Otto FrickeFDP - Arbeit und Soziales
Geschätzter Herr Präsident! Ich könnte jetzt wieder die allgemeine Haushälterrede zu der Bedeutung und der Schwere des Haushaltes halten und Zahlen nennen. Aber ich versuche, bildlich nicht nur klarzumachen, dass das der größte Einzelhaushalt ist, sondern mit Blick auf das fleißig arbeitende Kabinett – das nicht richtig zuhört, was es aber sollte – auch einmal zu verdeutlichen, was dieser Haushalt für die Zukunft bedeutet.
(Der Redner hält ein Glas Wasser hoch)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Bürger, stellen Sie sich vor: Das ist das, was der Bundeshaushalt in den Jahren 2019 bis 2023 an zusätzlichen Ausgabemöglichkeiten hat. Herr Minister, so viel. Jetzt überlegen Sie einmal, was von diesen zusätzlichen Ausgabemöglichkeiten – welchen Schluck aus dem Glas – sich der Kollege Heil gönnt.
(Der Redner leert das Glas in einem Zug – Dr. Matthias Bartke [SPD]: Gleich verschütten Sie es!)
Das gesamte Glas!
(Bundesminister Hubertus Heil erhebt sein Glas in Richtung des Redners)
Jetzt können Sie sagen – wie es der Kollege Weiß zum Schrecken seiner eigenen Fraktion gesagt hat –: Und das ist gut so. – Sie könnten aber auch auf dieses Kabinett schauen, das dort sitzt und – bis auf die Kollegin Hagedorn, die etwas schreibt – denkt –: Das ist doch nicht schlimm. – Ist es denn richtig, wenn von den Mehreinnahmen, die ein Staat hat,
(Bundesminister Hubertus Heil trinkt aus seinem Glas)
alles in Arbeit und Soziales fließt und nichts mehr in die Bildung, nichts mehr in den Bereich Nachhaltigkeit und nichts Zusätzliches in den Bereich Familie geht? Das ist die Krux dieses Haushaltes und dieser Bundesregierung, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der FDP)
Wenn wir dann weitergehen – auch das will ich noch verdeutlichen; es gibt Zahlen dazu –: Wir haben einen Aufwuchs von 100 Prozent bei den Mehreinnahmen. 103 Prozent, Kollege Heil. 103 Prozent!
(Bundesminister Hubertus Heil erhebt erneut sein Glas in Richtung des Redners und trinkt es aus)
– Ja, ich merke, Sie müssen die zusätzlichen 3 Prozent auch noch vertrinken. – 103 Prozent verwenden wir dafür.
In einem Sozialstaat könnten wir jetzt sagen: Das ist ja okay, weil eine soziale Marktwirtschaft einen starken Sozialstaat braucht. – Aber das muss dann nach der Frage der Bedürftigkeit gehen. Sie merken, da kommt man dann zu der Frage: Wie gehen Sie eigentlich mit dem Thema Grundrente um? Sie sprechen von Bedürftigkeitsprüfung. Eigentlich geht es um die Frage: Bedingungslose Grundrente oder bedingungsfreie Grundrente?
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Ach! Das ist doch völliger Unsinn! – Weitere Zurufe von der LINKEN)
– Das merke ich doch an Ihrer Reaktion; Sie sind in der Vergangenheit.
Worüber wir hier eigentlich diskutieren müssten, ist die Frage: Bedingungsloses BAföG – ja oder nein? Aber was machen Sie beim BAföG? Die Mittel dafür werden um 300 Millionen Euro gesenkt. Das ist der Unterschied: Sie bewegen sich weiterhin nur in die Richtung, Vergangenheitslösungen darzustellen, statt in die Zukunft zu gehen und dort das Geld entsprechend auszugeben.
(Beifall bei der FDP)
Dabei sind Sie dann auch noch – auch das will ich sagen – letztlich – Herr Präsident, ich hoffe, das ist ein besseres Wort als das, das die Kollegin Tack benutzt hat – bigott.
Herr Kollege Fricke, die Kollegin Mast würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen.
(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Sie will wissen, was „bigott“ ist! – Gegenruf des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Woher sollen wir das wissen?)
Gerne.
Frau Kollegin Mast.
