06.03.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 150 / Tagesordnungspunkt 24

Udo HemmelgarnAfD - Reduzierung von Bauvorschriften

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Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrtes Publikum auf den Tribünen! Wir haben an dieser Stelle bereits mehrfach über den Wohnungsmangel – insbesondere in den Metropolen unseres Landes – gesprochen. Parteiübergreifend sollte Einigkeit darin bestehen, dass mehr und vor allem schneller gebaut werden muss, um die Situation zu entspannen. Unsere beiden Anträge dienen genau diesem Ziel.

Mit dem ersten Antrag fordern wir die Aussetzung der Energieeinsparverordnung – zumindest so lange, bis der Wohnraum wieder für alle Menschen bezahlbar geworden ist. Man hat in Zeiten von Greta Thunberg keinen leichten Stand, wenn man einen solchen Antrag vorlegt, aber wir müssen den Blick auf die Realitäten in unserem Land richten. Generell kann der Politik in unserem Land ein wenig mehr Realitätssinn nicht schaden.

Die energetischen Vorgaben der EnEV haben in den Jahren 2000 bis 2017 zu Kostensteigerungen von bis zu 19 Prozent und damit zu einer erheblichen Verteuerung des Bauens geführt. Diese Verteuerung hat neben anderen Faktoren für einen deutlichen Anstieg der Mieten gesorgt.

Die Dämmvorschriften der EnEV sind dabei ein schönes Beispiel für die Überschreitung jeglichen Grenznutzens und das, was wir als „Dämmwahn“ bezeichnen. Während die ersten Zentimeter der Außendämmung im Hinblick auf den Wohnkomfort und unter energetischen Gesichtspunkten noch Sinn machen, fällt der Nutzen danach immer weiter ab. Es macht dann praktisch keinen Unterschied mehr, ob man 16 oder 30 Zentimeter Dämmung aufbringt. Trotzdem schreibt die EnEV am Ende natürlich die 30-Zentimeter-Dämmung vor.

Auch wenn derzeit noch der Grundsatz der anlassbezogenen Sanierung gilt: Die EnEV gibt den Eigentümern das Maß der Sanierung vor. Wenn der Eigentümer die Fassade sanieren möchte, wird er zur Einhaltung des EnEV-Standards verpflichtet, obwohl sich das für ihn weder finanziell noch in sonstiger Hinsicht lohnt. In der Folge entscheiden sich viele Eigentümer dann oftmals gegen die Sanierung und beschränken sich auf Reparaturen. Wir wissen, dass einige Vertreter des linken politischen Lagers schon jetzt von Zwangssanierungen träumen, deren Kosten dann bei den vermeintlich reichen Hausbesitzern hängen bleiben. Derartigen Ideen erteilen wir schon heute eine Absage.

(Beifall bei der AfD)

Um an dieser Stelle nicht missverstanden zu werden: Auch im politischen Programm der AfD haben Ressourcenschonung und Umweltschutz einen wichtigen Platz. Auch wir sind grundsätzlich dafür, dass Gebäude energetisch saniert werden, wenn das sinnvoll ist.

(Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, sind Sie nicht! Schauen Sie sich mal Ihre Anträge an! – Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Mann hat Humor!)

Das Was und das Wie der Maßnahmen muss aber den Eigentümern überlassen bleiben. Die meisten Eigentümer werden zur energetischen Sanierung bereit sein, wenn es für sie Sinn macht.

Richtig wäre es daher, wenn man den Fokus auf die Gebäude legen würde, die die größten energetischen Defizite haben. Das sind die Nachkriegsbauten, die bis Ende der 70er-Jahre errichtet und bislang noch nicht energetisch saniert wurden. Hier kann man mit relativ wenig Aufwand sehr viel erreichen. Die EnEV fördert demgegenüber das am meisten, was am teuersten ist. Das ist der Grund, weshalb energetische Sanierungen in den meisten Fällen für Eigentümer und Mieter unwirtschaftlich sind.

Die Bundesregierung hat nun den Entwurf des Gebäudeenergiegesetzes vorgelegt, das die EnEV und andere Vorschriften in einem Gesetz zusammenführt. Auch wenn damit derzeit keine Verschärfung der energetischen Standards verbunden ist, werden die teuren und überzogenen Anforderungen weiter zementiert, und die nächste Stufe der Verschärfung wird vorbereitet.

