Timon GremmelsSPD - Energieversorgung -Nord Stream 2-
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kein „America First“ in der Energiepolitik, sondern „Europe United“ auch bei Nord Stream 2 – das ist unser Motto als SPD, meine sehr verehrten Damen und Herren, und unsere Antwort.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist Sozialdemokratie im Jahr 2019!)
Ich sage Ihnen: Wir brauchen keine Belehrungen und keine Ratschläge von US-Präsident Trump. Wir brauchen aber auch keine Anträge der AfD-Fraktion, meine sehr verehrten Damen und Herren.
(Beifall bei der SPD)
Wir müssen uns von der AfD-Fraktion nicht sagen lassen, wie man Energiepolitik auch mit Russland macht. Es war Willy Brandt, der als Bundeskanzler im Jahre 1973 die erste Pipeline für russisches Gas in Deutschland willkommen hieß. Wir haben auch in Zeiten des Kalten Krieges dafür gesorgt, dass die Energieversorgung Deutschlands – auch mit Russland ‑funktioniert hat, meine sehr verehrten Damen und Herren. Da braucht es keine Belehrungen und keine Anträge der AfD.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Natürlich ist dieses Beispiel aus dem Kalten Krieg auch Maßstab dafür, wie wir heute mit Russland umgehen können. Es war in den 80er-Jahren so, dass oftmals die Energiediplomatie immer wieder die politische Diplomatie mit Russland unterstützte, manchmal korrigierte, manchmal ihr sogar vorausging. Das war immer auch Mittel zum Zweck und ein Weg, um mit Russland im Gespräch zu bleiben. Genau das müssen wir jetzt auch machen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Russland ist nämlich keine lupenreine Demokratie. Russland ist auch weit weg von menschenrechtlichen Standards. Der dortige Umgang mit der LGBTI-Community und mit vielen anderen Gruppen, etwa mit Menschenrechtlern, ist nicht in Ordnung. Da müssen wir mit Russland ein ernstes Wort reden, meine sehr verehrten Damen und Herren. Da kann eine solche Pipeline auch eine wichtige Brücke sein. Das möchte ich ganz klar auch in Richtung der AfD sagen.
Kommen wir jetzt aber zurück zu den Trump-Argumenten. Trump sagt doch, dass wir uns mit dieser Pipeline von Russland abhängig machen. Das Gegenteil ist doch der Fall. Umgekehrt wird ein Schuh draus. Russland ist auf die Devisen, auf das Geld aus Europa angewiesen. Ehrlich gesagt, halte ich es für richtig und besser, wenn wir russisches Gas abnehmen, als wenn sich Russland Richtung China orientieren würde. Ich glaube, das kann nicht der Weg sein, den wir gehen wollen, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Darüber hinaus ist das Argument ja auch nicht ganz ernst gemeint. Herr Trump macht sich ja nicht wirklich Sorgen und hat auch keine schlaflosen Nächte, weil er Angst hat, dass Deutschland, dass sich Europa jetzt in die Hände Putins begibt. Nein, es geht ihm doch um etwas ganz anderes.
(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Richtig!)
Herr Trump möchte sein überteuertes gefracktes US-LNG nach Deutschland bringen, meine sehr verehrten Damen und Herren. Darum geht es doch Herrn Trump wirklich.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)
Ehrlich gesagt sollte – das muss man in aller koalitionärer Freundschaft Herrn Altmaier oder Herrn Hirte, also dem Wirtschaftsministerium, mal sagen – der Herr Altmaier in Richtung Amerika etwas deutlichere Worte finden. Aber statt dort auch kritisch zu sein und den Argumenten standzuhalten, hat er am 12. Februar 2019 zu einer deutsch-amerikanischen LNG-Konferenz eingeladen. Ich finde, das sind die falschen Signale gegenüber den USA.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Ich zitiere jetzt Sigmar Gabriel; das kommt nicht oft vor. Aber Sigmar Gabriel hat gesagt:
Sanktionspolitik ist weder ein geeignetes noch ein angemessenes Instrument zur Beförderung nationaler Exportinteressen und der heimischen Energiebranche.
Recht hat Sigmar Gabriel. Ich wünschte mir vom amtierenden Wirtschaftsminister auch solche klaren Signale Richtung USA, meine sehr verehrten Damen und Herren.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Hinzu kommt doch, dass wir genau das in den 80er-Jahren gemacht haben. Ein Blick ins Geschichtsbuch hilft.
(Otto Fricke [FDP]: Wer war Außenminister?)
