Christian HaaseCDU/CSU - Altschulden der Kommunen und Wohnungsunternehmen
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will mich an die Vorgaben halten: Ich wünsche Ihnen allen ein frohes Weihnachtsfest und danke allen für alles.
Meine Damen und Herren, wir sprechen heute über einen Antrag, der den Anschein erweckt, der Bundestag wäre jetzt am Zug. Die Linke preist in ihrem Antrag den Altschuldenfonds als Allheilmittel für Kommunalfinanzen. Doch damit arbeitet man ausschließlich an den Symptomen und geht nicht an die Wurzeln. Wir sollten immer skeptisch sein, wenn uns einfache Lösungen für komplexe Probleme vorgeschlagen werden. Das ist viel zu kurz gedacht. Allein die mangelnde Begründung des Antrags zeigt doch, dass man hier sehr populistisch mit einem ernsten Problem umgeht.
(Fabio De Masi [DIE LINKE]: Ich habe ihn doch gut begründet!)
Das wird den Sorgen der betreffenden Kommunalpolitiker in Deutschland in keinster Weise gerecht.
Doch erst einmal zur Analyse der Situation. Die Finanzlage der Kommunen ist heterogen, und man kann wirklich keine allgemeinen Schlüsse ziehen. Insgesamt profitieren natürlich auch die Kommunen von der guten Lage der öffentlichen Haushalte und erzielten in den letzten Jahren Überschüsse. Das ist aber nicht überall so und führte nicht dazu, dass es gerade in den Kommunen, über die wir heute sprechen, möglich war, die angehäuften Kassenkredite abzubauen.
Auch die Ursachen für die Verschuldung sind sehr unterschiedlich. Das hat die Kommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse“ in ihrer Arbeitsgruppe auf vielen Seiten festgestellt und gezeigt, dass Bund und Länder und die kommunalen Spitzenverbände unterschiedliche Meinungen haben.
Kommen wir nun zu diesen Ursachen. Das fängt mit dem Kommunalisierungsgrad und den dafür im kommunalen Finanzausgleich zur Verfügung gestellten Mitteln an. Wie ich bereits mehrfach erwähnt habe: Die Situation ist in jedem Bundesland anders. Leider fehlt trotz der Grundlage im Grundgesetz und der Ausgestaltung in den Landesverfassungen der konkret durchsetzbare Anspruch auf eine aufgabenangemessene Finanzausstattung gegenüber den Ländern. Ich hoffe sehr, dass die rheinland-pfälzische Stadt Pirmasens und der Kreis Kaiserslautern nun vor dem Bundesverfassungsgericht in dieser Frage gegenüber ihrer rot-gelb-grünen Landesregierung recht bekommen und die Landesregierung ihre Versäumnisse nachholt.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Der zweite Ansatz bei den Ursachen betrifft die hohen sozialen Ausgaben, die einerseits auf einen nicht bewältigten Strukturwandel zurückzuführen sind und zum anderen wiederum mit dem Kommunalisierungsgrad dieser Aufgaben zusammenhängen. Das trifft insbesondere mein Heimatland Nordrhein-Westfalen – soweit mir bekannt, das Land mit dem höchsten Kommunalisierungsgrad in ganz Deutschland. Den roten und später rot-grünen Landesregierungen ist es nicht gelungen, den Strukturwandel insbesondere in den Ruhrgebietsstädten intensiver zu begleiten. Die Wirtschaftsschwäche des Landes hat deren Einnahmen geschmälert und damit auch den vertikalen Finanzausgleich.
Im Gegenteil: Es lässt sich gut nachvollziehen, dass der Kassenkreditbestand stieg, nachdem das Land 1986 – ja, 1986 fing es an – den kommunalen Anteil an den Steuereinnahmen von 28 auf 23 Prozent gekürzt hat. Das Gift der Kassenkredite hat sich dann schleichend über das ganze Land breitgemacht, ohne dass die damaligen Landesregierungen lange Zeit bereit waren, hier gegenzusteuern.
Hier kann ich den betroffenen Städten aktuell selbst keine großen Vorwürfe machen. Diese haben sich ja gegen diese Situation gestemmt, als deren Kassenkreditbestand langsam anstieg. Ähnliches gilt für andere Landesteile, zum Beispiel für ländliche strukturschwache Regionen. Bei denen ist zwar das Kassenkreditproblem in der Regel nicht so groß; aber nur größte Sparanstrengungen haben ein solches verhindert.
Eine Zahl, die das Ausmaß klarmacht: 2015 – und damit schon nach einiger Zeit des wirtschaftlichen Aufschwungs einerseits und einem Stärkungspakt des Landes andererseits – schafften nach den Zahlen der NRW-Landesregierung nur 29 der 430 Kommunen einen echten Haushaltsausgleich. Die Lage bessert sich nun mit der kommunalfreundlicheren Politik der schwarz-gelben Regierung deutlich; aber es ist nun mal schwer, einen Tanker herumzureißen.
(Bernhard Daldrup [SPD]: Hallo?! Also!)
