18.09.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 177 / Zusatzpunkt 22

Manuela Schwesig - Nord Stream 2

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Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Vielen Dank an die SPD-Fraktion, dass ich einen Teil der Redezeit nutzen darf. Ich habe kurz überlegt, ob ich es mache. Wir sprechen hier über ein großes Infrastrukturprojekt, das eben nicht allein ein russisches Projekt ist, sondern ein Infrastrukturprojekt im Interesse von Deutschland, von Westeuropa, milliardenschwer, 97 Prozent bereits fertiggestellt, mehrfach durch ein rechtsstaatliches Genehmigungsverfahren gegangen.

(Beifall bei der SPD)

Und jetzt kommen Sie, sehr geehrte Damen und Herren der Grünen, und wollen mit einem Satz hier im Bundestag ohne Begründung dieses Projekt stoppen.

(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Unfassbar!)

Man kann unterschiedlicher Meinung zur Ostseepipeline sein; aber für eine Partei, die gerne in Regierungsverantwortung will, würde ich mir mehr Anspruch wünschen in Sachlichkeit und Differenzierung.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD, der FDP und der LINKEN)

Aber ich nutze gerne diesen lapidar hingeworfenen Satz, um etwas aus Sicht von Mecklenburg-Vorpommern zu sagen.

(Zuruf der Abg. Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Der allererste Punkt. Mecklenburg-Vorpommern unterstützt die Energiewende. Wir wollen Klimaschutz, wir wollen zukünftig grüne Energie, saubere Energie, perspektivisch aus Windkraft, erneuerbaren Energien und Wasserstofftechnologie. Und hier, sehr geehrte Damen und Herren der Grünen, würde ich Sie herzlich bitten: Setzen Sie sich da, wo Sie eine Regierungsbeteiligung haben, insbesondere im Süden von Deutschland,

(Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Brandenburg auch! Sachsen!)

für einen schnellen Trassenbau, für mehr Wasserstofftechnologie ein, die wir vor allem im Norden bieten können.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)

Und einen Satz zu den Herren der AfD: Mecklenburg-Vorpommern findet es richtig, dass wir aus Atomenergie und Kohlekraft aussteigen. Sie sind von vorgestern. Wir wollen nicht zurück in das Gestern; wir wollen nach vorne und eine echte Energiewende schaffen.

(Beifall bei der SPD)

Dazu gehört eine Übergangstechnologie, und das ist das Gas. Wenn wir es schaffen wollen, irgendwann völlig unabhängig zu sein – mit erneuerbaren Energien, mit einer marktfähigen Wasserstofftechnologie –, brauchen wir einen seriösen, verlässlichen Weg dorthin. Denn darum geht es: seriöse, verlässliche Energiepolitik zu machen, im Interesse der Bürgerinnen und Bürger von Deutschland, im Interesse der Bürgerinnen und Bürger einer großen Industrienation. Denn wir wollen beweisen, dass Klimawandel und Energiewende zusammengeht mit Wirtschaft, mit Arbeitsplätzen und nicht gegeneinander. Das unterscheidet uns vielleicht in der Betrachtungsweise.

(Beifall bei der SPD)

Frau Ministerpräsidentin, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung von Bündnis 90/Die Grünen?

Geht das dann von meiner Redezeit ab?

Nein, ich habe sie schon angehalten.

Vielen Dank. – Dann gerne.

Sehr geehrte Frau Ministerpräsidentin, vielen Dank für die Zulassung der Frage. – Ich möchte gerne fragen, ob Ihnen Folgendes bewusst ist: Die Leitung Nord Stream 2 landet ja bei uns in Lubmin an und mündet dann direkt in die Verlängerung, in EUGAL, die dann das Gas durch Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg weiter nach Tschechien und auf den westeuropäischen Markt leitet. Die Kosten für EUGAL hingegen werden auf die deutschen Netzentgelte umgelegt. Die Netzentgelte für die deutschen Kunden – das haben wir mit einer Anfrage 2018 herausgefunden – werden sich tatsächlich erheblich erhöhen. Das wird insbesondere in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern die Gaskunden belasten. Ich möchte fragen, ob Ihnen das bewusst ist.

Frau Müller, ich danke Ihnen wirklich sehr für die Frage. – Weil ich den Eindruck habe, dass Ihnen als Abgeordnete unseres Bundeslandes nicht bewusst ist, wie sehr Sie mit Ihrem Antrag unserem Bundesland und den Bürgerinnen und Bürgern schaden,

(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der AfD und der FDP)

würde ich sehr gerne darauf antworten wollen.

