17.01.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 141 / Tagesordnungspunkt 20

Johannes SchrapsSPD - Deutsche EU-Ratspräsidentschaft 2020

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Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich versuche mal, etwas weniger hysterisch fortzufahren. Einige von denen, die in den ersten Reihen sitzen und schon ein bisschen länger dabei sind, werden meine Krawatte sofort erkannt haben: Es ist die Krawatte der letzten deutschen EU-Ratspräsidentschaft. Die habe ich vor 13 Jahren – ein bisschen jünger war ich – während eines Praktikums beim Europäischen Gewerkschaftsinstitut geschenkt bekommen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das war in der ersten Hälfte des Jahres 2007. Damals waren die Krawatten ganz offensichtlich noch ein bisschen breiter.

(Heiterkeit bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Gunther Krichbaum [CDU/CSU]: Breite Brust!)

Damals wie heute ist die deutsche Ratspräsidentschaft übrigens in einer gemeinsamen Trio-Präsidentschaft mit Portugal und Slowenien. Damals hat das gut geklappt. Aber auch damals war es keineswegs eine einfache Zeit. Die Referenden in Frankreich und den Niederlanden hatten den europäischen Verfassungsprozess seinerzeit ziemlich zum Erliegen gebracht, und Deutschlands Initiative war gefragt, um eine neue, gemeinsame Grundlage für die EU zu finden. Beim Rat in Brüssel verständigten sich die Mitgliedstaaten damals auf gemeinsame Kernpunkte eines neuen EU-Vertrages inklusive der Funktionen des Präsidenten des Europäischen Rates und einer Hohen Vertreterin für Außen- und Sicherheitspolitik.

Statt eines europäischen Verfassungsvertrages führten die Verhandlungen dann kurze Zeit später – wir wissen das heute – zum Abschluss des Vertrages von Lissabon, der seit 2009 in Kraft ist und der auch aktuell die Grundlage für unser friedliches Zusammenleben in der Europäischen Union ist. Das war 2007 eine maßgebliche Weiterentwicklung Europas.

Auch heute haben wir ganz sicher keine leichten Zeiten. Mit der Brexit-Entscheidung ist es erneut eine Volksabstimmung, die uns in Europa vor große Herausforderungen stellt, wahrlich nicht die einzige Herausforderung. Aber auch deshalb haben wir Sozialdemokraten darauf gedrängt, dass das Thema Europa im Koalitionsvertrag dieser Bundesregierung ganz nach vorne gestellt wird.

(Zuruf des Abg. Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Auch wenn zweifellos Ziele noch auf ihre Umsetzung warten – der mehrjährige Finanzrahmen ist angesprochen worden; aber der hängt auch mit anderen Dingen zusammen –, gibt es in vielen Bereichen, die wir uns in der Koalition zu Europa vorgenommen haben, bereits sehr gute Entwicklungen. Gerade Finanzminister Olaf Scholz – Staatssekretärin Bettina Hagedorn ist anwesend – hat mit zahlreichen Initiativen zur Weiterentwicklung der Bankenunion dazu beigetragen und ist gemeinsam mit anderen Ländern wichtige Schritte zu einem faireren Steuersystem in Europa gegangen.

Zur Finanztransaktionsteuer gibt es nach vielen Jahren endlich eine grundlegende Verständigung.

(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bei der Digitalsteuer ist nichts passiert!)

Und auch bei der Unternehmensbesteuerung hat die EU-Kommission den deutsch-französischen Vorschlag für eine einheitliche Bemessungsgrundlage bei der Körperschaftsteuer aufgegriffen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Auch die Vorschläge zur europäischen Arbeitslosenrückversicherung haben wichtige Impulse für die europäische Debatte gegeben.

(Zuruf des Abg. Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Mit Blick auf das soziale Europa waren die Überarbeitung der Entsenderichtlinie und die Gründung der Europäischen Arbeitsbehörde wichtige Schritte für die Stärkung des Prinzips „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort“. Genauso, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wollen wir die EU-Ratspräsidentschaft nutzen, weiter für ein starkes und solidarisches Europa zu arbeiten.