Daneben wird das Gebäudeenergiegesetz zu einem Anwachsen der Vorschriften von 80 auf 200 Seiten führen. In der Expertenanhörung wurde zwar gesagt, dass es für die Immobilienwirtschaft als einheitliches Regelwerk trotzdem leichter zu handhaben wäre. Wir glauben allerdings, dass dieser Zustand nur von kurzer Dauer ist und die Widersprüche schon mit der nächsten Änderung wieder aufbrechen werden. Die Fehler der EnEV werden bis auf Weiteres im Gebäudeenergiegesetz fortgeschrieben.

Meine Damen und Herren, über den Klimawandel und die Energieeinsparung mag man denken, was man will – wichtiger ist aus unserer Sicht in jedem Fall, dass jeder Mensch in unserem Land zu bezahlbaren Kosten ein angemessenes Dach über dem Kopf hat.

(Beifall bei der AfD)

Die Politik muss hier eine Entscheidung treffen. Sie muss entscheiden, ob sie den ideologisch motivierten Klimaschutz weiterhin auf Kosten der Menschen betreibt oder ob sie der berechtigten Forderung nach bezahlbarem Wohnraum nachkommt. Wir sind auf Ihre Entscheidung gespannt.

Man muss in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, dass die energetischen Regelungen nur einen Teil der Vorschriften des Baurechts bilden. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund beklagte jüngst in einem Positionspapier, dass sich die Anzahl der Vorschriften seit 1990 von 5 000 auf 20 000 vervierfacht hätte. Diese dramatische Steigerung betrifft alle Bereiche des Bau- und Baunebenrechts. Auch dieser Wildwuchs von Vorschriften trägt zur Steigerung der Kosten des Bauens und Wohnens bei.

Insbesondere für kleine und mittlere Betriebe wird es immer schwerer und aufwendiger, die für sie maßgeblichen Normen auszumachen und anzuwenden. Die zusätzlichen Vorschriften haben das Bauen weder besser noch sicherer gemacht, sondern nur komplizierter und teurer.

(Beifall bei der AfD)

Meine Damen und Herren, das nächste Drama ist mit der europäischen Bauprodukte-Verordnung bereits vorgezeichnet. Der unselige Drang, auf jede Herausforderung mit noch mehr Regulierung zu antworten, lähmt dieses Land im Wohnungsbau und an anderer Stelle. Es ist unsere Aufgabe, hier korrigierend einzugreifen.

Dem dient unser zweiter Antrag. Dabei geht es nicht nur darum, das weitere Anwachsen der Zahl der Vorschriften zu verhindern; es geht auch darum, die bestehenden Normen auf ihre Erforderlichkeit und ihren Nutzen zu prüfen. Erschwert wird diese Aufgabe dadurch, dass das Bauordnungsrecht Ländersache ist. Der Bund kann hier nicht direkt eingreifen; aber er kann und muss seine Möglichkeiten wahrnehmen, gemeinsam mit den Ländern auf eine weitere Vereinheitlichung des Baurechts hinzuwirken. Die derzeitige Musterbauordnung kann diesem Anspruch nur teilweise gerecht werden, da sie in der gegenwärtigen Struktur den Besonderheiten des städtischen und des ländlichen Raums nicht gleichzeitig gerecht werden kann.

(Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist denn der Unterschied zwischen einer Mauer im ländlichen und im städtischen Raum? Verstehe ich nicht! Erklären Sie es doch einmal!)

– Ja, lassen Sie es sich erklären. – Hier ist ein neuer, modularer Ansatz zu wählen, der diesen Gegebenheiten Rechnung trägt.

Meine Damen und Herren, wie eingangs bereits erwähnt, wird immer wieder bemängelt, dass in unserem Land zu langsam und zu kompliziert gebaut wird. Die Überwindung der Probleme auf den Wohnungsmärkten wird nur gelingen, wenn wir das Angebot an Wohnraum zügig vergrößern. Wir zeigen Ihnen mit unseren Anträgen Schritte auf, die Probleme zu lösen. Und an das Bauministerium gerichtet: Mit der Zustimmung zu unseren Anträgen würde Ihr Ziel von 375 000 neuen Wohnungen pro Jahr deutlich schneller erreicht.

(Ulli Nissen [SPD]: Das glauben Sie doch selber nicht!)

Danke schön.

(Beifall bei der AfD)

Nächster Redner ist der Kollege Michael Kießling, CDU/CSU.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Bernhard Daldrup [SPD])


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7432480
Wahlperiode 19
Sitzung 150
Tagesordnungspunkt Reduzierung von Bauvorschriften
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