Ich habe eben erklärt, was es für eine echte Energiewende, für einen echten Klimawandel braucht. Und da muss man sich für eine Übergangstechnologie entscheiden.

(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Antworten!)

Und wir haben die Wahl zwischen dem Gas aus der russischen – – Meine Herren!

Also, im Moment wird geantwortet, und es soll wenigstens möglich sein, dass Frau Müller als Fragestellerin auch die Antwort hört. Im Moment hören wir hier vor allen Dingen die Zwischenrufe.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Sehr geehrte Damen und Herren der Grünen, Sie können mich gerne etwas fragen, aber Sie müssen auch bei meiner Antwort zuhören – das ist das Mindeste – und diese akzeptieren. Ich entscheide selbst, wie und was ich antworte.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Deshalb noch mal – denn es ist mir sehr wichtig, dass vielleicht auch Bundestagsabgeordnete Ihrer Fraktion, die aus unserem Bundesland kommen, wissen, was das für eine Bedeutung für unser Land hat –:

Ich habe eben dargestellt, wie wichtig die Energiewende und der Klimaschutz sind. Wenn wir marktfähig bleiben wollen, wenn wir den Industriestandort Deutschland sichern wollen und wenn wir vor allem Wohlstand weiter sichern wollen, werden wir auf Übergangstechnologie angewiesen sein. Sie können jetzt wählen zwischen russischem Gas aus der Ostseepipeline – wie wir es ja aus Nord Stream 1 beziehen – oder – und das forcieren Sie – amerikanischem Fracking-Gas.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der AfD, der FDP und der LINKEN – Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Denn das ist das Interesse der USA.

Mit Ihrer Frage bieten Sie mir eine gute Möglichkeit, von meinem Besuch im Hafen Mukran zu berichten. Ich weiß nicht, wann Sie als Abgeordnete im Hafen Mukran vor Ort waren und mal mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gesprochen haben. Dass die USA den kleinen Hafen Mukran zum Spielball von Weltpolitik machen, und dort Geschäftsführung und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bedrohen, obwohl sie nichts Unrechtes getan haben – sie ummanteln nämlich nur die Rohre von einer Pipeline, die rechtsstaatlich genehmigt ist –, dass diese Drohungen möglich sind, von einer befreundeten Nation, der wir in diesem Jahr 30 Jahre Wiedervereinigung mit zu verdanken haben, ist ungeheuerlich. Und da würde ich von Ihnen Unterstützung für die Bürgerinnen und Bürger in unserem Bundesland erwarten.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der AfD, der FDP und der LINKEN – Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Ich fand, das war eine sehr gut Rede bisher! Da können wir weitermachen!)

Frau Ministerpräsidentin, wir stehen jetzt vor der Frage: Gestatten Sie noch eine Frage oder Bemerkung von Annalena Baerbock?

Wenn mir jetzt die 19 Sekunden Redezeit deswegen nicht weggenommen werden.

Die Uhr ist schon angehalten.

Dann verlängern Sie gerne meine Redezeit.

Ich kündige aber auch gleich an: Wir sind hier in einer besonderen Situation; das ist völlig klar. Aber im weiteren Verlauf bleibt es bei der Regel, die ich im Allgemeinen einhalte: bei jedem Redebeitrag nur eine Zwischenfrage oder ‑bemerkung, und Rednerinnen und Redner, welche schon gesprochen haben und die Redezeit leider auch überzogen haben, haben dann hinterher nicht mehr die Möglichkeit. – Also, bitte.

(Jens Koeppen [CDU/CSU], an BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gewandt: Es wird doch nicht besser! Hört doch auf!)

Frau Präsidentin, herzlichen Dank. – Frau Ministerpräsidentin, herzlichen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen; denn davon lebt ja das Parlament, dass man wirklich in eine inhaltliche Debatte einsteigt.

(Zuruf von der AfD: Das ist nicht inhaltlich! Das ist nur Ideologie!)

– Habt ihr nicht gerade etwas von Zuhören gesagt? – Davon lebt die politische Debatte.

Ich würde jetzt gerne noch mal auf zwei Punkte eingehen; denn ich glaube, dass das auch für die Bürgerinnen und Bürger wirklich wichtig ist. Sie haben gerade gesagt: Man muss die Fakten anerkennen. – Meine Kollegin Claudia Müller hatte Sie ja gerade gefragt, wie Sie dazu stehen, dass es eine Durchleitung ist. Sie haben jetzt mehrfach betont: Wir brauchen Gas in Deutschland für die Energiewende. – Dieses Gas, was in Lubmin anlandet, durchgeleitet wird durch Deutschland, geht dann weiter nach Tschechien. Zeitgleich gibt es eine Ukraine-Leitung, über die ich gerade gesprochen hatte, die nur bis 2024 Bestand hat. Das heißt: Nord Stream 2 ersetzt die Ukraine-Leitung, hat nichts mit dem deutschen Gas zu tun. Erkennen Sie das an?

