16.09.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 175 / Zusatzpunkt 1

Gyde JensenFDP - Aktuelle Stunde - Demokratie und nationale Souveränität in Belarus

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Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es steht fest – und der EU-Außenbeauftragte Borrell hat es gestern im EU-Parlament noch einmal ganz klar gesagt –: Alexander Lukaschenko hat bei dieser Wahl nach Strich und Faden belogen und betrogen, er hat der belarussischen Gesellschaft diese Wahl genommen und gestohlen. Und aus dieser Wahl kann Lukaschenko unmöglich irgendeine Art von Legitimation ableiten.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Die Opposition ist mit dem zentralen Versprechen für freie und faire Wahlen angetreten und hat damit Werbung gemacht. Und darauf, dass dieses Versprechen eingelöst wird, sollten wir uns heute in dieser Debatte im Bundestag einigen, und genau dieses Signal müssen wir auch nach Belarus senden.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

Lukaschenko verweigert seit Wochen alle konstruktiven Vermittlungsversuche. Die Opposition in Belarus hat ihm wieder und wieder Angebote gemacht. Erst heute hat Swetlana Tichanowskaja ihm die Hand gereicht und ihm gesagt, dass ihm im Falle seines Rücktritts und einer friedlichen Machtübergabe Straffreiheit garantiert würde. Dieses Angebot ist so großherzig, dass Lukaschenko es annehmen muss, um einen friedlichen Wechsel erreichen zu können.

(Beifall bei der FDP sowie der Abg. Elisabeth Motschmann [CDU/CSU])

Wie er sich aber, meine Damen und Herren, am Ende entscheidet, das wissen wir heute noch nicht. Bis dato steht aber der Fakt im Raum, dass er zusammen mit den übergebliebenen Schergen seines Sicherheitsapparates mit brutaler Gewalt zu untermauern versucht, dass er das Sagen hat. Und dieser Mann besitzt die Frechheit, zu versuchen, für sein eigenes politisches Überleben Belarus zu verkaufen, ein Land, das ihm nicht gehört.

Seit dem Sotschi-Treffen zwischen Lukaschenko und Putin ist klar, dass ein unabhängiges Belarus nur ohne Lukaschenko existieren kann.

(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Johannes Schraps [SPD])

Denn es gibt nur einen Grund dafür, meine Damen und Herren, warum Lukaschenko mit dieser Vehemenz gegen die eigene Bevölkerung vorgehen kann, und dieser Grund heißt Wladimir Putin. Ohne Putins Milliardenkredite, ohne seine Zusage, Lukaschenko im Ernstfall „beizustehen“ – wir wissen alle, wie das aussehen kann –, stünde der letzte Diktator Europas längst und endgültig mit dem Rücken zur Wand.

Nicht zuletzt deshalb finde ich es unerträglich, wie sich einige Kolleginnen und Kollegen im Bundestag und auch einige darüber hinaus – Herr Ziemiak hat es ja vorgelesen – diesbezüglich äußern. Es zeigt ja, wie Präsident Putin von einigen hier kontinuierlich gesehen wird, nämlich nach wie vor als vertrauenswürdiger Partner. Wir als Freie Demokraten sagen ganz klar: Wie Präsident Putin Freiheit, Menschenrechte und Rechtsstaat interpretiert, ist für uns nicht hinnehmbar. Deswegen stehen wir an der Seite der friedlich demonstrierenden Opposition in Belarus.

(Beifall bei der FDP sowie der Abg. Elisabeth Motschmann [CDU/CSU])

Die Opposition in Belarus schafft ein Momentum, indem sie für eine demokratische, eine freiheitliche und eine europäischere Zukunft streitet. Diese Menschen machen das, obwohl sie dafür möglicherweise einen hohen Preis zahlen müssen, nämlich den Preis, ohne Grund und ohne rechtsstaatliches Verfahren einfach inhaftiert zu werden, verschleppt zu werden. Sie machen es, auch wenn der Preis dafür möglicherweise ist, dass Sicherheitskräfte auf sie einprügeln und damit Knochenbrüche und Schädel-Hirn-Traumata verursachen – wir sehen momentan all diese Berichte –, auch wenn der Preis am Ende möglicherweise ihr eigenes Leben ist.

