27.11.2019 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 130 / Tagesordnungspunkt I.10

Heiko Maas - Auswärtiges Amt

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich komme gerade von der Personalversammlung im Auswärtigen Amt. Vielleicht ist die Personalversammlung im Auswärtigen Amt ja ein ganz guter Spiegel für Erfolg oder Misserfolg von Haushaltsberatungen. Denn letztlich sitzen dort diejenigen, die unsere Außenpolitik oft unter schwierigsten Bedingungen im Ausland gestalten, nämlich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes. Die, kann ich Ihnen sagen, freuen sich über diesen Haushalt.

Ehrlich gesagt: Wenn man einen Haushalt hat, der im Verfahren noch einmal wesentlich aufgestockt worden ist und der mittlerweile auf einen Rekordwert von nie dagewesenen fast 6 Milliarden Euro kommt, dann fällt es mir schwer, zu verstehen, wie man das noch kleinreden kann. Ich frage mich: Was wollen Sie denn noch? Einen Rekord-Rekord-Haushalt, einen Hyperrekord-Haushalt? Ich sage Ihnen auch: Jeder, der heute hier in der Opposition ist, würde sich, wenn er in der Regierung wäre und diesen Haushalt vorlegen könnte, darüber freuen und das hier ganz anders verkaufen. Das gehört auch zur Wahrheit.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ja, das hat etwas mit gestiegenen Anforderungen an die Außenpolitik zu tun. Ich will Ihnen nur einige Beispiele nennen:

In Genf ist endlich das Verfassungskomitee für Syrien zusammengekommen. Monatelang ist darüber gestritten worden. Wir haben das ganz maßgeblich unterstützt – politisch, logistisch, finanziell –, und wir werden das auch weiterhin tun. Wir werden auch weiterhin darauf drängen, dass dieses Komitee kein Feigenblatt wird, sondern sich alle, und damit auch das Assad-Regime, ernsthaft engagieren, um für die politische Lösung, die dieser Konflikt braucht, einen Beitrag leisten zu können.

Gestern war António Guterres in Berlin. Wir haben darüber gesprochen, welchen Beitrag Deutschland leisten kann, damit die unterschiedlichen Formate, die es gibt – die Small Group auf der einen und die Astana-Group auf der anderen Seite –, näher zusammenkommen, um den Weg freizumachen für eine politische Lösung.

In Libyen gibt es mittlerweile den sogenannten Berlin-Prozess. Unter der Führung von Deutschland werden seit einigen Wochen Gespräche mit Anrainerstaaten, aber auch mit den Libyern selber darüber geführt, wie wir eine politische Lösung für diesen Krieg finden können, der schon viel zu lange andauert und der sich im Moment wirklich in einer Art und Weise in diesem Land breitmacht, von der wir dachten, dass wir sie schon hinter uns gelassen hätten.

Zum Ukraine-Konflikt werden wir am 9. Dezember ein Gipfeltreffen des Normandie-Formates haben. Auch hier sind wir zusammen mit unseren französischen Freunden führend dabei, das, was wir an positiver Dynamik haben, seitdem Selenskyj Präsident ist, hinzuleiten in eine Wiederbelebung des Minsker Prozesses.

In Afghanistan haben uns die Vereinigten Staaten zusammen mit Norwegen darum gebeten, nach einer Wiederaufnahme der Verhandlungen mit den Taliban eine Friedenskonferenz zu veranstalten, in der die Taliban und die afghanische Regierung einen Friedensvertrag schließen sollen.

Im Jemen gibt es erste positive Signale, dass die Huthis und die Saudis miteinander sprechen, und zwar unmittelbar. Martin Griffiths, der Beauftragte der Vereinten Nationen, hat angefragt, ob wir die Friedensgespräche, die daraus folgen sollen, dann auch tatsächlich in Deutschland stattfinden lassen würden, im Nachgang zu den Gesprächen, die es in Stockholm im Dezember letzten Jahres gab.

