Konstantin KuhleFDP - Anpassung des Freizügigkeitsgesetzes/EU
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sprechen heute Abend über eine Reform des EU-Freizügigkeitsrechts. Der erste Anlass für diese Reform ist der Brexit. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf der Regierung soll für jene britischen Staatsbürger, die sich bis zum Ende der Übergangszeit am 31. Dezember dieses Jahres in Deutschland aufhalten, im Freizügigkeitsrecht ein starkes Aufenthaltsrecht geschaffen werden. Das ist der richtige Weg; denn die Bürgerinnen und Bürger des Vereinigten Königreichs, die außerhalb ihres Landes in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union leben wollen, dürfen nicht die Leidtragenden des Brexit sein.
(Beifall bei der FDP)
Wir haben, meine Damen und Herren, weitere Schritte, die mit diesem Gesetzesvorschlag der Regierung unternommen werden. Unter anderem wird eine Regelung eingeführt, die es deutschen Studierenden ermöglicht, einfacher BAföG zu empfangen, wenn sie eine gewisse Zeit das Erasmus-Programm im Vereinigten Königreich nutzen. Ich meine, dass wir in den Beratungen im Ausschuss überlegen sollten, wie man es in Zukunft für britische Studierende vereinfachen kann, in Deutschland tätig zu sein, in Deutschland zu arbeiten, in Deutschland zu studieren. Es darf nicht die junge Generation sein, die unter dem Brexit leidet; denn die junge Generation im Vereinigten Königreich hat sich ja gerade gegen den Brexit ausgesprochen. Deswegen sollte die Reform des Freizügigkeitsrechts gleichsam eine Einladung an die junge Generation des Vereinigten Königreichs sein, auch nach Deutschland zu kommen.
(Beifall bei der FDP)
Meine Damen und Herren, ich will ganz kurz darauf eingehen, dass es ja schon bemerkenswert ist, dass der Bundestag ausgerechnet in einer Woche das Austrittsabkommen umsetzt, in der der britische Premierminister Johnson ganz offen im Parlament bekennt, das Austrittsabkommen verletzen zu wollen. Das zeigt einmal mehr: Der Brexit ist ein populistisches Wahnsinnsprojekt zulasten des Friedens in Irland, zulasten der europäischen Idee und zulasten der Bürgerinnen und Bürger.
(Beifall bei der FDP)
Meine Damen und Herren, der zweite Anlass für die Reform des Freizügigkeitsrechts, über die wir heute in erster Lesung beraten, ist die Verbindung aus vielgestaltigen Familienkonstellationen, die es heutzutage gibt, und aus dem Zuzug von Drittstaatsangehörigen zu Unionsbürgerinnen und Unionsbürgern. Da gibt es ein offenes Vertragsverletzungsverfahren, da gibt es ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs, und all das hat zur Folge, dass klar ist: Deutschland setzt die EU-Freizügigkeitsrichtlinie bisher nicht hinreichend um. Deswegen ist es gut, dass wir miteinander darüber diskutieren, wie man diese Vertragsverletzung aus der Welt schaffen kann.
Weil wir aber an der Schnittstelle von Unionsrecht und dem Zuzug von Drittstaatsangehörigen zu Unionsbürgern tätig sind, will ich die Gelegenheit nutzen, um eine andere Schnittstelle dieser Rechtskreise anzusprechen. Das sind die Regeln, die aktuell verhindern, dass sich binationale Paare, die nicht verheiratet sind, in dieser Coronazeit auf vernünftige Weise sehen können. Es ist absolut in Ordnung, dass man in Coronazeiten auf Reiserestriktionen setzt. Aber es ist nicht in Ordnung, dass diese Bundesregierung, dass die Große Koalition die Ausnahmen, die die EU doch zulässt, in so bornierter, in so weltfremder Weise umsetzt, dass man sich einmal in Deutschland getroffen haben muss oder einen gemeinsamen Wohnsitz gehabt haben muss, um diese Ausnahmen in Anspruch zu nehmen. Meine Damen und Herren, Tourismus muss in Coronazeiten limitiert werden. Das ist schlimm genug. Aber Liebe ist kein Tourismus.
(Beifall bei der FDP und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Binationale Paare, die nicht verheiratet sind, brauchen ein stärkeres Recht der Freizügigkeit. Diese Paare haben sich seit Monaten nicht gesehen, und die Bundesregierung und die Große Koalition verschleppen eine vernünftige, unbürokratische Ausnahme zugunsten dieser Paare, obwohl die EU es längst zulässt. Werden Sie hier tätig, und dann sind wir da auf einem guten Weg.
Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP)
Für die Fraktion Die Linke hat das Wort die Kollegin Ulla Jelpke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7469282 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 173 |
Tagesordnungspunkt | Anpassung des Freizügigkeitsgesetzes/EU |