Marc JongenAfD - Gedenkstätte für Opfer des Zweiten Weltkrieges
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Ende des Zweiten Weltkriegs jährte sich am 8. Mai zum 75. Mal. Coronadringlichkeit schön und gut; es kann aber nicht sein, dass der Deutsche Bundestag keine halbe Stunde Zeit findet, um über den richtigen Umgang mit diesem erinnerungspolitisch so wichtigen Datum zu diskutieren.
(Beifall bei der AfD)
Nachdem von der Regierungskoalition nichts kam, hat also die AfD-Fraktion dieses Thema auf die Tagesordnung gesetzt. Und inzwischen nannte ja Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, gespenstisch einsam vor der Neuen Wache in Berlin stehend, den 8. Mai 1945 den „Tag der Befreiung“.
(Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Recht hat er!)
Und er fügte hinzu: „Damals wurden wir befreit. Heute müssen wir uns selbst befreien!“ Er zählt dann auf: von der „Versuchung eines neuen Nationalismus“, von „Abschottung“, „Fremdenfeindlichkeit“ und von „Hass und Hetze“, die nichts anderes seien – Zitat – „als die alten bösen Geister in neuem Gewand“.
(Marianne Schieder [SPD]: Recht hat er! – Martin Rabanus [SPD]: Ganz schlimme Entwicklungen!)
Diese politische Geisterbeschwörung des Bundespräsidenten gipfelte in der Losung: Scheitert Europa, dann scheitert das „Nie wieder!“!
Meine Damen und Herren und werter Herr Bundespräsident, ich rufe es Ihnen von dieser Stelle aus zu: Sie missbrauchen die Erinnerung an ein historisches Datum, um notwendige und legitime Debatten in der Gegenwart zu unterdrücken!
(Beifall bei der AfD)
Jeder, der die Nation als Garant der Demokratie verteidigt, der die skandalöse Politik der offenen Grenzen ablehnt oder der keinen zentralistisch regierten EU-Superstaat will, wird von ihnen quasi unter Nazigeneralverdacht gestellt.
(Marianne Schieder [SPD]: Nein, nein! Das war schon sehr differenzierter! Das wissen Sie genau!)
Das ist historisch und politisch abwegig, es spaltet die Gesellschaft, und es ist eines Bundespräsidenten unwürdig.
(Beifall bei der AfD – Marianne Schieder [SPD]: Das, was Sie hier tun, ist eines Abgeordneten unwürdig!)
Und eines noch: Sie können ja der Meinung sein, Herr Bundespräsident und viele hier im Saal ebenso, dass man Deutschland „nur mit gebrochenem Herzen lieben“ kann.
(Martin Rabanus [SPD]: So ein Quatsch!)
Ich sage Ihnen: Es gibt Deutsche – und es sind nicht wenige –, die ihre Heimat mit vollem Herzen lieben,
(Armin-Paulus Hampel [AfD]: Mit ganzem Herzen!)
und sie werden sich auch nichts anderes verordnen lassen von Ihnen.
(Beifall bei der AfD – Martin Rabanus [SPD]: Wer hat denn diesen Blödsinn aufgeschrieben?)
Doch kommen wir zu dem Schlagwort „Tag der Befreiung“, das Richard von Weizsäcker in seiner berühmten Rede 1985 durchaus noch differenzierter verwendet hat. SPD und Grüne wollen ja einen solchen Feiertag, wie man hört, Die Linke sowieso, in bester DDR-Tradition, wo es darum ging, mit dem Tag der Befreiung vom unfreien Charakter der SED-Diktatur abzulenken.
(Beifall bei der AfD)
Ja, natürlich, meine Damen und Herren, Deutschland und die Welt wurden am 8. Mai 1945 befreit: vom verbrecherischen NS-Regime und vom Ausnahmezustand der Vernichtung, den dieses in Europa entfesselt hatte. Es war ohne Einschränkung ein Tag der Befreiung für die von den Nazis verfolgten Gruppen: die Juden Europas, die überfallenen und misshandelten Nachbarvölker, auch für weite Teile des eigenen Volkes, soweit sie sich in Sicherheit befanden.
