25.10.2019 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 122 / Tagesordnungspunkt 24

Mark HauptmannCDU/CSU - Ländliche Räume

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Sehr geehrter Herr Präsident! Meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Damen und Herren! Es handelt sich hier wie bei vielen Anträgen im parlamentarischen Verfahren um einen typischen AfD-Antrag: Populismus in Vollendung. Zunächst wird ein düsteres, ein verzerrtes Bild der Gegenwart gezeichnet und dann Angst vor der Zukunft geschürt.

(Beatrix von Storch [AfD]: Die Welt geht unter wegen CO

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir brauchen in diesem Land keine Angstmacher wie Sie, Herr Keuter. Wir brauchen Mutmacher. Wir brauchen niemanden, der immer nur die Leistungen der Vergangenheit negativ beurteilt, sondern jemanden, der die Leistungen der Menschen in diesem Land anerkennt.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Die Leistungen der Menschen haben wir in den letzten 30 Jahren in einem einzigartigen Projekt gesehen, das mit der deutschen Wiedervereinigung verbunden ist. Wenn Sie davon sprechen, dass wir den Karren in den Dreck gefahren haben,

(Zuruf von der AfD: Vor die Wand!)

wenn Sie davon sprechen, dass die Altparteien die Schuld dafür tragen, dass der ländliche Raum nicht so attraktiv ist, dann möchte ich Ihnen zwei Sachen sagen.

Nummer eins. Wir haben aktuell die längste wirtschaftliche Wachstumsphase, seitdem Ludwig Erhard Wirtschaftsminister war.

(Widerspruch bei der AfD)

Zehn Jahre in Folge Wirtschaftswachstum: Dafür stehen die Parteien hier in der Mitte dieses Hauses.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Nummer zwei. Wir sehen ganz deutlich, dass wir einen starken ländlichen Raum brauchen. Ich frage mich: Was hat die AfD in irgendeiner Weise in irgendeinem Parlament in irgendeiner Form für den ländlichen Raum getan?

(Stephan Brandner [AfD]: Sie lehnen doch alles ab von uns!)

Sie haben bis jetzt noch nicht in einem Kommunalparlament, in einem Landesparlament oder hier im Bundesparlament

(Zuruf von der AfD: Sie lehnen doch alles ab, wo AfD draufsteht!)

eine einzige Sache für den ländlichen Raum getan. Das sind die Fakten, die wir uns hier anschauen müssen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Widerspruch bei der AfD)

Sie reden großkotzig über die Leistungen der Menschen und über ihre Köpfe hinweg, ohne anzuerkennen, wie wir in den letzten Jahren mit vielen Maßnahmen den ländlichen Raum massiv gestärkt haben, beispielsweise mit der Kommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse“, auf die mein Kollege Jan Metzler gleich noch eingeht, beispielsweise mit der Schaffung eines gesamtdeutschen Fördersystems, mit Programmen zur Stärkung der Infrastruktur, der Innovation, zur Sicherung der Fachkräftebasis, aber eben auch zur Städtebauförderung. Es war die letzte Bundesregierung, die die höchsten Ausgaben für die Kommunen in diesem Land bereitgestellt hat.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Zu behaupten, man würde die Kommunen hierbei nicht unterstützen, ist eine Falschaussage, die Sie treffen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Nächster Punkt. Sie haben gerade die Landwirtschaft angesprochen und gehen in Ihrem Antrag darauf ein, dass Sie die europäische Unterstützung der Landwirtschaftspolitik, so wie wir sie als einen Grundpfeiler der Europäischen Union aufgebaut haben, wieder einreißen wollen. Wir sind bei der Unterstützung der Landwirtschaft unglaublich vorangekommen. Die Bauern und Landwirte in unserem Land sind heute doch nicht mehr nur von den Preisen für Weizen oder Schweinehälften abhängig, sondern sie haben mit den erneuerbaren Energien von der Biomasse über die Photovoltaikanlagen bis hin zur Windkraft ganz andere Einnahmequellen. Was wir im Bereich der erneuerbaren Energien in den letzten Jahren im Deutschen Bundestag beschlossen haben, ist ein Konjunkturprogramm für den ländlichen Raum und nicht etwa eine Fehlunterstützung.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Enrico Komning [AfD]: Steuerfinanziert!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, gerade seitens des Bundes haben wir unglaublich viele Mittel in den letzten Jahren im Bereich des ländlichen Raumes zur Verfügung gestellt. Aber – das ist ein wichtiger Punkt dieser Debatte –: Allein mit Steuergeldern werden wir den ländlichen Raum nicht erfolgreich und zukunftsgerecht aufrechterhalten können. Deswegen geht es um die Rahmenbedingungen vor Ort. Wir müssen sicherstellen, dass wir im ländlichen Raum die ärztliche Versorgung gewährleisten,