Wer das sieht und wer über die Verantwortung Deutschlands in der Welt spricht, der muss zur Kenntnis nehmen, dass in all diesen Krisen, mit denen wir es im Moment zu tun haben, Deutschland mittlerweile meistens die führende Rolle bei der Konfliktlösung übernommen hat. Ich finde, das ist eine gute Art und Weise, Verantwortung in der Welt zu übernehmen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Das gilt auch für den Sicherheitsrat. Dort geht es nicht nur um Krisendiplomatie, sondern auch um Krisenprävention. Wir setzen die Themen nukleare Abrüstung, Klimawandel und Frauenkonflikte auf die Tagesordnung. Wir haben dazu auch Ergebnisse erzielt, die dort bisher leider nicht zu erzielen gewesen sind.

Das, was hier diskutiert worden ist, ist der große Aufwuchs bei der humanitären Hilfe. Wenn man sich bei so vielen internationalen Konflikten engagiert, dann wird auch erwartet, dass man materielle Beiträge liefert, um den Menschen vor Ort zu helfen, und dass man einen Plan hat, wie diese Länder wieder aufgebaut werden. Also: humanitäre Hilfe, Stabilisierung, Ertüchtigung. Was dazu im Haushalt steht, ist eine gute Grundlage.

Auch in Europa werden wir gefordert sein, und zwar noch stärker als bisher. Im November beginnt unser Vorsitz im Ministerkomitee des Europarates, und wir stehen auch in den Startlöchern für die EU-Ratspräsidentschaft in der zweiten Hälfte des nächsten Jahres. Aufgaben gibt es mehr als genug: die Ausgestaltung möglichst enger künftiger Beziehungen zu Großbritannien, die Umsetzung einer echten europäischen Außenpolitik gegenüber Ländern wie Russland oder China, die Verhandlungen über den Finanzrahmen für die nächsten sieben Jahre und – was uns schon gelungen ist und was in diesem Haushalt steht; Doris Barnett hat es erwähnt – der Aufbau von Krisenmanagementfähigkeiten, auch mit Blick auf die Konflikte in unserer Nachbarschaft. Dazu werden wir in Berlin im kommenden Jahr ein europäisches Exzellenzzentrum gründen und damit ganz wesentlich auch hier die führende Rolle in Europa übernehmen.

Das Gleiche gilt für die NATO. Ja, bei allen Diskussionen über die NATO: Wir haben uns innerhalb der Bundesregierung sehr geschlossen gegenüber der Öffentlichkeit festgelegt. Wir wollen, dass die NATO, die wir brauchen, und auch das transatlantische Verhältnis zukunftsfähig gemacht werden. Ja, wir müssen über die Vorschläge reden, die es gibt, aber dazu brauchen wir vernünftige Prozesse; denn es nützt nichts, ständig neue Vorschläge zu machen, ohne dass es irgendein Ergebnis gibt. Eine sogenannte Wiseman-Group – die letzte Vorsitzende der Wiseman-Group war übrigens Madeleine Albright – wurde eingerichtet und so die Grundlagen dafür gelegt, dass man gemeinsam eine strategische Plattform hat, auf der man innerhalb der NATO arbeitet. So arbeitet man eben in internationalen Organisationen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, zum Schluss will ich erwähnen, dass wir all das nicht alleine tun und dass wir nicht alleine stehen. Unserer Allianz für den Multilateralismus gehören mittlerweile über 60 Länder an. Wir treiben gemeinsam acht konkrete Initiativen voran, von Abrüstung bis hin zum Menschenrechtsschutz. Was wir bewegen können, hat sich gerade in Genf gezeigt, wo sich auf unsere Initiative hin 125 Staaten nach jahrelangen Verhandlungen auf Leitprinzipien für den Umgang mit Letalen Autonomen Waffensystemen festgelegt haben.

Alles in allem: Die deutsche Außenpolitik ist nicht disruptiv, sie ist das Gegenteil davon. Sie setzt vielmehr der disruptiven Realität etwas entgegen. Unsere Beiträge zur Lösung internationaler Konflikte sind nichts anderes als Beiträge für mehr Frieden auf der Welt. Dafür sind wir mit diesem Haushalt gut ausgestattet.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:] Amen!)

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Roland Hartwig für die AfD-Fraktion.

(Beifall bei der AfD)

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Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7404272
Wahlperiode 19
Sitzung 130
Tagesordnungspunkt Auswärtiges Amt
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