17.06.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 165 / Tagesordnungspunkt 21

Carl-Julius CronenbergFDP - Mindestlohn

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die gesundheitliche Bedrohung durch Corona sinkt, Gott sei Dank. Gleichzeitig steigt für viele Menschen die soziale Bedrohung durch die Folgen der Pandemie.

Allein 7 Millionen Kurzarbeiter bangen in diesen Tagen um ihren Job. Die schnelle und entschlossene Anpassung des Kurzarbeitergelds hilft, aber machen wir uns nichts vor: Wir haben noch keinen blassen Schimmer, für wie viele betroffene Beschäftigte es zurück in den Job geht und für wie viele in die Arbeitslosigkeit. Deshalb lautet das Gebot der Stunde, den hohen Beschäftigungsstand zu halten und nicht politisch motiviert zu gefährden.

Die Linke wünscht sich nun einen Mindestlohn, der in sozialpolitischer Absicht Armut bekämpft und damit über das ursprüngliche Ziel, wettbewerbspolitisch vor Lohndumping zu schützen, hinausgeht. Ihr Wunsch ist legitim; ordnungspolitisch klug ist er nicht. 28 Prozent Lohnerhöhung ohne entsprechende Produktivitätserhöhung: Das gefährdet Arbeitsplätze.

(Beifall bei der FDP – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das wurde bei der Anhörung auch schon fälschlicherweise behauptet!)

– Dazu kommen wir noch.

Bei der Einführung des Mindestlohns vor sechs Jahren hat der Gesetzgeber aus gutem Grund sehr behutsam in bestehende Tariflöhne eingegriffen. Keine 5 Prozent der Tariflöhne mussten nach oben angepasst werden. Bei Ihrem Vorschlag heute wären das 20 Prozent, also viermal so viel. Das würde konsequenterweise entweder zur Folge haben, dass nahezu alle Tariflohngruppen angehoben werden – so höhlen Sie die Tarifautonomie weiter massiv aus – oder dass Sie damit den Lohnabstand zu den mittleren Lohngruppen abschaffen, was ungerecht gegenüber den Leistungsträgern ist,

(Susanne Ferschl [DIE LINKE]: Sind die Mindestlohnempfänger keine Leistungsträger?)

und zudem setzt es Fehlanreize bei den Schlüsselthemen Aus- und Weiterbildung.

(Beifall bei der FDP)

Außerdem ist in beiden Fällen zu befürchten, dass die Tarifbindung sinkt, und das ist schlecht.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Wer Blaumann oder Kittelschürze trägt, ist auch Leistungsträger und Leistungsträgerin!)

Schließlich würden Sie die Eintrittsbarriere in den ersten Arbeitsmarkt für die Schwächsten unserer Gesellschaft erhöhen: Ältere, Langzeitarbeitslose, Flüchtlinge, alleinerziehende Mütter. Sie würden ihnen die Chance nehmen, sich hochzuarbeiten, und das lehnen wir ab.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Linken, Sie befinden sich inzwischen aber in guter Gesellschaft. Die Lust, den Mindestlohn politisch festzusetzen, ist längst wie ein Virus auf die Koalitionsfraktionen übergesprungen.

(Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Na, na, na! – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Mach doch mal Überzeugungsarbeit!)

Fast alle – Bernd Rützel hat es gerade noch mal bestätigt – wollen politisch eingreifen. Liebe SPD, die populistischen Forderungen der Linken zu kopieren, bringt Ihnen keine Wähler zurück, und liebe Union, die politische Absenkung des Mindestlohns oder selbst das Einfrieren rettet keinen Job.

(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE])

Die Unabhängigkeit der Mindestlohnkommission ist der Garant für die Arbeitsmarktstabilität, genau wie die Unabhängigkeit der Zentralbank Garant für Währungsstabilität ist. Lassen Sie die Mindestlohnkommission einfach in Ruhe ihre Arbeit machen; Matthias Zimmer hat an der Stelle doch vollkommen recht. Und warten Sie die Evaluation ab! Die haben Sie sich für dieses Jahr doch sowieso vorgenommen.

Ganz ehrlich: Wenn mir oder den Freien Demokraten vor fünf Jahren jemand prophezeit hätte, dass wir zu den letzten Gralshütern des deutschen Mindestlohngesetzes gehören würden, dann hätte ich ihn für verrückt erklärt.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP – Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na ja!)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Bevor wir fortfahren, stehe ich vor einem ganz kleinen Problem, das ich jetzt eigenmächtig löse.

Ich bin von der AfD-Fraktion darauf hingewiesen worden, dass es zumindest in Teilen des Jakob-Kaiser-Hauses zum Beginn der namentlichen Abstimmung über den KFOR-Einsatz nicht geklingelt hat, und ich bin gebeten worden, die namentliche Abstimmung um 15 Minuten zu verlängern, was deshalb unangemessen wäre, weil von der Mitteilung bis zu dem Zeitpunkt, den ich jetzt benennen werde, ausreichend Zeit ist bzw. war, um vom Jakob-Kaiser-Haus hierherzukommen.

Ich werde die namentliche Abstimmung bis 17.46 Uhr verlängern; das reicht aus. Damit ist dem Begehren der AfD-Fraktion Rechnung getragen, und alle, die noch unterwegs sind, können abstimmen.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Ich muss das noch mal für die Lobby bekannt geben: Die namentliche Abstimmung zum KFOR-Einsatz wird bis 17.46 Uhr verlängert wegen eines möglichen technischen Problems bei der Durchsage im Jakob-Kaiser-Haus.

(Enrico Komning [AfD]: Danke schön!)

Nächste Rednerin ist die Kollegin Beate Müller-Gemmeke, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7452443
Wahlperiode 19
Sitzung 165
Tagesordnungspunkt Mindestlohn
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