(Enrico Komning [AfD]: Dann macht doch mal endlich!)

dass wir die schulische Versorgung gewährleisten. Wir müssen den Mittelstand weiter fördern – das machen wir bereits mit Programmen wie INNO-KOM und ZIM –,

(Enrico Komning [AfD]: Wir müssen, wir müssen, wir müssen!)

indem wir Start-ups und Gründer im ländlichen Raum unterstützen

(Stephan Brandner [AfD]: Einfach machen, nicht labern!)

und indem wir natürlich auch bei der Agrarpolitik darauf achten, dass wir die Landwirte nicht verunglimpfen.

Wir müssen sagen: Die Landwirte sind die wichtige Basis, die Nahrung und gute Produkte für uns alle tagtäglich schaffen. Das sind die eigentlichen Helden der schwarzen Null am Monatsende, diejenigen, die früh aufstehen, in den Stall gehen, sich zuerst um ihre Tiere und dann um das eigene Wohl kümmern, die gute, qualitative Lebensmittel zur Verfügung stellen. Diese Menschen haben von der Politik, von uns allen Wertschätzung verdient und nicht Missachtung und Verunglimpfung, wie das hier teilweise befördert wird.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Herr Keuter, Sie haben in Ihrem letzten Punkt den Freistaat Thüringen angesprochen: Wir haben Landtagswahl in Thüringen, und wir sehen, dass wir in Thüringen mit Rot-Rot-Grün eine Landesregierung haben, die in den letzten Jahren nicht etwa den ländlichen Raum im Blick hatte, sondern vor allem die Perlenkette entlang der A 4.

(Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Vorsichtig!)

Es gibt beispielsweise den Entwurf eines Schulgesetzes, der die Schulstandorte im ländlichen Raum ausdünnt. Es gibt eine Tendenz, die Berufsschulen aus dem ländlichen Raum herauszuziehen, wenn für die Berufsschule keine 15 Personen mehr zur Verfügung stehen.

(Beatrix von Storch [AfD]: Wir freuen uns auch schon auf die Wahlen!)

Wir sagen: Das ist genau der falsche Weg. Ich muss die Berufsschulen im ländlichen Raum halten; ich darf sie nicht weiter zentralisieren.

Herr Kollege Hauptmann, der Kollege Lenkert würde gerne eine Zwischenfrage stellen.

Immer sehr gerne.

Herr Kollege Hauptmann, danke, dass Sie die Zwischenfrage oder ‑bemerkung zulassen. – Ich wollte Sie daran erinnern, dass die Schließung der Ausbildungsstandorte in der Legislaturperiode bis 2014 beschlossen worden ist; in dieser Zeit hat die CDU regiert. Sie haben sich an die ländlichen Räume nicht herangetraut; bei den Schulen haben Sie nichts gemacht. Wir haben jetzt mit Rot-Rot-Grün ein Gesetz geschaffen, das dafür sorgt, dass auch die kleinen Schulen mit nur 40 Kindern erhalten bleiben. Sie haben in den ländlichen Räumen aber einiges komplett vernachlässigt: Sie haben in fünf Jahren ganze 60 Millionen Euro für die Instandsetzung und Sanierung von Schulgebäuden bereitgestellt. Wir als Linke haben in den letzten fünf Jahren zusammen mit den Grünen und der SPD über 400 Millionen Euro bereitgestellt, damit die Schulen im ländlichen Raum saniert werden können. Das ist Politik für die ländlichen Räume.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir haben über 3 500 neue Lehrinnen und Lehrer eingestellt. In Ihrer gesamten Legislatur waren es 1 250. Sie hätten die Schulen gar nicht mehr mit Lehrerinnen und Lehrern besetzen können, wenn Sie Ihre Politik fortgesetzt hätten. Gott sei Dank haben wir diese Politik geändert und haben es deswegen in Thüringen geschafft, die Schulen im ländlichen Raum überhaupt erhalten zu können.

