Alexander UlrichDIE LINKE - Aktuelle Stunde zum Arbeitsplatzabbau in der Automobilindustrie
Liebe Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Gremmels, von Ihrer Rede könnte ich vieles unterschreiben, aber den letzten Satz natürlich nicht:
(Beifall der Abg. Pia Zimmermann [DIE LINKE])
dass die SPD die Partei der Arbeit ist. Da hätte man Agenda 2010, Hartz IV, prekäre Beschäftigung nicht zugelassen. Das ist das Gegenteil von einer Partei der Arbeit.
(Beifall bei der LINKEN – Zurufe von der SPD: Oh! – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Recht hat er!)
Die heutige Aktuelle Stunde auf Antrag der AfD entwickelt sich zum Rohrkrepierer. Wenn sich die AfD wirklich Gedanken über die Arbeitsplätze in der Automobilindustrie machen würde, dann dürfte sie nicht den menschengemachten Klimawandel leugnen. Denn wer das leugnet und damit allem Veränderungsbedarf eine Absage erteilt, der gefährdet Hunderttausende Arbeitsplätze in Deutschland. Deshalb ist das etwas, was Ihnen überhaupt niemand abnimmt.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Jan Ralf Nolte [AfD]: So ein Schwachsinn!)
Die AfD ist bei den Automobilbauern sowieso nicht gern gesehen.
(Dr. Dirk Spaniel [AfD]: Das liegt an Ihrer Diskriminierung!)
Ich bin IG-Metaller, früher war ich Opel-Betriebsrat. Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass der Faschist Björn Höcke, als er bei einer Demo in Eisenach war, von den Beschäftigten von Opel vertrieben wurde. Das war ein Richtsignal.
(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Die Beschäftigten von Opel, die Angst um ihre Arbeitsplätze haben, glauben keiner AfD und keinem Höcke.
Aber richtig ist, dass in der Automobilindustrie aufgrund der veränderten Antriebstechnologien rund 100 000 Arbeitsplätze wegfallen.
(Dr. Rainer Kraft [AfD]: Hört! Hört!)
Ein Batterieauto hat nicht so viel Wertschöpfung wie ein Verbrennungsmotor.
(Dr. Rainer Kraft [AfD]: Leugnen wir das auch, oder was?)
Auch die IG Metall sagt: Da werden wohl 100 000 Arbeitsplätze wegfallen;
(Dr. Rainer Kraft [AfD]: Oh!)
aber es werden auch neue entstehen.
(Timon Gremmels [SPD]: So ist es! – Dr. Rainer Kraft [AfD]: Vielleicht! Die sind geplant!)
Deshalb ist das die entscheidende Frage. Volkswirtschaftlich – da bin ich mir sicher – werden durch diese Veränderungen keine Arbeitsplätze wegfallen. Wenn wir die Energie aus erneuerbaren Energiequellen gewinnen, die Windkraft wieder ausbauen und noch mehr Batteriezellenfertigungen nach Deutschland holen, werden wir am Schluss eine positive Arbeitsplatzbilanz haben.
(Beifall des Abg. Timon Gremmels [SPD])
Das ist wahr, aber dafür muss noch einiges getan werden.
(Beifall bei der LINKEN)
Ich sage deshalb ganz deutlich: Die Bundesregierung muss endlich mit ihrem Dogma der schwarzen Null und der Schuldenbremse aufhören. Denn: Wenn wir das alles fördern wollen, wenn wir die Chancen erkennen wollen, muss der Staat eine aktive Industriepolitik betreiben und deutlich in diese Mobilitätswende investieren. Das wäre richtig; das muss getan werden. Da haben Herr Altmaier und sein Ministerium noch viel Luft nach oben.
(Beifall bei der LINKEN – Jutta Krellmann [DIE LINKE], an die AfD gewandt: Hören Sie mal zu!)
Wir werden – auch das sage ich ganz deutlich – Regionen haben, die davon profitieren, möglicherweise auch durch die Tesla-Ansiedlung. Wir werden aber auch Regionen haben, die unter diesen Veränderungen leiden. Herr Luksic, ich gebe Ihnen recht, dass auch das Saarland stark von diesen Veränderungen betroffen ist.
(Oliver Luksic [FDP]: Westpfalz auch!)
