06.03.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 150 / Tagesordnungspunkt 24

Hagen ReinholdFDP - Reduzierung von Bauvorschriften

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Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ihren Traum von Eisblumen an Kastenfenstern und der dazugehörigen Schwerkraftheizung, den träumen wir als Liberale ausdrücklich nicht.

(Beifall bei der FDP)

Und jedem sollte auch klar sein: Wenn ich ein Kastenfenster mit Sand, Zement und Kalk zusammengemischt einputze, brauche ich natürlich keine Vorschrift für die Eindichtung eines modernen Fensters. Wenn ich in meinen Keller gehe und Kohle in meinen Kessel schaufele, dann brauche ich selbstverständlich auch keine Vorschrift, wie eine ordentliche Heizung, die elektronisch gesteuert ist, mit einem Wärmetauscher und Pumpen dazu geregelt werden muss. Aber dieser Weg zurück ist der falsche. Ich sage Ihnen: Rezepte von vor 30 Jahren braucht kein Mensch auf dem Bau. Rezepte von vor 80 Jahren braucht kein Mensch in Deutschland zum Zusammenleben. Deshalb sind Ihre Rezepte überflüssig.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Mir scheint auch, dass Sie in Ihrer Fraktionssitzung kein Thema durchsetzen können, wenn man damit nicht auf jemanden einprügeln kann. Wir haben schon gehört: Flüchtlinge sind schuld am Wohnraummangel, die Klimareligion führt zur Verarmung der Bevölkerung; total fantastisch. Aber dass Sie sich ernsthaft darauf verstiegen haben, noch zu sagen: Die Menge an Vorschriften macht es den kleinen und mittleren Unternehmen in Deutschland unmöglich, sie umzusetzen. – 99,9 Prozent der Baufirmen in Deutschland sind kleine und mittlere Unternehmen. Ich führe selber eine. Wir könnten auch 50 000 Vorschriften haben. Ich würde sie trotzdem umsetzen, und zwar jede einzelne. Dazu ist unsere Bauwirtschaft in Deutschland nämlich in der Lage.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie des Abg. Bernhard Daldrup [SPD])

Sie aber unterstellen ihr das Gegenteil. Das ist eine Frechheit.

Genauso wenig kann ich verstehen – mein Vorredner ist darauf eingegangen –, wie man Brand- und Lärmschutzmaßnahmen, die ja eigentlich Gesundheitsschutz darstellen, in der Kosten-Nutzen-Analyse aufwiegen will. Wie viele Kosten setzen Sie dem Gesundheitsschutz gegenüber? Ich kann es nicht nachvollziehen. Wir müssen zeitgemäßer werden, was die TA Lärm betrifft; denn das Zusammenleben hat sich geändert. Aber wie Sie mit der Kosten-Nutzen-Analyse den Gesundheitsschutz der Bevölkerung aufwiegen wollen, erschließt sich mir in keiner Art und Weise.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Eine Analyse machen die doch gar nicht!)

Sie meinen, Barrierefreiheit, Brandschutz und Schallschutz und die EnEV widersprechen sich. – Bei der einen oder anderen Tür, die ich einbaue, sind Schallschutz und Brandschutz schwer miteinander in Einklang zu bringen. Was sich widerspricht, ist etwas ganz anderes – darauf kommen Sie noch nicht einmal –, nämlich zum Beispiel Stadtplanung und Barrierefreiheit. Die Stadtplaner sagen: Wir brauchen drei Stufen vor der Tür. – Damit ist aber die Barrierefreiheit des Gebäudes nicht gegeben. Deshalb muss ich einen eigenen Aufzug einbauen, der 100 000 Euro kostet. Das ist ein Problem. Oder der Denkmalschutz sagt: „Die Holzvertäfelung im Altbau bleibt drin“, während der Brandschutz sagt: Sie kommt raus. – Das kostet 50 000 Euro mehr. Das sind Probleme. Oder: Das Nutzungsprofil von Gebäuden im Altbestand zusammen mit der EnEV ist ein Problem. Ich baue ein Zimmer an, hinten dämme ich 24 Zentimeter und vorne nicht. Das sind Probleme, die man bewältigen und lösen muss. Aber auf so viel Sachverstand braucht man bei Ihnen nicht zu warten.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Wie kommen Sie darauf, dass die Landesbauordnung für Stadt und Land unterschiedlich werden soll? Ich habe es nicht verstanden. Ja, wir haben ein Problem mit den Landesbauordnungen, das auch ich ausmache. Die Landesbauordnungen setzen ausschließlich auf Neubau und nicht auf Altbau. Da haben wir ein Problem. Unsere Landesbauordnungen sind Neubauordnungen. Das muss man angehen. Aber im flachen Land sind die Gebäude vielleicht etwas flacher und in der Stadt etwas höher; einen Unterschied hinsichtlich der Bauordnungen erkenne ich trotzdem nicht.

Letztens und abschließend zum Gebäudeenergiegesetz. Ich will auf zwei, drei Sachen hinweisen, die auch bei der EnEV schon ein Problem sind. Wir haben Berechnungsformeln mit einem politischen Moment. Wir wissen, ab 6 Zentimeter flacht die Kurve bezüglich der Dämmwirkung ab, auch wenn man sie politisch gerne linear hätte. Das funktioniert nicht. Jeder kennt das: drei Hochhäuser nebeneinander: einmal Altbestand gelassen, einmal gedämmt, einmal die Heizung getauscht. – Was ist passiert? Wer die Heizung getauscht hat, hat Energie eingespart. Beim vollsanierten, nach EnEV gedämmten Haus werden 0,0 Prozent Heizkosten eingespart. Warum? Weil sich das Nutzungsverhalten der Leute geändert hat. Wenn nämlich auf einmal alles hübsch gedämmt ist, dann drehe ich die Heizung drei Grad höher und heize das letzte Zimmer auch noch.

Worauf ich abstellen will, ist: Lasst uns mehr daran arbeiten, dass wir die Primärenergie so sauber wie möglich machen, und weniger daran, dass wir bis zum Letzten alles ausnutzen, was die Dämmung betrifft; denn am Ende muss von der Erzeugung bis zur Entsorgung die Dämmung Sinn machen. Oftmals macht sie aber keinen Sinn. Wir kümmern uns oft mit Formeln darum, wie ein Standardnutzer in einem Standardhaus in Deutschland sein Standardleben führt. Das wird es nicht geben, und das ist nachweisbar so.

(Beifall bei der FDP)

Kollege Reinhold, Ihre Redezeit ist reichlich überschritten.

Das ist bedauerlich, und deshalb höre ich jetzt auf.

Bitte kommen Sie zum Ende.

Danke schön.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Nächster Redner ist der Kollege Timon Gremmels, SPD.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Andreas Lenz [CDU/CSU])


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7432487
Wahlperiode 19
Sitzung 150
Tagesordnungspunkt Reduzierung von Bauvorschriften
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