(Beifall bei der LINKEN – Uwe Witt [AfD]: Frage!)

Mit der CDU wären sie zu, weil es keine Lehrer gegeben hätte.

Herr Kollege Lenkert, besten Dank für die Frage, die mir die Möglichkeit gibt, auch noch mal auf Ihre Versäumnisse hinzuweisen. – In diesem aktuellen Schuljahr haben wir im Freistaat Thüringen 938 000 Ausfallstunden an Thüringer Schulen. Ich habe allein in meinem Wahlkreis 60 Schulklassen, die am Ende des Schuljahres in den Kernfächern keine Noten mehr bekommen.

(Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Mit Ihrer Politik wären es viermal so viele!)

– Herr Lenkert, wer schreit, hat immer Unrecht. Sie beweisen das auf vortrefflichste Art und Weise. Seit zehn Jahren trägt kein CDU-Minister mehr Verantwortung für die Schulsysteme im Freistaat Thüringen, vielmehr sind Sie verantwortlich dafür, dass wir Lehrermangel haben, dass wir Unterrichtsausfall haben, dass Noten auf den Zeugnissen fehlen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Das ist nicht zukunftsgewandt, sondern das ist eine Schande für die Kinder, die die Zukunft in diesem Land weitergestalten wollen; denn denen verweigern Sie die Zukunft.

Ihre Landesregierung war, als wir als Bund 5 Milliarden Euro für den DigitalPakt Schule auf den Tisch gelegt haben, noch nicht einmal in der Lage, zu sagen: Der Bund bezahlt, wir nehmen das Geld, wir investieren in die Digitalisierung der Schulen. – Sie haben es abgelehnt. Das ist die Wahrheit, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Lächerlich! Das stimmt doch nicht! – Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Das ist eine Lüge!)

Und es geht weiter: Als wir im Bund den ÖPNV weiter gestärkt haben, indem die Finanzmittel an den Freistaat erhöht wurden, haben Sie angekündigt, bei den ÖPNV-Verbindungen den Takt im Schienennetz auszudünnen.

(Katja Kipping [DIE LINKE]: Lüge! – Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Das ist Unsinn! Wir haben die aktiviert, die Sie abgestellt haben!)

Wen trifft das? Das trifft Senioren, das trifft Azubis, das trifft Schülerinnen und Schüler. An denen haben Sie sich hier versündigt.

Ich komme zu einem nächsten Punkt: Als wir als Bund die Mittel von Alexander Dobrindt – eben war er noch hier – für den Breitbandausbau in diesem Land bereitgestellt haben, hat der Freistaat Thüringen in den ersten beiden Runden nicht einen einzigen Euro beantragt. Das ist die Realität von Rot-Rot-Grün in Thüringen.

(Beifall der Abg. Jan Metzler [CDU/CSU] und Olaf in der Beek [FDP])

Wir geben das Geld seitens des Bundes, aber Sie sichern nicht die Kofinanzierung seitens des Landes.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Das ist Fakt und zeigt zum Beispiel, wie Sie den ländlichen Raum gerade beim Ausbau der Zukunftsinfrastruktur des Breitbands vernachlässigt haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie sehen es schon: Wir haben eine hitzige Debatte, wir haben Lautsprecher von rechts und links, allerdings von der Linken oder der AfD selten etwas gehört, was wirkliche Wertschätzung und ein Interesse an den Menschen im ländlichen Raum zeigt. Diese Menschen wollen wir in der Mitte dieses Hauses, in der Koalition nicht vergessen. Wir wollen sie wertschätzen, wir wollen sie unterstützen, und wir wollen vor allem die Infrastruktur der Zukunft über Breitband und 5G nicht nur bis zu jeder Milchkanne, sondern auch bis zu jedem Wald und jedem Acker bringen; denn wir müssen 5G auch in der Landwirtschaft bereitstellen. Dafür bitten wir um Ihre Unterstützung.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe gestern darauf hingewiesen, dass wir der Deutsche Bundestag und kein Landtag sind. Ich sage es nur noch mal zur Erinnerung.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Nächster Redner ist der Kollege Gerald Ullrich. Bitte.

(Beifall bei der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7397470
Wahlperiode 19
Sitzung 122
Tagesordnungspunkt Ländliche Räume
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