12.03.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 152 / Tagesordnungspunkt 11

Edgar FrankeSPD - Personalbemessung in Krankenhäusern

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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gute Pflege im Krankenhaus braucht immer einen fairen Rahmen. Eine bedarfsgerechte Pflegepersonalbemessung könnte Teil eines solchen Rahmens sein – das sage ich ausdrücklich Richtung Harald Weinberg –; denn Pflegekräfte, das ist so, stehen in unseren Krankenhäusern unter großem Druck. Warum ist das so? Auch Harald Weinberg hat es angesprochen: Weil die Einnahmen der Krankenhäuser aus den Fallpauschalen tatsächlich zweckentfremdet werden, und zwar für Investitionen; ich habe es gestern gesagt. Und zuständig für Investitionen sind eigentlich die Bundesländer. Für diese Investitionen sind die Fallpauschalen nämlich nicht gedacht – und trotzdem muss aus diesen viel Geld dafür erwirtschaftet werden. Das ist ein Strukturproblem.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, man rechnet ungefähr, dass dieses Jahr oder letztes Jahr 4 Milliarden Euro im Jahr fehlten; hochgerechnet auf die letzten zehn Jahre fehlten 30 Milliarden Euro. Diese Unterfinanzierung haben in der Vergangenheit – auch das muss man ausdrücklich sagen – die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Krankenhäusern und die Patienten ausbaden müssen. Deshalb müssen die Länder endlich mehr Geld in die Hand nehmen. Und wir müssen dafür sorgen, dass sich die Länder um eine bedarfsnotwendige Finanzierung der Krankenhäuser nicht drücken können. Sonst – das sage ich hier auch – ist die duale Krankenhausfinanzierung nicht mehr zu halten; das muss man hier im Bundestag ganz klar sagen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Verdi mahnt zu Recht an: Viele Pflegekräfte haben mit enormer Arbeitsverdichtung zu kämpfen. Wir als Politik, auch wir als Große Koalition, wir als Bund, wenn Sie so wollen, haben – Herr Krauß hat es gesagt – gehandelt. Wir haben die Pflegekosten aus den Fallpauschalen herausgelöst. Wir finanzieren komplett die Tarifsteigerung. Auch jede neue Pflegestelle wird zu 100 Prozent refinanziert. Wir haben zusätzlich in allen bettenführenden Abteilungen Personaluntergrenzen eingeführt. Also, es lohnt sich in Krankenhäusern nicht mehr, auf Kosten des Personals zu sparen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN und des Abg. Dr. Andrew Ullmann [FDP])

Auch dafür haben wir als Große Koalition gesorgt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, inzwischen refinanzieren wir also die Pflege ab diesem Jahr komplett. Das bedeutet: Egal wie viele Pflegekräfte eingestellt werden, sie werden von den Kassen bezahlt.

(Tino Sorge [CDU/CSU]: Das sind Versichertengelder! Nicht von den Kassen, sondern von den Versicherten!)

Das ist gut, und das ist richtig. Aber wir brauchen auch ein Korrektiv, sonst haben wir einen Vertrag zulasten Dritter. Die Kassen sollen ja nur die bedarfsnotwendige Pflege bezahlen müssen. Das, glaube ich, ist nachvollziehbar. Insofern könnte die an den tatsächlichen Bedürfnissen der Pflege ausgerechnete Personalbemessung ein ideales Korrektiv sein, um das zu begrenzen. Auch deswegen, aber nicht nur deswegen begrüßen wir als SPD-Fraktion grundsätzlich den Vorschlag der Pflegepersonalregelung, die PPR 2.0.

Der Vorschlag – auch das hat Harald Weinberg gesagt – wurde gemeinsam von der Deutschen Krankenhausgesellschaft, dem Deutschen Pflegerat und Verdi entwickelt – eine überraschende Koalition. Man fragt sich schon, wie der Hintergrund ist. Auf jeden Fall lohnt es sich, auf diesen Vorschlag einen Blick zu werfen.

Wir wissen ja, dass der Pflegebedarf im Krankenhaus auf Basis von Minutenwerten gemessen wird. Das ist sicherlich sinnvoll. Diese Minutenwerte sollen auch den individuellen Pflegebedarf der Patienten ermitteln, und sonstige Aufgaben ohne direkten Patientenbezug sollen hier eingerechnet werden.

Wir haben schon gehört, liebe Kolleginnen und Kollegen: Dem Gesundheitsministerium liegt der Vorschlag vor. Das Gesundheitsministerium hat dankenswerterweise festgestellt, dass es sich mit diesen Vorschlägen auseinandersetzen will. Wir Sozialdemokraten jedenfalls sind der Meinung: Der Vorschlag geht zumindest in die richtige Richtung. Wir müssen sicherlich immer aufpassen, dass solche Instrumente nicht zu unnötiger Bürokratie führen. Aber man braucht auch ein Stück weit Bürokratie, um zu dokumentieren, Herr Spangenberg.

Es ist so, dass wir klären müssen, ob wir die Personaluntergrenzen, die rote Haltelinie, vor Ort noch brauchen. Das muss sicherlich geprüft werden. Sie wissen: Aktuell haben wir diese Untergrenze ausgesetzt, um die Krankenhäuser im Zusammenhang mit dem Coronavirus zu unterstützen, um möglicherweise, wenn es ernst wird, einen flexiblen Pflegeeinsatz zu gewährleisten. Das ist vorausschauend und hat nichts mit der täglichen Praxis zu tun.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, es ist richtig, wenn wir uns alle an einen Tisch setzen, wenn wir zusammen Pflegepersonalbemessungsinstrumente diskutieren; denn Pflegekräfte brauchen etwas, was ihnen im Pflegealltag oftmals fehlt, nämlich Zeit; Zeit, um dem Patienten mehr Zuwendung entgegenzubringen. Ich muss eins ganz klar sagen: Empathie, menschliche Zuwendung lassen sich nicht durch Effizienz, nicht durch Standardisierungen und auch nicht durch noch so genaue Pauschalen ersetzen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und der LINKEN und des Abg. Dr. Roy Kühne [CDU/CSU])

Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Ende.

Ich komme zum Schluss. – Wir Sozialdemokraten wollen die Rahmenbedingungen in der Pflege weiter verbessern. Mehr Pflegekräfte, bessere Arbeitsbedingungen und auch mehr Geld in der Pflege: Das ist und bleibt der rote Faden sozialdemokratischer Gesundheitspolitik, aber das ist auch, denke ich, ein roter Faden unserer Koalitionsarbeit, die wesentlich besser ist, als sie manchmal dargestellt wird.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die FDP-Fraktion hat das Wort der Kollege Professor Dr. Andrew Ullmann.

(Beifall bei der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7433838
Wahlperiode 19
Sitzung 152
Tagesordnungspunkt Personalbemessung in Krankenhäusern
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