheit, für mehr Chancen für Menschen und damit, kurz gesprochen, um die Menschen in unserem Land.
Ich darf mich ganz herzlich bei denen bedanken, die mir dabei geholfen haben, die mich dabei unterstützt haben, in meinem Team, in meiner Fraktion und gelegentlich auch mal in anderen Fraktionen. Ich habe die Zusammenarbeit jedenfalls geschätzt.
So.
Ich hoffe, Sie werden sich in die europäischen Diskussionen frühzeitiger einmischen. Das bietet nämlich die Chance zu einem Wiedersehen.
Ganz, ganz herzlichen Dank, auch an die Präsidentin für ihren Langmut. Es war mir eine große Ehre, mit Ihnen zusammenzuarbeiten.
(Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich wünsche Ihnen alles Gute, Frau Beer. Ich habe Sie jetzt nicht unterbrochen. Aber in Straßburg und Brüssel werden Sie sich an andere Redezeiten gewöhnen müssen.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU)
Ich weiß, wovon ich spreche. Da sind es dann eine oder zwei Minuten. Wir wünschen Ihnen alles Gute, persönlich viel Erfolg und eine gute Zeit im Europaparlament.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Nächster Redner: Ansgar Heveling für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7367817 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 107 |
Tagesordnungspunkt | Start-Ups und Mittelstand - Urheberrechtsreform |