Sehr geehrter Herr Kollege Fricke, Sie haben bezüglich der Grundrente gerade das Wort „bedingungslos“ in den Mund genommen. Ich hätte gerne von Ihnen eine Definition von „bedingungslos“. Denn ich verstehe unter „bedingungslos“ keinerlei Vorbedingungen, damit man die Grundrente bekommt. Ich sehe es aber so, dass der Vorschlag von Hubertus Heil eine ganz wesentliche Bedingung enthält dafür, dass man die Grundrente überhaupt bekommt, nämlich 35 Jahre Arbeit, Kindererziehung oder Pflege von Angehörigen.
(Johannes Vogel [Olpe] [FDP]: Das ist ja das Problem!)
Deshalb wäre es für mich spannend, zu hören, ob Sie finden, „bedingungslos“ heißt „Es gibt keine Bedingungen“ oder „Es gibt Bedingungen“.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Sehr geschätzte Frau Kollegin, erstens. Natürlich gibt es – wie immer bei der Rente – Rahmenbedingungen, in denen sich die Rente bewegt, und dazu gehört auch die Frage eines bestimmten Zeitablaufes oder einer bestimmten Situation, wie etwa bei der Hinterbliebenenrente.
(Katja Mast [SPD]: Also Bedingungen!)
Nur um Ihnen dazu ganz klar zu sagen: Was ist denn das eigentlich für eine komische Bedingung?
(Dr. Matthias Bartke [SPD]: Aber es ist eine Bedingung!)
Wenn Sie 35 Jahre voll haben, bekommen Sie was. Wenn Sie 35 Jahre minus einen Tag haben, bekommen Sie nichts.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das ist im Rentenrecht immer so, Herr Kollege!)
Solche Bedingungen sind meiner Meinung nach keine Bedingungen, und das ist genau das, wo ich immer wieder feststellen muss: Es wird nicht so sein.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP)
Jetzt kommen wir – ich komme wieder zu meiner Rede, Herr Präsident – einmal dazu, wie die SPD mit dem Thema „Bedürftigkeitsprüfungen/Bedingungen bei der Rente“ umgegangen ist. Im Jahre 2001 haben Sie zusammen mit den Grünen bei der Hinterbliebenenrente die Frage der Bedingungen und der Bedürftigkeit angeschärft bis zum Gehtnichtmehr. Sie haben es in der Frage, ab wann man sie bekommen muss und was dazugerechnet wird, verschärft. Sie als SPD haben gesagt: Bei der Hinterbliebenenrente, die eigentlich mit der Leistung – meistens des Mannes – im Zusammenhang stand, kürzen wir; da rechnen wir Arbeitslosengeld II an; da rechnen wir private Einnahmen an; da rechnen wir an, was es an anderer Altersvorsorge gibt; wir rechnen sogar das Elterngeld an. – Das haben Sie 2001 beschlossen.
So viel zu der Frage, wie Sie zu einer Bedürftigkeitsprüfung in der Rente stehen. Die Grünen haben es mitgemacht. Was hat die CDU damals gemacht? Sie hat es – das ist das, was ich in der Diskussion hier so schlimm finde – kritisiert. Auf gar keinen Fall dürfe man doch eine Bedürftigkeitsprüfung vornehmen. Verwechselte Rollen!
Jetzt sage ich dieser sogenannten Großen Koalition, was passieren wird: Sie werden am Ende feststellen, dass Sie, selbst wenn der Minister das Wasserglas ganz leer trinken wird, mathematisch nicht hinkommen, und dann werden Sie sich auf einen Kompromiss einigen, der genau so ist, wie Sie ihn bei der Witwenrente geschlossen haben, wie Sie ihn bei der Hinterbliebenenrente geschlossen haben. Dann kommen Sie mit einem Ergebnis heraus, mit dem Sie von der Union und Sie von der SPD das Gesicht verlieren. Im Endeffekt werden wir den Leuten dann etwas versprochen haben, was wir nicht halten können. Das ist keine moderne Haushaltspolitik, das ist keine moderne Sozialpolitik, sondern das ist das Ermöglichen von Erwartungen.
Herr Minister, Sie haben gesagt: Es geht um Haltung. – Da sage ich Ihnen: Nein, es geht nicht um Haltung, es geht um Handeln und um Hilfe, und die Haltung ist dabei sekundär.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der FDP)
Jetzt hat das Wort die Kollegin Katja Kipping, Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7388542 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 113 |
Tagesordnungspunkt | Arbeit und Soziales |