(Beifall bei der SPD)

Wenn ich mir den Grünenantrag anschaue, dann sehe ich dort ganz schön viel Unterstützung für diesen Weg. Der Antrag ist ja recht umfangreich – das hat der Kollege Hacker richtigerweise angemerkt –, sodass sich jeder seinen Bereich rauspicken kann. Ich finde es sehr auffällig, dass ich viele Punkte aus dem sozialen Bereich darin wiederfinde. Ein Satz ist mir dabei besonders ins Auge gefallen:

Eine erfolgreiche Klima- und Nachhaltigkeitspolitik … kann nur gelingen, wenn es auch den Rückhalt und Zusammenhalt in der Gesellschaft dafür gibt.

Ganz genau.

(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das schreiben wir aber schon seit Jahren!)

Wir Sozialdemokraten nennen das „Klimaschutz, Wirtschaft und Soziales gemeinsam und zusammen denken“.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Matthias Miersch und andere – auch Michael Roth hat gerade darauf hingewiesen –

(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist echt nicht neu in unseren Anträgen!)

haben genau das während der Debatten zum Klimapaket hier an diesem Pult in den vergangenen Monaten schon verschiedentlich deutlich gemacht.

(Zuruf des Abg. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich kann nur sagen: Schön, wenn man nach langen Debatten politische Mitstreiter gewinnt, die sich vom sozialdemokratischen Weg überzeugen lassen, liebe Grüne.

(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben unsere alten Anträge offensichtlich nicht gelesen!)

Aber dass sich irgendwann auch andere für gute sozialdemokratische Vorschläge begeistern, liebe Kolleginnen und Kollegen, kennen wir ja mittlerweile auch aus vielen Jahren Großer Koalition.

Um wichtige inhaltliche Vorhaben umsetzen zu können, muss Europa aber nach innen und nach außen stark bleiben und zu seinen Werten stehen. Deshalb halte ich es für außerordentlich wichtig, den Schutz von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit auch in unserer Ratspräsidentschaft zu einer wichtigen Priorität zu machen.

(Beifall bei der SPD)

Wenn sich europäisches und nationales Recht widersprechen, dann gilt der Grundsatz, dass Europarecht angewendet werden muss. Das gehört zu den fundamentalen Grundsätzen der Europäischen Union. Eine Umkehrung dieses Prinzips – durch welchen Mitgliedstaat auch immer – ist in meinen Augen nicht zu tolerieren, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wir wollen auch deshalb – das hat Staatsminister Roth angesprochen – den Rechtsstaatlichkeitsdialog zwischen den EU-Mitgliedstaaten vorantreiben, ihn auf Augenhöhe führen und dazu den Austausch mit allen Staaten, unter anderem auch mit unseren mittelosteuropäischen Nachbarn, intensiv pflegen.

Genau wie 2007 spüren wir die große Verantwortung für Europa. Genau wie 2007 gibt es große Erwartungen an die deutsche Ratspräsidentschaft. Und genau wie 2007 werden wir alles dafür tun, damit europäische Interessen durch die deutsche Ratspräsidentschaft bestmöglich vertreten werden. Dafür setzen wir uns als SPD hier im Bundestag und –

Kollege Schraps, kommen Sie bitte zum Schluss.

– liebe Frau Präsidentin – auch im Rahmen der EU-Ratspräsidentschaft ein. Dafür ist es vollkommen egal, ob meine Krawatte grün, hellblau oder rot ist.

Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD – Norbert Kleinwächter [AfD]: Das ist wirklich egal!)

Das Wort hat der Kollege Konstantin Kuhle für die FDP-Fraktion.

(Beifall bei der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7414184
Wahlperiode 19
Sitzung 141
Tagesordnungspunkt Deutsche EU-Ratspräsidentschaft 2020
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