17.01.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 141 / Zusatzpunkt 11

Klaus MindrupSPD - Ausweitung des EU-Emissionshandels

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Herr Bernhard, ich bin wirklich fassungslos. Die Wälder in Australien brennen, in Brasilien hat es gebrannt, unsere Wälder haben gebrannt, die Wälder in Kalifornien und Nordamerika haben gebrannt, die Ozeane erwärmen sich.

(Karsten Hilse [AfD]: Aber doch nicht wegen des Klimas! Schwachsinn!)

Wir sehen, dass der Klimawandel stattfindet. Das ist erwiesen und bewiesen.

(Karsten Hilse [AfD]: So ein Quatsch! Das ist eben nicht bewiesen!)

Sie werden Ihrer Verantwortung hier nicht gerecht. Das ist unverantwortlich im Hinblick auf kommende Generationen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Florian Toncar [FDP] – Karsten Hilse [AfD]: Unverantwortlich ist Ihr Handeln! Erzählen Sie doch nicht so einen Unsinn!)

Jetzt komme ich zur FDP. Als ich Ihren Antrag gelesen habe, war ich froh, dass sich Herr Lindner bei den Jamaika-Verhandlungen in die Büsche geschlagen hat. Das, was Sie hier vorlegen, ist ein Antrag der sozialen Kälte. Sie wollen den Strukturwandel allein dem Markt, einem anonymen Markt, überlassen. Sie wollen nichts steuern; Sie lassen die Menschen und die Regionen beim Strukturwandel allein.

(Frank Sitta [FDP]: Blödsinn!)

Das ist mit der SPD nicht zu machen.

(Beifall bei der SPD)

Da Sie davon sprechen, dass wir mit Geld nicht umgehen können, muss ich Sie daran erinnern, wie teuer Ihr Ausstieg aus dem Atomausstieg war.

(Frank Sitta [FDP]: Weil Ihnen nichts anderes einfällt!)

Dafür bezahlen wir noch jahrzehntelang, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD)

Ich bin froh, dass wir jetzt ein Klimaschutzgesetz haben. Das Klimaschutzgesetz ist das Fundament unserer Klimapolitik. Wir haben zum 1. Januar 2020 das Bahnfahren billiger gemacht, weil es umweltfreundlich ist. Wir haben das Fliegen teurer gemacht. Wir, diese Große Koalition, investiert Milliarden in die Bahn. Wir verbessern den öffentlichen Nahverkehr. Wir bringen dieses Land voran. Wir haben endlich die steuerliche Förderung der energetischen Gebäudesanierung auf den Weg gebracht; wir stocken die Fördermittel für die energetische Gebäudesanierung auf. Wir gehen voran. Wir haben den Emissionshandel eingeführt, auch für Brennstoffe und den Verkehr. Ab 2027 gibt es in diesen Bereichen eine Deckelung und eine vernünftige Übergangsphase, damit das Ganze sozialverträglich ist. Klimaschutz trägt den Namen dieser Regierung, trägt den Namen der SPD; denn wir sind diejenigen, die hier vorangegangen sind.

(Beifall bei der SPD – Dr. Florian Toncar [FDP]: Jetzt müssen es nur noch die Wähler mitbekommen, Herr Kollege!)

Die Arbeit geht natürlich weiter. Jetzt geht es mit dem Kohleausstiegsgesetz voran.

(Karsten Hilse [AfD]: Sie machen die nächsten Arbeitsplätze kaputt! Alle nach Hause schicken! Dann ist es hier aber dunkel!)

Ich hoffe, wir bekommen bald den entsprechenden Entwurf aus dem Bundeskabinett. Dann kommt das Gesetz zur Förderung des Strukturwandels in den Kohleregionen. Wir werden das Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz verbessern, das Erneuerbare-Energien-Gesetz. Wir werden das Gebäudeenergiegesetz bekommen. Wir werden die Elektromobilität im Wohnungseigentumsgesetz fördern. Und es wird weitere Gesetze geben; denn dieses Land muss klimafreundlich umgebaut werden.

(Beifall bei der SPD)

Ich bin Frans Timmermans sehr dankbar, dass er bei uns im Umweltausschuss war und gesagt hat: Man darf in erster Linie nicht an die Kosten denken, man muss an das Ziel denken. – Er hat an die deutsche Einheit, an die Friedliche Revolution erinnert. Damals haben wir es auch so gemacht. Wir haben gesagt: Das ist notwendig. – Am Ende hat es funktioniert, auch wirtschaftlich.

(Frank Sitta [FDP]: Man muss aber auch an die Kosten denken!)

Das ist ein gutes Beispiel. Die Solidarität von Frans Timmermans und der Europäer ist auf unserer Seite.

(Beifall bei der SPD)

Die Vorschläge in dem FDP-Antrag, den wir jetzt diskutieren, haben wir ja schon mehrfach gehört. Ich frage die Kolleginnen und Kollegen der FDP: Wissen Sie es nicht besser? Oder wollen Sie es nicht besser wissen? Ich habe in der Schule gelernt: Falsche Lösungen werden nicht dadurch richtig, dass man sie immer wiederholt.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Frank Sitta [FDP]: Oh, jetzt spricht der Lehrer!)

