07.11.2019 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 124 / Tagesordnungspunkt 6

Elisabeth Winkelmeier-BeckerCDU/CSU - Aktuelle Stunde - Gegen Hassrede und Hasskriminalität

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Danke schön. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörer auf den Tribünen! Wir hatten schon in der letzten Sitzungswoche Anlass, über die Demokratie zu sprechen, über die Bedeutung des freien Wortes, des Austausches, über dieses wichtige Merkmal unseres Staates: die Meinungsfreiheit, die für diese Demokratie auch existenzielle Bedeutung hat.

Ich denke, es ist klar, dass die Meinungsfreiheit gegenüber dem Staat uneingeschränkt wirkt und Gültigkeit hat. Aber wir sehen immer mehr das Problem, dass aus anderer Richtung Grenzen für die Meinungsfreiheit und Bedrohungen erwachsen. Shitstorms und Mobbing, Beleidigung, massive Drohungen, Hass und Hetze in den Social Media – wer will da eigentlich noch von Social Media reden? Diese Einschränkungen und Bedrohungen gehen von anderen Nutzern aus. Das sind diejenigen, um die wir uns heute kümmern müssen. Wir müssen Hass und Hetze brandmarken, weil wir sie als Gefahr für unsere Demokratie sehen. Sie zielen darauf, andere einzuschüchtern, und missbrauchen damit die eigene Meinungsfreiheit.

Immer weiter werden die Grenzen des Sagbaren verschoben. Kann man jetzt wieder sagen: „Ich glaube nicht an den Holocaust“? Kann man Politikerinnen aufs Übelste sexistisch beleidigen? Darf man missliebige Menschen „entsorgen“? Darf man den Wahlzettel bei der Kanzlerinnenwahl mit zur Toilette nehmen und ein Foto davon öffentlich posten? Darf man so das Amt der Bundeskanzlerin beschädigen?

(Ulli Nissen [SPD]: Nein!)

Ein Bürgerlicher, ein Konservativer würde das nicht tun. Darf man den Hashtag „#Judaslohn“ platzieren und damit antisemitische Klischees bedienen?

(Beatrix von Storch [AfD]: Das sagen Sie mal Herrn Lauterbach! Klassisches Beispiel!)

Bei Letzterem frage ich mich übrigens: Welche Art von Posts sollten eigentlich unter diesem Hashtag zusammenkommen? Bestimmt nicht Artikel, die das Lebenswerk von Udo Lindenberg würdigen.

(Beifall bei der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Udo Theodor Hemmelgarn [AfD])

Ich muss sagen: Wer im Netz als Mr. Hyde unterwegs ist, der kann sich nicht an anderer Stelle darauf berufen, als Dr. Jekyll zu agieren. Vielmehr handelt es sich um eine einzige Person, die sich an ihrem Handeln in dem einen Fall auch in der anderen Funktion messen lassen muss.

(Beifall bei der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD, der FDP und der LINKEN)

Die Entwicklung mag verschiedene Ursachen haben. Der Soziologe Kai Unzicker von der Bertelsmann-Stiftung, also nichts Rechts- oder Linksradikales, jedenfalls führt es konkret auch auf die Rolle der AfD zurück, dass nahezu alles sagbar erscheint, egal wie rassistisch, menschenverachtend oder geschichtsvergessen es auch ist. Ich empfehle, sich hierzu mal die Facebook-Seite „Wir werden sie jagen“ anzusehen, wo Zitate von AfD-Politikern zusammengestellt und dokumentiert werden. Was hier vielleicht noch unter die nun wirklich zu Recht und gerade im politischen Raum sehr weiten rechtlichen Grenzen der Meinungsfreiheit einzuordnen ist, hat jedenfalls schon längst jeden Anstand verlassen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der LINKEN)

Und das wirkt. Der Diskurs wird vergiftet. Indirekt wird die Meinungsfreiheit anderer eingeschränkt, aber auch die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen und ihre Handlungsfreiheit. Im Extremfall gefährdet es sogar Leib und Leben. Hier verschiebt sich auch unsere Rolle als Staat und als Gesetzgeber. Aus dem Recht auf Meinungsfreiheit folgt nicht nur mehr das Abwehrrecht gegen den Staat, sondern es ruft uns auch auf, zu handeln und Regeln zu setzen und durchzusetzen, die die Meinungsfreiheit wieder sichern. Dazu braucht es ein gezieltes Vorgehen gegen solche Hass- und Hetzrede.

Deshalb ist es gut, dass wir mit dem Paket, das die Innen- und Rechtspolitiker vorgelegt haben, jetzt einsteigen und weitere Schritte gehen. Aus dem Blickwinkel der Rechtspolitik ist es besonders wichtig, dass die Zusammenarbeit mit den Strafverfolgungsbehörden verbessert wird; denn da, wo die zuständige Staatsanwaltschaft einen Post für strafrechtlich relevant hält, muss sie schnell alle möglichen Angaben bekommen, um den Täter zu identifizieren und gegen ihn vorzugehen. Bisher ist im NetzDG nur geregelt, dass man praktisch einen Briefkasten hat und eine Antwort bekommt; aber es gibt keinen materiellen Anspruch auf die Daten, die dann gebraucht werden. Diesen müssen wir jetzt schaffen.

Ich bin auch sehr froh, dass wir endlich unsere jahrelange Forderung nach einer Erhöhung des Strafrahmens bei Beleidigung im Netz aufgreifen; denn es ist wirklich etwas anderes, ob eine Beleidigung auf einem Marktplatz, in der Gaststätte oder eben im Netz passiert, das nichts vergisst.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Das müssen wir jetzt schnell umsetzen, und auch danach dürfen wir nicht zur Tagesordnung übergehen; denn es steht viel auf dem Spiel.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. – Nächster Redner ist für die Fraktion der AfD der Kollege Martin Hebner.

(Beifall bei der AfD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/cvid/7400140
Wahlperiode 19
Sitzung 124
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde - Gegen Hassrede und Hasskriminalität
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