17.01.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 141 / Zusatzpunkt 20

Alexander UlrichDIE LINKE - Aktuelle Stunde - Deutschland als Automobilstandort erhalten

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die heutige von der AfD beantragte Debatte ist mal wieder etwas skurril. Der ursprünglich angedachte Titel der Aktuellen Stunde wurde schon erwähnt. Auch ich habe mich gewundert: Sind wir jetzt schon im Karneval oder im Fasching? „ Autoland abgebrannt“ – vielleicht wären Sie heute noch als Jim Knopf reingekommen. Na ja, so weit ging es nicht; Sie mussten den Titel dann doch ändern.

Aber eins kann man deutlich sagen: Die größte Gefahr für die Automobilindustrie in Deutschland und die Beschäftigung geht eigentlich von der AfD aus.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Lachen bei Abgeordneten der AfD)

Wer den Klimawandel und sämtliche Veränderungsprozesse leugnet – Sie haben das heute noch mal gezeigt –, ist eine Gefahr für Deutschland. Andererseits sind Sie keine Gefahr: Zum Glück sind Sie in keiner Landesregierung und nicht in der Bundesregierung vertreten.

(Zuruf von der AfD: Noch nicht! – Falko Mohrs [SPD]: Das bleibt auch so!)

Das wird auch noch lange so bleiben.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Enrico Komning [AfD]: Sie sind ein cooler Typ, Herr Ulrich! Starke Argumentation! Hass und Hetze im Parlament!)

Wenn es nach der AfD ginge, würde man wahrscheinlich heute noch für Brieftauben oder für den Heizer auf der E-Lok kämpfen.

(Zuruf von der AfD: Das haben doch die Gewerkschaften durchgesetzt!)

So kommt es mir auch in der Debatte um die Zukunft des Verbrennungsmotors vor.

Dabei ist es ja mittlerweile unstrittig, dass in Deutschland in Zukunft viel mehr Elektromobilität auf der Straße sein wird. Das bezweifelt auch niemand mehr; das bezweifelt weder ein Automobilkonzern noch der VDA, die IG Metall oder ein Betriebsrat in diesem Land. Alle wissen: In Zukunft wird es mehr Elektromobilität geben. Es ist nun mal so, dass in diesem Bereich weniger Arbeitsplätze gebraucht werden als im Bereich des Verbrennungsmotors.

(Enrico Komning [AfD]: Das fällt vom Himmel! Sicher!)

Man kann das jetzt leugnen und den Menschen Angst machen, wie Sie, oder man kann sagen: Lasst uns diesen Strukturwandel, den wir nicht verhindern können

(Enrico Komning [AfD]: Das ist das Ergebnis der Politik, Herr Ulrich! Das fällt doch nicht vom Himmel!)

und der sinnvoll ist, auch wegen des Klimawandels, so gestalten, dass die Menschen dadurch nicht verlieren oder hinten runterfallen, sondern die Chance bekommen, mit dem Strukturwandel zu guter Arbeit, anderer Arbeit und besserer Arbeit als heute zu kommen.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Enrico Komning [AfD]: Das sind doch Blasen, was Sie hier erzählen!)

Das ist doch die Aufgabe, vor der Politik steht. Das ist auch das, wozu ich stehe, und was auch der Automobilgipfel eigentlich ergeben sollte, wo VDA und IG Metall gemeinsame Erklärungen dazu abgegeben haben, was jetzt dringend notwendig ist. Die AfD sollte sich mal damit beschäftigen.

Es ist nun mal so – ich nehme jetzt mal die Zahlen vom VDA –, dass auch die Automobilindustrie in den nächsten Jahren, bis 2023, 50 Milliarden Euro in neue Antriebstechnologien investiert.

(Dr. Rainer Kraft [AfD]: Weil Sie die anderen verbieten! Hallo!)