Wir können unseren kleinen Beitrag leisten, indem wir dafür sorgen, dass all die Opfer, die die Menschen in Belarus bringen, als das benannt und dokumentiert werden, was sie nämlich sind: Es sind schwere und schwerste Menschenrechtsverletzungen mitten in Europa. Die Täter und Täterinnen, die Verantwortlichen müssen ermittelt und zur Rechenschaft gezogen werden. Dazu sollte die Bundesregierung die Zusammenarbeit mit den Menschenrechtsorganisationen in Belarus intensivieren. Und in der OSZE müssen die Kanzlerin und der Außenminister dafür werben, den Moskauer Mechanismus auszulösen, um unabhängige Experten nach Belarus entsenden zu können.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Es wird Zeit, dass die EU eine unmissverständliche Antwort auf diese Brutalität, diese Menschenrechtsverletzungen sendet und, wie angekündigt, die Sanktionsliste erweitert. Heute wurde entsprechend im Auswärtigen Ausschuss bereits darüber gesprochen, dass Lukaschenko ganz oben auf diese Liste gehört,

(Zuruf des Abg. Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE])

inklusive seines Umfeldes, inklusive der installierten Russia-Today-Journalisten, die diejenigen Pressevertreter ersetzen, die gerade öffentlichkeitswirksam gekündigt haben.

Meine Damen und Herren, ich muss an dieser Stelle sagen: Gut, dass unsere EU-Partner wie das Baltikum und Polen

(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Gutes Beispiel für Rechtsstaatlichkeit!)

schon lange mit der Zivilgesellschaft in Belarus zusammenarbeiten! Denn zivilgesellschaftliches Engagement in Belarus ist nicht erst seit dem Wahlkampf, sondern schon deutlich davor unheimlich schwierig und sehr gefährlich gewesen.

Deswegen müssen wir hier festhalten, dass wir die belarussische Zivilgesellschaft jetzt erst recht unterstützen und klare Signale an die Zivilgesellschaft in Belarus senden. Wir müssen den Kontakt, den Austausch zwischen deutschen und belarussischen Bildungsinstitutionen in Wissenschaft und Kultur erleichtern. Wir müssen Aktivisten und Studenten die Möglichkeit geben, ihre Visaanträge auch ohne Kosten hier bei uns zu stellen. Und wir müssen einen sichtbaren Kontakt – dazu fordern wir die Bundesregierung auf – zu Swetlana Tichanowskaja pflegen. Denn genau das ist es doch, was die belarussische Opposition jetzt braucht.

Kollegin Jensen, Sie müssen zum Schluss kommen.

Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss.

An die Zivilgesellschaft in Belarus gerichtet wollen wir Folgendes sagen: Wir sehen euch, und wir verstehen, was für euch alles auf dem Spiel steht. Ob es nun Swetlana Tichanowskaja oder Marija Kolesnikowa oder die eben schon angesprochene 73-jährige Frau Baginskaja ist, die schon länger demonstriert, als ich auf der Welt bin – all diese Menschen sehen wir. Und wir unterstützen euch hier aus dem Deutschen Bundestag und stehen an eurer Seite, aber zu euren Regeln und so, wie ihr es am besten einrichten könnt.

Frau Kollegin.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Johannes Schraps [SPD])

Ich möchte daran erinnern, dass die Ankündigung des Schlusspunktes diesen nicht ersetzt. Ich bitte also wirklich, im Weiteren darauf zu achten, dass in der Aktuellen Stunde jede und jeder fünf Minuten Redezeit hat.

Das Wort hat der Kollege Thomas Lutze für die Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7470386
Wahlperiode 19
Sitzung 175
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde - Demokratie und nationale Souveränität in Belarus
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