07.11.2019 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 124 / Tagesordnungspunkt 11

Frank SteffelCDU/CSU - Chinapolitik

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielen Dank.- Ich finde es richtig, dass wir sehr intensiv über die Menschenrechtsverletzungen in China-Festland sprechen. Das meiste, was dazu gesagt wurde – mit Ausnahme der AfD, die das ja auf ihre Weise differenziert und anders gesehen hat als alle anderen –, finde ich auch wichtig und zutreffend. Ich fand auch die Darstellung von Ihnen, Herr Liebich, wohltuend differenziert und will Herrn Trittin auch ausdrücklich recht geben, weil es aus Ihrem Munde, finde ich, besonders glaubwürdig ist, wenn Sie zu Recht darauf hinweisen, dass wir bei den Demonstranten in Hongkong natürlich differenzieren müssen. Das, was dort friedlich stattfindet, hat unsere volle Unterstützung. Aber das, was gewalttätig ist, muss auch als gewalttätig beschrieben werden, und natürlich sind Besetzungen von Flughäfen und Angriffe auf Geschäfte und das Anzünden von Autos in jedem Land der Welt auch von der jeweiligen Staatsführung zu unterbinden. Insofern muss man auch in Bezug auf Hongkong hier glaubwürdig bleiben und differenzieren. Ansonsten machen wir auch unsere Kritik an anderer Stelle damit nicht redlicher und nicht glaubwürdiger.

Ich möchte einen Punkt ansprechen, der in der Debatte – der Rest ist ja weitestgehend von allen gesagt – aus meiner Sicht etwas untergegangen ist, nämlich die Frage: Warum verhält sich China gegenwärtig anders als in den letzten Jahren, als man sich eigentlich kontinuierlich eher optimistisch und wohlwollend verhalten hat? Wir hatten ja den Eindruck, da ändert sich vieles zum Positiven. Wir waren mit einer Delegation des Auswärtigen Ausschusses in Peking und haben festgestellt, dass die Wortwahl sich geändert hat, dass die Begründungen sich verändert haben, dass es in China offenkundig einen, ich will nicht sagen, Paradigmenwechsel, aber einen politischen Wechsel gibt. Das müssen wir attestieren. Unsere Gesprächspartner aus dem Nichtregierungsumfeld sagen uns: Es gibt eine sicherheitspolitische Paranoia, und die liegt daran, dass natürlich die Handelssanktionen der Vereinigten Staaten die chinesische Führung tief getroffen haben, dass sich die wirtschaftliche Entwicklung in China deutlich verändert hat, aber auch die Proteste in Hongkong vieles doch sehr verändert haben. – Die deutsche Wirtschaft sagt, sie habe noch nie so viel Unruhe und Angst verspürt und sie habe die Sorge, dass das die Ruhe vor einem ganz großen Gewitter ist. All das muss uns natürlich grundsätzlich umtreiben, wir müssen uns die Frage stellen: Was können wir eigentlich tun? Wie können wir mit Worten und Taten dazu beitragen, dass das nicht weiter eskaliert?

Ich will abschließend einen Blick auf Hongkong werfen, weil ich schon den Eindruck habe, hier geht manches durcheinander. Dazu zählt unter anderem auch die Vermutung, dass China immer noch auf Hongkong angewiesen sei. Das war vielleicht vor einigen Jahren so; da hatte Hongkong 20 Prozent des Bruttoinlandprodukts von China. Das hat sich mittlerweile dramatisch verändert: Hongkong hat noch 3 Prozent des Bruttoinlandprodukts von China. Durch die Greater Bay Area, den Zusammenschluss von Hongkong, Macao und neun chinesischen Regionen, ist eine Riesenregion mit einem Schwerpunkt in Shenzhen auf dem chinesischen Festland entstanden. Das heißt, die Bedeutung von Hongkong hat abgenommen. Ich sage uns auch politisch: Bedenke das Ende!

Ich will Ihnen ganz kurz drei Zahlen nennen. Erste Zahl: 80 Prozent der Wasserversorgung von Hongkong kommen aus China. 50 Prozent der Touristen, von denen Hongkong – gerade diejenigen, die weniger Geld verdienen – nicht zuletzt gut lebt, kommen aus China. Und 50 Prozent der Transporte im Hafen von Hongkong – der unglaublich wichtig ist für die Bedeutung von Hongkong, wie wir alle wissen – kommen ebenfalls aus China. Alle drei Ströme – Wasser, Transporte und Touristen – könnte China relativ unkompliziert, mit einfachen Entscheidungen der kommunistischen Partei, stoppen – mit all den Auswirkungen auf Hongkong, die wir wahrscheinlich gemeinsam nicht wollen. Insofern empfehle ich uns, alles dafür zu tun, eine Eskalation in Hongkong zu vermeiden – der Stärkere wird im Zweifelsfalle China sein.

Das heißt, wir müssen überlegen: Was können wir tun? Es wurde angesprochen: Wir müssen schauen, dass die Aufarbeitung stattfindet. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass – nach allem, was uns Gesprächspartner in Hongkong sagen – die sozialen Probleme die wesentliche Ursache für die Massenproteste sind. Und wir müssen auch ehrlich und konsequent sagen: Eine Unabhängigkeit Hongkongs zu fordern, ist mehr als unrealistisch. Das hat hier in der Debatte auch nicht stattgefunden. Mit einer solchen Forderung – wenn wir den Eindruck erweckten, es gäbe eine Chance für Hongkong, unabhängig zu werden – täten wir unseren Gesprächspartnern in Hongkong keinen Gefallen. Hongkong hat große Chancen. Es sind noch einige Jahre Zeit bis 2047. Wir sollten durch unser Handeln und durch unser Reden dazu beitragen, diese Chancen nicht dadurch noch schwieriger zu machen, indem wir die chinesische Führung an Stellen kritisieren, wo Kritik nicht zutreffend ist. Dann ist unsere Kritik an den Stellen, wo sie zutreffend ist, umso glaubwürdiger.

Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vielen Dank, Frank Steffel. – Nächster Redner: für die SPD-Fraktion Metin Hakverdi.

(Beifall bei der SPD)

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Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7400209
Wahlperiode 19
Sitzung 124
Tagesordnungspunkt Chinapolitik
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