Ich komme aus der Westpfalz. Wir sind nebendran, wir sind auch stark davon betroffen. Es wird so sein wie bei der Kohle: Wir werden Strukturprobleme in einigen Regionen bekommen.
(Dr. Dirk Spaniel [AfD]: Aber es geht doch nicht alles!)
Der Staat muss diese Regionen – ähnlich wie beim Kohleausstieg – strukturpolitisch unterstützen, damit dieser Wandel auch gestaltbar ist.
(Beifall bei der LINKEN – Oliver Luksic [FDP]: Keine falsche Planwirtschaft!)
Die Menschen machen das alles mit. Auch die Arbeitnehmer machen das alles mit, wenn sie wissen: Sie sind nicht die Verlierer auf dieser Position.
Herr Luksic, wo ich Ihnen widerspreche, ist Folgendes: Sie sprechen von der IG Metall;
(Oliver Luksic [FDP]: Mitglied der Linkspartei! Bundestagskandidat!)
es mag sein, dass das so ist. Ich bin IG-Metaller, und ich war auch auf dem Gewerkschaftstag in Nürnberg vor wenigen Wochen. Die IG Metall bekennt sich eindeutig zu den Pariser Klimaschutzzielen
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Oliver Luksic [FDP]: Aber nicht zu den CO
und sagt ganz deutlich: Wir müssen das tun. – Sie steht auch dazu, dass bis 2030 jedes zweite Auto auf der Straße ein Elektroauto sein wird. Dazu bekennt sich die IG Metall. Gleichzeitig sagt sie aber: Der Staat muss eine aktive Industriepolitik betreiben.
(Dr. Dirk Spaniel [AfD]: Planwirtschaft!)
Der Staat muss deutlich mehr in die Infrastruktur investieren. Der Staat muss den Menschen helfen, durch Qualifizierung und Weiterbildung neue, andere Jobs auszuüben. – Auch wir als Linke bekennen uns dazu. Ja, der Vorschlag der IG Metall zum Transferkurzarbeitergeld muss umgesetzt werden, damit die Menschen Chancen haben, andere Arbeitsplätze zu bekommen.
(Beifall bei der LINKEN)
Diese Aktuelle Stunde wird zu einem Rohrkrepierer auch aufgrund der Entscheidung von Tesla von vor zwei Tagen. Überall wird darüber geredet. Das Saarland sagt: Schade, dass es nach Brandenburg geht; wir wären dran gewesen. – Auch in Rheinland-Pfalz hat man das gedacht. Jedes Bundesland sagt jetzt: Wir wären knapp auch dabei gewesen. – Jeder hat sich darum bemüht, dieses Tesla-Werk zu bekommen. Mir ist erst einmal egal, wo es hinkommt. Ich bin froh, dass diese Entscheidung zeigt: Auch batterieangetriebene Fahrzeuge können viele Tausende Arbeitsplätze schaffen.
(Dr. Dirk Spaniel [AfD]: Welcher Ihrer Wähler fährt Tesla? – Dr. Alice Weidel [AfD]: Die Leute können sich doch gar keinen Tesla leisten! Das ist ein Luxussegment!)
Hier in der Region wird von 10 000 geredet. Das ist ein tolles Signal an den Autostandort Deutschland.
Tesla macht aber auch den deutschen Automobilherstellern klar: Sie haben jahrelang die Entwicklung verschlafen. Sie haben sich mehr um Schummelsoftware gekümmert,
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
als den Trend im Bereich Elektromobilität vorzugeben.
Aber ich sage auch ganz deutlich: Arbeitsplätze sind nur dann Arbeitsplätze, wenn es gute Arbeitsplätze sind. Tesla und Musk aus Kalifornien ist bekannt dafür, dass er zu den größten Gegnern der amerikanischen Gewerkschaften gehört. Er hat einen richtigen Kampf gegen amerikanische Gewerkschaften geführt. Ich rufe Tesla zu: Wenn Sie investieren wollen, wenn Sie politische Unterstützung bei der Ansiedlung haben wollen, dann gilt für uns ab dem ersten Tag: Tarifverträge, Mitbestimmung und Betriebsrat.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Wer das nicht einführen will, ist bei uns nicht willkommen.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der LINKEN)
Der nächste Redner: für Bündnis 90/Die Grünen der Kollege Cem Özdemir.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7401659 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 127 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde zum Arbeitsplatzabbau in der Automobilindustrie |