15.05.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 161 / Tagesordnungspunkt 25

Peter HeidtFDP - Weltweite humanitäre Lage in der Corona-Krise

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Beim Kollegen Gysi habe ich kurz gedacht: Jetzt fängt der gleich an und singt die Internationale. – Mit unserem Thema hatte das aber irgendwie nichts zu tun.

Weltweit werden in vielen Ländern derzeit Notstandsgesetze erlassen, die die Menschen vor Covid-19 schützen sollen,

(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Das ist schon mal gut!)

die jedoch zu Repression, Stigmatisierung von Minderheiten und Einschränkung von Meinungsfreiheit missbraucht werden. Wer nun glaubt, es handele sich bei diesen Ländern ohnehin nur um die autokratischen Staaten dieser Welt, der irrt.

In zahlreichen europäischen Ländern werden die der Bekämpfung von Corona dienenden Bestimmungen gezielt gegen die Angehörigen der Roma-Minderheit genutzt. In Bulgarien etwa werden Roma zu Sündenböcken gemacht,

(Marianne Schieder [SPD]: Nicht nur dort!)

wird das Gerücht verbreitet, aus Westeuropa zurückgekehrte Roma hätten das Coronavirus eingeschleppt. Die Roma werden durch verschiedene Maßnahmen immer weiter an den Rand der Gesellschaft gedrängt. Die Maßnahmen zielen auf die Verelendung ganzer Siedlungen ab und nehmen den Tod möglicherweise Tausender Menschen billigend in Kauf. Rassismus gegen Roma hat in diesen Zeiten Hochkonjunktur. Sollte hier nicht schnellstmöglich eingeschritten werden, droht eine humanitäre Katastrophe.

(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Bundesregierung ignoriert das: Ihr lägen keine Erkenntnisse über einen Anstieg von Hetzkampagnen und Gewalt gegen Roma in Ländern wie Bulgarien, Ungarn, Rumänien oder der Slowakei vor. Eine solche Antwort ist nicht nachvollziehbar. Herr Außenminister, wir Freien Demokraten fordern die Bundesregierung auf, Roma und Sinti vor einer Ethnisierung der Coronakrise und damit einhergehenden Maßnahmen und Übergriffen gerade innerhalb der EU zu schützen.

(Beifall bei der FDP)

Ein Blick vor die eigene Haustür reicht also bereits aus, um zu wissen, dass es auch europäische Regierungen gibt, die die Coronakrise ausnutzen, um ihre eigene Macht zu festigen und Demokratie und Menschenrechte zu untergraben. In Ungarn, wohlgemerkt einem EU-Mitgliedstaat, regiert Präsident Orban per Dekret, zeitlich unbefristet. Das ungarische Parlament ist quasi entmachtet. Anlass zur Sorge besteht also vor allen Dingen dann, wenn Parlamente in Entscheidungen nicht mehr eingebunden sind. Wir müssen aufpassen, dass durch Corona keine Verschiebung der grundrechtlichen Blickwinkel eintritt. Covid-19 darf nicht als Ablenkung von Gesetzesmaßnahmen genutzt werden, die darauf abzielen, Menschenrechte und Meinungsfreiheit einzuschränken.

(Beifall bei der FDP)

Menschenrechte, liebe Kolleginnen und Kollegen, werden heute weltweit mehr denn je offen infrage gestellt. Ohne Druck von außen wird sich daran auch nichts ändern. Die Bundesregierung muss im Rahmen der bevorstehenden EU-Ratspräsidentschaft – das haben schon einige gesagt – aber wirklich einen wirksamen Schutz der Menschenrechte fordern, auch und gerade hier in Europa. Es ist nicht hinnehmbar, dass sich Länder mitten in Europa ohne spürbare Konsequenzen zu einer Diktatur entwickeln.

Das Auswärtige Amt sagte vorgestern in einer Sitzung des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe, die Bundesregierung sei im Dialog mit Ungarn. Okay. Es darf doch aber wirklich stark bezweifelt werden, dass hier ein Dialog noch ausreicht. Die Einhaltung von Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit darf nicht nur eingefordert werden, sie muss auch durchgesetzt werden, notfalls eben mit Sanktionen und der Streichung sämtlicher Subventionen – im Interesse einer stabilen Demokratie in Europa, aber auch, weil wir sonst selbst jede Möglichkeit verspielen, uns in anderen Ländern glaubhaft für Demokratie und Menschenrechte einzusetzen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Voraussichtlich letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege Sebastian Brehm, CDU/CSU.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7446351
Wahlperiode 19
Sitzung 161
Tagesordnungspunkt Weltweite humanitäre Lage in der Corona-Krise
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