20.12.2019 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 138 / Zusatzpunkt 23

Gökay AkbulutDIE LINKE - Aktuelle Stunde - Globales Flüchtlingsforum und Grundrechtekatalog

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir alle haben gehofft, dass die AfD uns diese Woche nicht ihren völkischen Nationalismus und Rassismus auf die Tagesordnung setzt,

(Jan Ralf Nolte [AfD]: Sie tun mir leid, Frau Akbulut!)

aber dann haben Sie doch eine Aktuelle Stunde zum Globalen Flüchtlingsforum in Genf beantragt. Ihnen fällt einfach nichts Neues mehr ein, um im Grunde genommen Ihre Hetze und Ihre Verschwörungstheorien unterzubringen.

Ihre Methoden sind uns ja bekannt. Denn schon Ende letzten Jahres haben Sie in Ihrer Aktuellen Stunde zum Globalen Flüchtlingspakt Ihre Kampagne mit Falschinformationen, Lügen und persönlichen Denunziationen verbreitet. Damals haben Sie über Drohszenarien Ihre Verschwörungstheorien propagiert. Herr Friesen von der AfD sprach von einem gigantischen Umverteilungsprogramm, mit dem weitere Flüchtlinge nach Deutschland und Europa umgesiedelt werden sollen.

(Martin Hebner [AfD]: Passiert ja!)

Und was passierte? Nichts von dem, was Sie an Hetze und Fake News verbreitet haben.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Dr. Harald Weyel [AfD]: Nur eine Drittelmillion statt einer halben Million!)

Ich muss Ihnen sogar sagen: Das Gegenteil ist der Fall. Es kommen nicht mehr Schutzsuchende nach Deutschland, sondern sogar sehr viel weniger – weniger als die Bundesregierung in ihrem eigens angelegten sogenannten Korridor für Zuwanderung festgelegt hat.

Deutschland hat dementsprechend sogar noch Aufnahmekapazitäten. Dabei wäre es gut und wichtig, dass Deutschland Verantwortung übernimmt, so wie wir als Linksfraktion das mit unserem Antrag zur Aufnahme unbegleiteter minderjähriger Schutzsuchender aus den Hotspots in Griechenland fordern.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Kapazitäten für eine Aufnahme gäbe es, und wie wir in den letzten Tagen und Wochen gesehen haben, wird die Situation vor Ort in Griechenland immer schlechter. Laut Berichten von Ärzte ohne Grenzen verletzen junge Menschen sich selber oder versuchen sogar, sich umzubringen. Diese Zustände sowohl in den Hotspots als auch an den Grenzen der Europäischen Union sind schlichtweg eine Schande für die EU.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Hotspots, die wie Gefängnisse aufgebaut sind, wo Menschen keine medizinische Versorgung erhalten und teilweise sogar in Schichten schlafen müssen, dürfen nicht Standard europäischer Flüchtlingspolitik sein. Wir haben jetzt Winter, und es gibt keine festen Unterkünfte vor Ort. Dabei besteht die reale Gefahr, dass Menschen sterben werden, so wie schon in den letzten Jahren. Gerade diejenigen, die am meisten unter diesen desaströsen Bedingungen leiden, also die unbegleiteten minderjährigen Schutzsuchenden, sollten hier aufgenommen werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Sehr geehrte Damen und Herren, das Globale Flüchtlingsforum dient dem Ziel, Flüchtlingsschutz international besser zu gestalten. Das begrüßen wir als Linke natürlich.

(Jan Ralf Nolte [AfD]: Das sind Migranten!)

Es ist aber auch ein Schritt in die richtige Richtung, wenn Außenminister Heiko Maas in Genf auf dem Globalen Flüchtlingsforum mitteilt, dass Staaten sich solidarisch zeigen sollen und dass es insgesamt mehr Solidarität im Umgang mit Flüchtlingen geben soll. Derzeit ist allerdings das Gegenteil der Fall, egal wo wir hinschauen. Immer mehr Staaten verweigern eine humanitäre Aufnahme und handeln häufig sogar völkerrechtswidrig, wenn Menschen ihre Grenzen überqueren. Da brauchen wir nicht weit zu schauen. Das kann man sogar innerhalb der EU beobachten.

Blicken wir auf die Situation auf dem Balkan. Kroatien beispielsweise hat massive Völkerrechtsbrüche begangen, indem es Schutzsuchende gewaltvoll und unrechtmäßig im Rahmen illegaler Push-backs nach Bosnien-Herzegowina zurückgewiesen hat.

(Martin Hebner [AfD]: Die schützen ihre Grenzen! – Gegenruf von der LINKEN: Einfach mal zuhören!)

Und die kroatische Präsidentin gibt das in einem Interview sogar öffentlich zu. Das müssen Sie sich mal vorstellen: Das Land, das jetzt die EU-Ratspräsidentschaft übernimmt, begeht an den EU-Außengrenzen offen massive Menschenrechtsverletzungen, und Deutschland und alle anderen EU-Staaten schweigen einfach dazu.

Wenn es um Flüchtlingspolitik geht, macht sich die EU auch weiterhin von Staaten wie der Türkei erpressbar. Das darf einfach nicht sein. Wir als Linke haben den EU-Türkei-Deal von vornherein kritisiert; denn er ist nichts anderes als ein Instrument, um Abschottungspolitik zu betreiben.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deutschland und die EU dürfen in der Flüchtlingsfrage nicht weiter mit autoritären Regimen, wie dem der Türkei, das selbst völkerrechtswidrige Kriege führt und Menschen zur Flucht zwingt, zusammenarbeiten.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber nicht nur durch die Türkei, sondern auch durch Griechenland gibt es Rechtsbrüche. Im Rahmen dieses Deals sollen inzwischen von Griechenland über 60 000 Menschen illegal in die Türkei zurückgewiesen worden sein. Das, was wir brauchen, sind wirksame Mittel, um diese Rechtsbrüche von Staaten zu verhindern.

(Beifall bei der LINKEN)

Deshalb brauchen wir eine Stärkung der individuellen Rechte von Schutzsuchenden auf europäischer Ebene, aber auch auf internationaler Ebene. Der Global Compact on Refugees und das Engagement im Rahmen des Globalen Flüchtlingsforums sind dabei wichtige Bausteine, und wir hoffen natürlich, dass sich die Situation für die betroffenen Menschen in den nächsten Jahren verbessern wird.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und eine schöne Weihnachtszeit.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Filiz Polat, Bündnis 90/Die Grünen, ist die nächste Rednerin.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7409834
Wahlperiode 19
Sitzung 138
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde - Globales Flüchtlingsforum und Grundrechtekatalog
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