Aber – und diese Ambivalenz der Geschichte gilt es auszuhalten –: Es war eben keine Befreiung für die 2 bis 3 Millionen Deutschen, die in den ehemaligen deutschen Ostgebieten durch Vertreibung, Flucht und Verschleppung nach 1945 noch umgekommen sind. Es war keine Befreiung für die rund 11 Millionen deutschen Kriegsgefangenen, von denen 1,6 Millionen gar nicht mehr zurückkehrten, die meisten anderen erst nach jahrelanger unmenschlicher Lagerhaft.
(Marianne Schieder [SPD]: Das hat auch niemand behauptet außer Ihnen!)
Und es war definitiv keine Befreiung für die geschätzt 2 Millionen nach dem 8. Mai noch vergewaltigten deutschen Frauen und Mädchen, von denen 10 Prozent starben, die übrigen teils schwer traumatisiert wurden.
(Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Wenn Sie wieder hier sich als Frauenrechtler darstellen! Das ist ja ekelhaft!)
Allein die Pietät diesen keineswegs Befreiten gegenüber verbietet es, den 8. Mai zum Feiertag zu erheben, meine Damen und Herren,
(Beifall bei der AfD – Zuruf von der LINKEN: Nichts aus der Geschichte gelernt!)
es sei denn, man ginge von einer Kollektivschuld aller Deutschen aus, was aber massiv zynische Implikationen hätte
(Martin Rabanus [SPD]: Das ist so geschichtsvergessen, was Sie hier machen! Unfassbar! – Marianne Schieder [SPD]: Tief in die Mottenkiste!)
und was jedenfalls Richard von Weizsäckers Diktum widerspricht – hören Sie mal zu! –, der nämlich sagte: „Schuld oder Unschuld eines ganzen Volkes gibt es nicht. Schuld ist, wie Unschuld, nicht kollektiv, sondern persönlich.“
(Beifall bei der AfD)
Lassen Sie uns daher diesen Jahrestag zum Anlass nehmen, um endlich auch für die deutschen Opfer des Zweiten Weltkrieges eine Gedenkstätte zu errichten. Zentral in der Bundeshauptstadt gelegen, sollte sie über die einzelnen Opfergruppen, wie ich sie vorhin nannte, aber auch über die Opfer des Bombenkrieges in einem angeschlossenen Dokumentationszentrum auf dem heutigen Stand der Forschung informieren. Ein Wettbewerb sollte ausgeschrieben werden und ein Expertengremium eingesetzt, das dem Deutschen Bundestag gegenüber rechenschaftspflichtig ist.
Zu den bestehenden Gedenkstätten für die Opfer des NS-Regimes, allen voran dem Denkmal für die ermordeten Juden Europas, soll diese Gedenkstätte ausdrücklich nicht ins Konkurrenz-, sondern ins Ergänzungsverhältnis treten, ganz im Sinne der Worte des ehemaligen Bundespräsidenten Herzog: „… man kann weder Ruhe noch Versöhnung finden, wenn man sich nicht der ganzen Geschichte stellt“ – der ganzen Geschichte.
(Beifall bei der AfD – Marianne Schieder [SPD]: Das sollten Sie mal tun, sich der ganzen Geschichte stellen!)
– Das tun wir, im Gegensatz zu Ihnen.
Wir glauben auch – ich komme zum Schluss –, dass die Freundschaft zu den ehemaligen Kriegsgegnern inzwischen gefestigt genug ist, dass diese auch den Deutschen die Trauer um die eigenen Kriegsopfer zugestehen werden, wenn wir diese umsichtig, würdig und im Einklang mit den historischen Fakten begehen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger fordert unser Antrag.
Vielen Dank.
(Beifall bei der AfD)
Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist für die Fraktion der CDU/CSU die Kollegin Elisabeth Motschmann.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7446277 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 160 |
Tagesordnungspunkt | Gedenkstätte für Opfer des Zweiten Weltkrieges |