Und wenn auf die Sozialgesetze gezeigt wird, die auf Bundesebene beschlossen wurden, so kann ich nur sagen: Das war schon immer so. Die Länder kriegen Ausgleich über Umsatzsteuerpunkte oder andere Dinge, und im Bundesrat wird dann auch zugestimmt. Aber es wäre dann ihre Pflicht gewesen, diese finanziellen Vorteile auch tatsächlich an die Kommunen weiterzuleiten.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Das ist in den betroffenen Ländern leider oft nicht geschehen. Aber um das im Einzelnen nachzuweisen, bräuchte man sicherlich eine aufwendige Studie.
Wir haben also drei Ursachen; denn wir müssen fragen: Erhalten die Kommunen von ihren Ländern entsprechend dem Kommunalisierungsgrad aufgabenangemessene Finanzmittel? Haben die Länder Entlastungen vollständig weitergeleitet? Und wie sieht die wirtschaftliche Lage in einem Bundesland, einer Region oder letztlich einer Kommune aus? Es ist eine Binsenweisheit: Eine gute Wirtschaftspolitik ist die beste Finanzpolitik.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Karsten Klein [FDP])
Für mich als Bundestagsabgeordneten und ehemaligen Bürgermeister ist klar: Hier gibt es keine einfachen Lösungen. Wir müssen strukturell ran. Und wenn wir das sagen, müssen wir als Erstes fragen: Wer ist dafür verantwortlich? Da liegt der Ball wieder bei den Ländern. Sie sind – man kann es nicht oft genug wiederholen – für eine aufgabenangemessene Finanzausstattung der Kommunen verantwortlich, und das sollten Sie, Herr De Masi, eigentlich auch wissen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Da an dieser Stelle oft von Essen gesprochen wird: Es ist einerseits richtig, dass Essen mit 2,2 Milliarden Euro die höchsten Kassenkredite hat. Aber ich glaube, es muss andererseits auch mal erwähnt werden, dass der CDU-OB Kufen es in kurzer Zeit mit solider Haushaltspolitik in Unionsmanier geschafft hat, diesen Haushalt auszugleichen. Das ist eine tolle Leistung; das müssen wir auch mal anerkennen.
(Beifall bei der CDU/CSU – Pascal Meiser [DIE LINKE]: Wie sieht es denn in Essen aus?)
Aber in Essen ist, wie auch in vielen Städten in Rheinland-Pfalz, die Notlage mittlerweile so groß, dass zu wenig Personal da ist, um vernünftig Förderanträge auszufüllen und die Bundes- und Landesmittel, die zur Verfügung stehen, entsprechend abzugreifen; gleichzeitig hat man die Altschulden im Rücken. Das ist keine Situation, die die Länder ruhig schlafen lassen kann.
Wir haben auf Bundesebene die Probleme erkannt und die Kommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse“ eingesetzt. Ich glaube, unsere Aufgabe ist es, in der Strukturpolitik etwas draufzulegen. Damit meine ich die Aufstockung der Mittel für die GAK und die GRW. Ich glaube, darüber sollten wir uns in den nächsten Jahren vorrangig unterhalten.
(Zuruf des Abg. Stefan Schmidt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Lassen Sie mich kurz das eine oder andere zu den Sozialkosten erwähnen. Wir haben die Kommunalinvestitionsprogramme auf den Weg gebracht: 7 Milliarden Euro. Wir haben den DigitalPakt auf den Weg gebracht: 5 Milliarden Euro. Und da wir bei den Sozialkosten sind: Für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsunfähigkeit stehen jährlich 7 Milliarden Euro zur Verfügung. Auf der anderen Seite leisten wir kommunale Unterstützung mit 5 Milliarden Euro jährlich; das sind frei zu verwendende Mittel. Für die U3-Betreuung stehen 4 Milliarden Euro und für die Ganztagsbetreuung 2 Milliarden Euro zur Verfügung, zur Steigerung der Qualität in den Kitas 5,5 Milliarden Euro. Hier zu behaupten, der Bund habe an dieser Stelle nichts getan, ist in meinen Augen komplett falsch.
(Beifall bei der CDU/CSU – Volkmar Vogel [Kleinsaara] [CDU/CSU]: Wenn es denn auch bei den Kommunen ankommt!)
Letzter Punkt: die Flüchtlingskosten. Hier entlasten wir die Kommunen in zwei Jahren alleine mit 6 Milliarden Euro.
Also, ich glaube, es gibt an dieser Stelle gute Beispiele; man kann nach Hessen oder ins Saarland schauen. Das sind Länder, die etwas gemacht haben. Deshalb glaube ich, dass es wichtig ist, dass die Länder ihre Hausaufgaben erst mal selbst machen; das ist auch in den Beschlüssen der Bundesregierung niedergelegt. Liebe Länder, gucken Sie in die anderen Länder, wie die es gemacht haben. Stärken Sie die Wurzeln der Demokratie. Stärken Sie die kommunale Selbstverwaltung. Lassen Sie auch gerade zu Weihnachten Ihre Kommunen nicht im Stich.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Das Wort hat der Abgeordnete Stefan Keuter für die AfD-Fraktion.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7409370 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 138 |
Tagesordnungspunkt | Altschulden der Kommunen und Wohnungsunternehmen |