Der zweite Punkt, weil Sie das jetzt mehrfach angesprochen haben: das Fracking-Gas. Sie haben den Hafen angesprochen. Der US-Präsident hat mit Sanktionen gegen den Hafen gedroht. Dagegen sind wir alle aufgestanden, auch Bündnis 90/Die Grünen. Deswegen wundert es uns sehr, dass Ihr Finanzminister jetzt den USA 1 Milliarde Euro geboten hat, um Fracking-Gas nach Deutschland zu importieren,

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

was die Sanktionen und die Drohgebärde des US-Präsidenten nur untermauert.

(Timon Gremmels [SPD]: Nebelkerze!)

Wie stehen Sie zu diesem Vorschlag, 1 Milliarde Euro für Fracking-Gas an die USA zu zahlen

(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Wir sind dafür, für Technologieoffenheit zu sein!)

und damit Putin und Herrn Trump hier ihr Gasgeschäft zu genehmigen?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Timon Gremmels [SPD]: Nebelkerze!)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete. – Einer der Gründe, warum Sie erfolgreich sind – und das will ich anerkennen –, ist, dass Sie ganz viele Themen aufschnappen, in einen Topf werfen, richtig rumrühren. Und dann kommt so ein Antrag raus wie dieser.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der AfD und der FDP – Timon Gremmels [SPD]: So ist es! – Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sind nicht in der Lage, darauf zu antworten, oder?)

Deswegen bin ich gar nicht bereit, auf all diese verschiedenen Punkte einzugehen, sondern will Ihnen sagen, dass das, was Sie vortragen, auch hier am Rednerpult, schlicht falsch ist. Sie wissen bestimmt auch gut, weil Sie sich ja für Europa und Außenpolitik interessieren, dass es gerade Deutschland war, das zwischen Russland und der Ukraine bei der Pipeline vermittelt hat.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Timon Gremmels [SPD]: So ist es!)

Das bitte ich schon zu berücksichtigen. Das unterscheidet uns.

(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben uns beim Thema Ostseepipeline für den Umweltschutz und die Berücksichtigung der Interessen der Ukraine engagiert. Sie blenden aus, dass dann, wenn heute der Deutsche Bundestag dem, was Sie hier vorschlagen, zustimmen würde, Politik in ein rechtsstaatliches Verfahren eingreifen würde. Doch das ist nicht so einfach; denn wir sind ein Rechtsstaat, und dafür gibt es rechtsstaatliche Verfahren.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Sie erwarten, dass wir auf das russische Gas verzichten und dafür eher Fracking-Gas nehmen,

(Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! – Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Falsch!)

was durch Tanker kommt. Das wäre teurer und umweltschädlicher. Sie antworten nicht auf die drängende Frage der Bürgerinnen und Bürger: Wie stellt ihr euch eigentlich die Energiewende vor,

(Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie wir uns die Energiewende vorstellen, haben wir zigmal im Parlament eingebracht! – Weiterer Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Unglaublich!)

wenn man 2022 aus der Atomkraft und schon 2038 aus der Kohlekraft aussteigt und noch nicht klar ist, dass Windkraft und marktfähige Wasserstofftechnologien all das ersetzen können? Diese Antwort, sehr geehrte Damen und Herren von den Grünen, sind Sie schuldig. Ich glaube nicht, dass ich eine Antwort schuldig bin.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD, der FDP und der LINKEN)

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, die Zwischenfragen der Grünen – vielen Dank dafür! – haben mir die Möglichkeit gegeben, auf diese Aspekte einzugehen. Abschließend möchte ich Sie bitten, diesen Antrag abzulehnen. Er ist in der Sache nicht gerecht, und er würde nicht nur dem Land Mecklenburg-Vorpommern, sondern ganz Deutschland und ganz Westeuropa schaden hinsichtlich einer verlässlichen Energieversorgung, die Grundvoraussetzung für die Akzeptanz von Energiewende und Klimaschutz und für die weitere wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes ist.

Vielen Dank, dass Sie mir zugehört haben.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP und der LINKEN)

Für die FDP-Fraktion hat nun der Kollege Michael Theurer das Wort.

(Beifall bei der FDP – Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Sag: „Sie hat recht gehabt“; das war’s!)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7471139
Wahlperiode 19
Sitzung 177
Tagesordnungspunkt Nord Stream 2
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