Jetzt fangen wir mal mit dem europäischen Emissionshandel an, mit Ihrer Erfolgsgeschichte. Ich bin auch ein Unterstützer des europäischen Emissionshandels. Er ist im Jahr 2005 eingeführt und 2017 reformiert worden. Deswegen funktioniert er jetzt besser. Barbara Hendricks, damals die Umweltministerin der SPD, hat dafür gekämpft, dass dieser Emissionshandel schärfer wurde.

(Beifall bei der SPD – Timon Gremmels [SPD]: So ist es!)

Aber begonnen wurde er im Jahr 2005. Im Jahr 2005 gab es noch kostenfreie Zuteilungen von Emissionszertifikaten für Kohle- und Gaskraftwerke. Warum war das damals so? Das war damals so, weil es keine Alternative gab. Aber in Deutschland hat man im Jahr 2000, mit Wirksamkeit zum 1. Januar 2002, das Erneuerbare-Energien-Gesetz eingeführt. Die SPD und Hermann Scheer waren das.

(Beifall bei der SPD)

Damit gab es eine Alternative, Kraftwerke ohne fossile Emissionen zu betreiben. Dass es diese Alternative gibt, hat heute dazu geführt, dass es kostenfreie Zuteilungen der Emissionszertifikate nicht mehr gibt.

Wenn Sie sich anschauen, was im letzten Jahr passiert ist: Es war der Siegeszug der erneuerbaren Energien,

(Karsten Hilse [AfD]: Ganz genau! Siegeszug der Erneuerbaren!)

der zur Senkung der Emissionen geführt hat. Das ist dem Erneuerbare-Energien-Gesetz zu verdanken, vor allen Dingen dem Einspeisevorrang der erneuerbaren Energien, der Vergütung und dem vernünftigen Ausbaupfad. Das hat nichts mit dem Emissionshandel zu tun. Das haben wir hier gemacht.

Was der Emissionshandel bewirkt hat, ist ein Umstieg von Kohle auf Erdgas, weil die Brennstoffe günstiger geworden sind. Nur da sehen Sie den Einfluss. Das zeigt, dass ein Emissionshandel kurzfristig wirkt, aber langfristige Sicherheit bringt er nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Dr. Lukas Köhler [FDP]: Der einzige Sektor, der langfristig funktioniert! Bleib doch mal bei den Fakten, Klaus!)

– Nein, die Fakten sind eindeutig. Das kann man ganz klar sehen. Das sieht man nämlich auch an der Debatte, die wir darüber haben, wie wir unsere Industrie umstellen. Wir wollen als Sozialdemokraten unsere Stahlindustrie erhalten, wir wollen unsere Zementindustrie erhalten, unsere Kupferindustrie, unsere Chemieindustrie und unsere Aluminiumindustrie,

(Beifall bei der SPD)

aber sie sollen klimafreundlich sein. Im Augenblick bekommen sie noch überwiegend kostenfreie Zertifikate. Das geht natürlich nicht. Wir müssen sie umbauen. Deswegen sagt die EU: Wir müssen unseren Markt schützen. – Und das muss man europäisch machen. Wir sind nämlich ein europäischer Wirtschaftsraum.

Auf der einen Seite brauchen wir Forschung und Technologie für Wasserstoff, das Voranbringen alternativer Technologien, den Ausbau der Erneuerbaren. Auf der anderen Seite sagen wir: Umweltdumping darf es nicht geben, und wir gucken an der Grenze des europäischen Wirtschaftsraums, dass hier keiner mit CO

(Beifall bei der SPD)

Wir brauchen jetzt – das wird die Debatte in den nächsten Monaten zeigen – ganz klar einen Ausbau der Erneuerbaren im Strombereich

(Timon Gremmels [SPD]: So ist es!)

und keine geschönten Stromprognosen, bei denen man davon ausgeht, dass der Stromverbrauch in Deutschland sinkt. Strom ist eine Effizienztechnologie. Wir brauchen Strom im Verkehr, übrigens auch im Nahverkehr. Dass in Bayern noch Dieselloks fahren, geht nicht. Das muss wie in Schleswig-Holstein umgestellt werden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wir werden Strom auch in der Chemieindustrie brauchen. Die Chemieindustrie braucht mehr Strom, als wir im Augenblick in Deutschland produzieren. Wir können das mit den Erneuerbaren schaffen, weil die Erneuerbaren vorangehen und immer effizienter und kostengünstiger werden, liebe Kolleginnen und Kollegen.

In meinen letzten Sätzen komme ich noch zum FDP-Antrag.

(Zurufe von der FDP: Oh!)

Wenn Sie sagen, wir sollen den europäischen Emissionshandel auf den Verkehr ausweiten, dann – das sagen Ihnen alle Sachverständigen – kaufen sich die SUV-Fahrer frei, und die deutsche energieintensive Grundstoffindustrie geht pleite. Das ist Unsinn. Das ist industriepolitisch und sozialpolitisch unverantwortlich.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich komme zum Ende und möchte Willy Brandt zitieren: Klimaschutz ist nicht alles, aber ohne Klimaschutz ist alles nichts.

(Beifall bei der SPD – Karsten Hilse [AfD]: Das hat Willy Brandt gesagt?)

Nächster Redner ist der Kollege Lorenz Beutin, Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7414146
Wahlperiode 19
Sitzung 141
Tagesordnungspunkt Ausweitung des EU-Emissionshandels
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