Auch da war es doch ganz klar so, dass die Amerikaner versucht haben, Druck auf Deutschland und Europa zu machen, damit wir weniger Gas von Russland, von der damaligen UdSSR, abnehmen. Wir waren standhaft und haben vor den Amerikanern nicht gekuscht. Das waren deutlich schwierigere Zeiten, als sie es heute sind. Insofern: Auch da erwarten wir von unserem Wirtschaftsminister einen etwas härteren Einsatz für die Interessen von Deutschland und Europa, meine sehr verehrten Damen und Herren.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Steffen Kotré [AfD]: Deswegen dieser Antrag!)
Ich sage Ihnen: „Europe United“, auch bei Nord Stream 2; denn es geht hier nicht um ein deutsch-russisches Projekt. Unternehmen aus fünf Ländern sind beteiligt: Russland, Frankreich, Österreich, Holland und Deutschland. Das Gas, das aus Russland kommt, fließt nur zu einem ganz kleinen Teil nach Deutschland. Viel Gas leiten wir weiter. Zwei Drittel soll von der Anlandestation in Lubmin zur österreichischen Energie-Erdgas-Drehscheibe Baumgarten transportiert und von dort nach ganz Europa umverteilt werden, meine sehr verehrten Damen und Herren. Insofern ist es ein europäisches Projekt.
Ich sage Ihnen: Selbst die Ukraine und Osteuropa können davon über die sogenannte Schubumkehr profitieren. Auch von dort versorgen wir dann mit dem Gas Osteuropa und die Ukraine. Ich finde, dass wir da auch solidarisch zu unseren Freundinnen und Freunden in der Ukraine stehen sollten. Wir sind dafür, dass wir den Dialog mit der Ukraine in dieser Frage fortsetzen sollten, da wir sie als wichtiges Transitland für russisches Erdgas weiter benötigen. Deswegen bin ich froh, dass auch die Bundesrepublik Deutschland unterstützt, dass es in naher Zukunft zu einem neuen Gastransitvertrag zwischen Russland und der Ukraine kommt. Den brauchen wir ganz dringend. Dafür brauchen wir auch Investitionen in das ukrainische Gasnetz. Da stehen deutsche und europäische Unternehmen bereit, um der Ukraine an dieser Stelle zu helfen, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Ich möchte, weil ich noch zwei Minuten Redezeit habe, auch etwas zur Gasbinnenmarktrichtlinie sagen. Es ist wichtig, dass wir sie heute in nationales Recht umsetzen. Ich lese in der „Bild“-Zeitung und jetzt gerade online im „Handelsblatt“, dass dazu im Wirtschaftsausschuss angeblich etwas beschlossen worden wäre und dass wir das sozusagen in einer Nacht-und-Nebel-Aktion umsetzen wollten. Ja, meine sehr verehrten Damen und Herren, es gibt einen europäischen Konsens. Die Gasbinnenmarktrichtlinie ist im Mai dieses Jahres von 27 der 28 EU-Länder beschlossen worden. Dahinter steht Europa, meine sehr verehrten Damen und Herren. Wir müssen diese Richtlinie jetzt in nationales Recht umsetzen, damit es hier Investitionssicherheit gibt.
(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Es ist für einen Rechtsstaat entscheidend, dass die Unternehmen Investitionssicherheit haben,
(Zuruf des Abg. Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
ganz egal, ob sie aus Russland, aus den USA oder wo auch immer kommen.
(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wir brauchen hier Investitionssicherheit. Deswegen wird diese Richtlinie eins zu eins umgesetzt.
(Beifall des Abg. Bernd Westphal [SPD])
Das ist gut für alle, die hier investieren, meine sehr verehrten Damen und Herren. Damit kann Nord Stream 2 fristgerecht fertiggestellt werden. Mittlerweile sind auch schon über 80 Prozent der Leitungen verlegt. Auch Dänemark hat endlich die Genehmigung erteilt. Das ist eine gute Nachricht für diese Pipeline.
Ich sage Ihnen ganz klar und deutlich, auch für die Sozialdemokratie, damit da keine Missverständnisse aufkommen: Wir brauchen Erdgas, auch aus Russland, für eine Übergangszeit, um die Energiewende in Deutschland hinzubekommen. Wir haben den Kohleausstieg bis 2038. Wir haben den Atomausstieg bis 2022. Da brauchen wir für eine Übergangszeit auch Gas aus Russland. Aber klar ist: Auch dieses Gas muss perspektivisch grüner werden.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen alles Gute, und ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Für die Fraktion Die Linke hat das Wort der Kollege Klaus Ernst.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7400231 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 124 |
Tagesordnungspunkt | Energieversorgung -Nord Stream 2- |