Das machen die Unternehmen doch nicht deshalb, weil sie glauben, dass die Zukunft ausschließlich beim Verbrennungsmotor liegt. Die wissen auch, dass da jetzt etwas getan werden muss. Wenn wir in diesem Land die CO

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wir haben aber ein Problem. Die FDP ist eine Partei, die sagt: Der Markt wird alles regeln. – Dazu sage ich Ihnen ganz ehrlich: Wir stehen vor einer derartigen Transformation in unserem wichtigsten Industriezweig, dass das der Markt allein nicht mehr regeln wird.

(Otto Fricke [FDP]: Jetzt bin ich mal gespannt, warum!)

Hier muss der Staat mithelfen, damit diese Transformation gelingt.

Es gibt auch viele Vorschläge. Es muss – das ist das Thema von vorhin – deutlich mehr investiert werden als bisher, zum Beispiel in die Infrastruktur. Wir brauchen viel mehr Ladesäulen.

(Reinhard Houben [FDP]: Wenn VW nicht so viel Geld bezahlen müsste in den USA, könnten die auch mehr investieren!)

Auch da muss viel mehr gemacht werden. Herr Altmaier, da müssen Sie mal den Fuß von der Bremse nehmen. Da muss deutlich mehr gemacht werden, sonst fehlt die Infrastruktur, um so viele Autos bis 2030 auf die Straße zu bringen.

(Otto Fricke [FDP]: Also Ladeinfrastruktur als Daseinsvorsorge!)

Auch die Automobilindustrie selbst muss sich ein bisschen wandeln. Sie wird in Zukunft vielleicht nicht mehr nur ein reiner Automobilhersteller sein, sondern ein Mobilitätskonzern mit allem, was das mit sich bringt.

Darin liegt die große Herausforderung, bei der die Politik mithelfen muss: mit deutlich mehr Investitionen in Forschung und Entwicklung und deutlich mehr Investitionen in die Infrastruktur.

Wir müssen das auch sozialpolitisch flankieren. Ich finde die Vorschläge der IG Metall richtig gut. Sie sagt: Wir brauchen ein Transformationskurzarbeitergeld, das den Menschen eine Chance bietet, durch Weiterbildung und Qualifizierung für neue Arbeit fit gemacht zu werden. Eine Abkehr vom bisherigen Instrument der Kurzarbeit hin zu einem Übergangskurzarbeitergeld kann dafür sorgen, dass man für neue Bereiche qualifiziert werden kann.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir brauchen aber auch eine vorsorgende Strukturpolitik in den Regionen. Da muss das EU-Beihilferecht verändert werden. Wir haben heute ein System, bei dem man eigentlich nur in Regionen, wo die Krise schon vorhanden ist, tätig werden kann. Wir müssen das verändern, um Vorsorge betreiben zu können. Das gilt gerade für Regionen wie das Saarland, die Westpfalz oder auch manche Regionen in Thüringen, von denen wir wissen, dass der Strukturwandel zu großen Problemen führen wird. Wir müssen jetzt schon das Beihilferecht so anpassen, dass wir jetzt schon mehr machen können, als in der Vergangenheit möglich war.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich denke, die Politik muss auch auf Ebene der Europäischen Union dafür werben und dafür sorgen, dass das funktioniert, und wir müssen auch im Bundestag sozialpolitische Maßnahmen – Herr Heil will ja etwas vorbereiten; wir sind gespannt – umsetzen.

Eines sage ich aber auch: Wenn die Politik viel Geld in die Hand nimmt, wie möglicherweise bei Tesla oder bei Opel PSA in Kaiserslautern, wo ich herkomme, –

Die Zeit ist abgelaufen, Herr Kollege.

– dann muss das mit einer Zusage für Mitbestimmung, Tarifverträge und Arbeitsplätze verbunden werden.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Der nächste Redner: der Kollege Dieter Janecek, Bündnis 90/Die Grünen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7414415
Wahlperiode 19
Sitzung 141
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde - Deutschland als Automobilstandort erhalten
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