14.11.2019 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 127 / Tagesordnungspunkt 12

Joana CotarAfD - Internet Governance

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kollegen! Ende November tagt das Internet Governance Forum in Berlin. Netzexperten aus der ganzen Welt werden zusammen über politische, rechtliche und technische Fragen des Internets diskutieren – eine tolle Sache, die der Ausschuss Digitale Agenda aktiv begleitet.

CDU/CSU und SPD nutzen dieses Ereignis nun für einen Antrag, der da lautet: „… Internet Governance Forum für ein offenes und freies globales Netz“. Sie verzeihen, dass ich schon beim Titel lachen muss, werte Kollegen von der Koalition. Ausgerechnet Sie, die Parteien, die in den letzten Jahren mit Hingabe die Bekämpfung der Freiheit im Internet vorangetrieben haben, ausgerechnet Sie fordern jetzt ein freies und globales Netz. So viel Chuzpe muss man erst mal haben!

(Beifall bei der AfD)

Ausgerechnet Sie, die Erfinder des NetzDGs und Durchpeitscher der Uploadfilter, reden davon, das freie Internet erhalten zu wollen. Wie dreist kann man eigentlich sein?

(Beifall bei der AfD)

Sie stellen hier Schaufensteranträge, die toll klingen, die den Bürgern weismachen sollen: „Schaut, wir kümmern uns um euch, wir kämpfen für die Freiheit“, und in Wirklichkeit tun Sie das genaue Gegenteil.

(Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Das können sie ja!)

Beispiel Netzwerkdurchsetzungsgesetz: ein in weiten Teilen verfassungswidriges Gesetz, das wie kein anderes die Meinungsfreiheit im Internet einschränkt. Um nicht gesperrt zu werden und die Löschung des eigenen Profils zu riskieren, schreiben viele Menschen nicht mehr das, was sie denken.

(Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Lächerlich, Frau Kollegin!)

Die Studien der letzten Zeit zeigen es: Die Mehrheit der Deutschen fühlt sich in ihrer Meinungsfreiheit eingeengt, bei bestimmten Themen müsse man vorsichtig sein, was man sagt. – Nie im Leben hätte ich gedacht, dass es in einem freien und demokratischen Land wie Deutschland wieder einmal so weit kommen kann.

(Beifall bei der AfD)

Wir haben letzte Woche 30 Jahre Mauerfall gefeiert. Anstatt aus der Geschichte zu lernen, feiern in Deutschland das Denunziantentum und die Zensur Wiederauferstehung.

(Lachen des Abg. Tankred Schipanski [CDU/CSU])

Aber wissen Sie was, einigen diente Ihr fabelhaftes Gesetz tatsächlich als Vorlage: Autoritäre Regime wie Venezuela, Vietnam, Belarus, Russland oder Honduras, sie haben das NetzDG kopiert und nutzen es als Tarnung für die Zensur und Unterdrückung ihrer eigenen Bürger. „ Herzlichen Glückwunsch“, kann man da nur sagen! Wir haben einen neuen Exportschlager. Ich hoffe, Sie sind stolz darauf.

(Beifall bei der AfD)

Wir von der AfD haben bereits im Dezember 2017 einen Gesetzentwurf zur Aufhebung des NetzDGs vorgelegt. Er wurde jetzt zum fünften Mal von der Tagesordnung des Ausschusses gestrichen, nachdem er bereits 2018 zigmal abgesetzt wurde.

(Zurufe von der SPD)

Sie wollen sich damit nicht beschäftigen, weil Ihnen die jetzige Beschneidung der Meinungsfreiheit noch nicht weit genug geht. Sie arbeiten bereits an einer Verschärfung des NetzDGs. Gummiparagrafen sollen dann jeden notwendigen Spielraum bieten, um missliebige Meinungsäußerungen zu bestrafen.

Wissen Sie, wann mir der Begriff „Hetze“ zum ersten Mal begegnet ist? Mein Vater wurde in Rumänien unter der Herrschaft von Ceausescu zu zwölf Jahren Haft verurteilt – angeblich, weil er gegen den Staat gehetzt hat. Merken Sie etwas, meine Damen und Herren? Merken Sie, was passiert, wenn die Politik bestimmt, was Hetze ist?

Auch im neuen UN-Bericht des Beauftragten für Meinungsfreiheit taucht das NetzDG wieder auf – als Negativbeispiel. Es sei unscharf formuliert und führe zu Overblocking. Der damit verbundene Handlungsdruck führt automatisch zum Einsatz von Uploadfiltern, Technologien, die Inhalte sperren, noch bevor sie auf den Plattformen landen.

Und da sind wir beim zweiten Thema: Uploadfilter. Vor der Abstimmung auf EU-Ebene haben sich Internetpioniere wie der Erfinder des World Wide Web, Tim Berners-Lee, öffentlich an die EU-Abgeordneten gewandt. Uploadfilter würden aus dem offenen und freien Internet „ein Werkzeug für die automatisierte Überwachung und Kontrolle der Nutzer machen“. Plattformen würden gezwungen, eine „Infrastruktur für die Überwachung und Zensur tief in ihre Netze einzubetten“. Das hat Sie nicht interessiert. Der Haupttreiber der Uploadfilter auf EU-Ebene war Axel Voss, CDU-Mitglied; Katarina Barley von der SPD hat zugestimmt. Und Sie beschweren sich in Ihrem Antrag jetzt tatsächlich darüber, dass das offene und freie Netz weltweit bedroht ist? – Stimmt, auch durch Sie, liebe Vertreter der Regierungsparteien!

(Beifall bei der AfD)

Da müssen Sie nicht mit dem Finger auf Russland oder China zeigen; es zeigen drei Finger auf sie zurück.

Ihr jetziger Antrag wirkt auf mich wie blanker Hohn. Dass die Regierungsparteien jetzt auch noch von der Regierung, also Ihren eigenen Leuten, einen schnellen Internetausbau fordern – plus 24 weitere Forderungen –, weil die Regierung, also Ihre eigenen Leute, seit Jahren in Sachen Digitalisierung ihre Hausaufgaben nicht macht, rundet das Absurde für mich ab.

Der FDP-Antrag geht dagegen in die richtige Richtung: Wahrung der Meinungsfreiheit, Ende-zu-Ende-Verschlüsselung, keine Nachschlüssel für Internetprotokolle, keine Backdoors oder Zero-Day-Exploits. Das hat die AfD bereits im Mai dieses Jahres in ihrem Antrag „Freiheit im Internet – Bürgerrechte stärken" gefordert.

(Manuel Höferlin [FDP]: Wir auch! Schon lange!)

Schön, dass wir uns da einig sind, liebe Kollegen.

(Beifall bei der AfD)

Die Koalition sollte dagegen im Duden den Begriff „Freiheit“ noch einmal nachschlagen. Vielleicht hilft Ihnen auch ein Zitat von Nestroy:

Die Zensur ist das lebendige Geständnis der Großen, daß sie nur verdummte Sklaven …, aber keine freien Völker regieren können.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7401829
Wahlperiode 19
Sitzung 127
Tagesordnungspunkt Internet Governance
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