Mark HelfrichCDU/CSU - Energieversorgung -Nord Stream 2-
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren jetzt bereits zum zweiten Mal innerhalb von fünf Monaten auf Antrag der AfD-Fraktion über dasselbe Thema.
(Steffen Kotré [AfD]: Ist ja auch notwendig!)
Das ist „waste of time and waste of energy“. Aber sei’s drum: Jetzt bin ich heute hier, um erneut zu diesem Thema zu reden, und ich sage Ihnen: Deutschland braucht einen starken und unabhängigen Energiemarkt. Dieser muss Versorgungssicherheit, bezahlbare Preise und Akzeptanz zur Grundlage haben, und er muss die Einhaltung der Klimaziele von Paris gewährleisten. Wenn wir dafür Kohle- und Atomkraftwerke in Deutschland vom Netz nehmen, müssen wir die entstehenden Lücken in der Energieversorgung natürlich schließen, und dies geht nur, wenn wir in Zukunft neben dem verstärkten Ausbau der erneuerbaren Energien noch mehr auf Gas setzen. Beide werden zukünftig das Rückgrat unserer Energieversorgung bilden.
Aktuell beziehen wir 40 Prozent des Erdgases aus Russland, rund 26 Prozent aus Norwegen und ebenso viel aus den Niederlanden. Magere 4 Prozent stammen aus heimischer Förderung. Deutschland ist nicht nur der weltgrößte Erdgasimporteur, nein, wir sind auch einer der größten Gasverbraucher der Welt. Das Problem ist jedoch, dass die Gasproduktion in Deutschland stark rückläufig ist. Mit dem Abschalten der Kohlekraftwerke wird unser Gasbedarf zudem weiter anwachsen. Aber nicht nur Deutschland, sondern auch die Europäische Union wird in Zukunft mehr Gasimporte brauchen als heute; denn auch die niederländische und die britische Gasförderung sind rückläufig. Im Übrigen ist der Kohleausstieg keine deutsche Erfindung, sondern wird auch in vielen anderen europäischen Ländern kommen.
Wir müssen uns also die Frage stellen, wie wir unsere Energieversorgung in Deutschland und Europa zukünftig sichern wollen. Die Antwort ist eine Erhöhung der Kapazitäten für Gasimporte. Diese schaffen wir unter anderem durch Nord Stream 2. Mit deren Hilfe können jedes Jahr rund 55 Milliarden Kubikmeter russisches Gas nach Europa geliefert werden. Das wären ungefähr 40 Prozent des für Europa prognostizierten Mehrbedarfs. Natürlich wird dieses russische Erdgas von Deutschland aus dann an europäische Nachbarländer weitergeleitet. Nord Stream 2 ist damit ein wichtiger Baustein zur Lösung des europäischen und deutschen Energieproblems.
Bislang wurden bereits mehr als 2 100 Kilometer der Pipeline verlegt. Das sind immerhin fast 90 Prozent. Seit der letzten Woche haben wir Gewissheit, dass Nord Stream 2 in wenigen Monaten fertiggestellt wird. Die Dänen haben nämlich den Bau der Erdgasleitung durch ihre Gewässer genehmigt. Klar ist aber auch, dass wir langfristig Erdgas durch synthetisches Gas aus erneuerbaren Quellen ersetzen müssen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Timon Gremmels [SPD]: Da könnten die Grünen auch mal klatschen!)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Nord Stream 2 ist eine Maßnahme, um die Energieversorgung in Deutschland zu sichern, aber beileibe nicht die einzige. Wir wollen uns nämlich nicht von nur einem Energielieferanten oder nur einer Energiequelle abhängig machen. Deshalb setzen wir in Deutschland und Europa richtigerweise auf Diversifizierung.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Diese führt zu einer kostengünstigen und zuverlässigen Erdgasversorgung und ist elementar für die Energiesicherheit in Europa. Wir Europäer brauchen daher zukünftig auch Pipelinegas aus Aserbaidschan oder aus Nordafrika.
Darüber hinaus setzen wir auf eine Versorgung mit LNG, das mit Schiffen nach Europa gebracht wird. Knapp 10 Prozent der europäischen Gasimporte sind derzeit Flüssigerdgas, Tendenz steigend.
(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Das nennt sich Fracking-Gas!)
– Falsch! Das kommt aus verschiedensten Quellen. – Wir müssen daher in die europäische Terminalinfrastruktur investieren, aber vor allem in die deutsche. Und als Schleswig-Holsteiner hoffe ich natürlich, dass es auch ein LNG-Terminal in Brunsbüttel geben wird.
Aber was bedeuten Nord Stream 2 und LNG neben der Versorgungssicherheit für private Haushalte und die Wirtschaft in Deutschland? Ein hohes Angebot, mehr Wettbewerb und in der Folge bezahlbare Preise für alle Gasverbraucher.
(Beifall des Abg. Dr. Diether Dehm [DIE LINKE])
Am Ende profitiert davon der gesamte Standort Deutschland.
Meine Damen und Herren, ich möchte noch kurz auf die von der AfD so dramatisierte Sanktionspolitik eingehen. Im Hinblick auf die US-amerikanischen Sanktionsandrohungen lässt sich doch eines ganz deutlich sagen: Viel Lärm um nichts. Ein entsprechender amerikanischer Gesetzentwurf steckt seit Monaten im Kongress fest. Er sieht in der Tat schwere Strafen für am Bau beteiligte Firmen vor, insbesondere für die Betreiber der hochspezialisierten Verlegeschiffe. Mit der Erteilung der letzten Genehmigung durch Dänemark und der Fertigstellung der Pipeline bis Ende des Jahres schließt sich doch das Zeitfenster für US-amerikanische Drohungen.
Mit der geänderten EU-Gasmarktrichtlinie soll EU-Recht auch auf Pipelines angewendet werden, die aus Drittstaaten in der EU anlanden; dazu mehr heute Nacht auf derselben Bühne. Damit gilt die Richtlinie auch für Nord Stream 2. Daran ist per se erst einmal gar nichts verkehrt, wenngleich das auch Ausdruck der Tatsache ist, dass das Projekt in Europa tatsächlich umstritten ist. Und Sie von der AfD wissen ganz genau, dass sich die Bundesregierung in der EU sehr stark eingesetzt hat für das Projekt Nord Stream 2. Wir haben erreicht, dass wesentliche Teile der Regulierung in den Händen des Staates liegen, in dem eine Gaspipeline ankommt. Damit bleibt die regulatorische Aufsicht über Nord Stream 2 bei Deutschland.
Im Übrigen muss man ganz klar sagen, dass Nord Stream 2 ein in erster Linie privatwirtschaftliches Projekt ist, das von Anfang an mit erheblichem unternehmerischem Risiko verbunden war.
Ihnen von der AfD dürfte auch klar sein, dass Nord Stream 2 jetzt, da alle Genehmigungen der beteiligten Länder vorliegen, in jedem Fall fertiggestellt wird. Und das zeigt doch vor allem eines: Ihnen geht es nicht um die Energiesicherheit in Deutschland oder in Europa, es geht Ihnen auch nicht um die beteiligten europäischen Unternehmen, sondern es geht Ihnen wieder einmal um die symbolträchtige Pflege Ihrer Russland-Connection.
Danke schön.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Für die FDP-Fraktion hat das Wort der Kollege Dr. Martin Neumann.
(Beifall bei der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7400229 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 124 |
Tagesordnungspunkt | Energieversorgung -Nord Stream 2- |