Christian DürrFDP - Allgemeine Finanzdebatte
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Bundesminister Scholz, Sie haben zu Beginn Ihrer Rede den Vergleich zur Wirtschafts- und Finanzkrise der Jahre 2009 und 2010 gezogen und gesagt: Damals haben wir geholfen, und auch jetzt müssen wir helfen. – Darin besteht Konsens; der Vergleich zu dieser Krise ist grundsätzlich richtig. Damals haben wir es in Deutschland geschafft, aus einer Wirtschafts-und Finanzkrise und auch aus einer schwierigen haushaltspolitischen Situation – die FDP hat damals mitregiert – herauszuwachsen. Wodurch haben wir das geschafft? Das haben wir geschafft aufgrund von Reformen, die auch Ihre Partei – ich will an dieser Stelle die SPD-Politiker Gerhard Schröder und gerade auch Wolfgang Clement nennen – auf den Weg gebracht hat. Ihre Partei hat sich historische Verdienste um unser Land erworben, weil sie eine Reformpolitik auf den Weg gebracht hat, die es unserem Land ermöglicht hat, aus der Krise herauszuwachsen.
Aber jetzt erleben wir eine andere Politik. Als Beispiele sind zu nennen das Lieferkettengesetz, das Verbot von Werkverträgen – das wird am Ende des Tages nicht nur für die Fleischindustrie gelten – und ein neues Unternehmerstrafrecht. Die SPD hat sich von Wachstum und dem Herauswachsen aus Krisen komplett verabschiedet. Deswegen ist der vorliegende Haushalt auf Sand gebaut und nicht auf die Zukunft, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD)
Noch ein Vergleich zur letzten Krise, Herr Minister Scholz. Im Vergleich zur letzten Krise planen Sie, viermal so viele Schulden zu machen. Die Rückzahlung der Schulden, die Sie jetzt planen, wird frühestens im Jahr 2042 erfolgt sein. Lieber Herr Kollege Binding, Sie haben eben gefragt, wer das zahlt: Sie werden von Menschen in unserem Land zurückgezahlt, die noch gar nicht geboren sind.
(Zurufe der Abg. Lothar Binding [Heidelberg] [SPD] und Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Es geht um viel Geld – ich will das in aller Klarheit sagen –, und deswegen hat Herr Rehberg recht, wenn er fordert, Maß und Mitte zu halten. Mit Geld um sich zu werfen, das ist noch keine Politik. Sie planen an jedem einzelnen Tag 430 Millionen Euro neue Schulden. Das sind sozusagen an jedem Tag zusätzliche Schulden in der Größenordnung der Kosten für die gescheiterte Pkw-Maut. Irgendwann, Herr Minister Scholz, wird Ihnen anderer Leute Geld ausgehen, und das ist das Problem dieser Haushaltspolitik.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD)
Alle reden davon, wie gut wir auf die Krise vorbereitet sind. Die Frage, die wir uns auch jetzt schon stellen, ist: Wie gut sind wir eigentlich auf zukünftige Krisen vorbereitet? Ich will in aller Klarheit in Bezug auf die Haushaltszahlen sagen – Kollege Fricke hat das vorhin sehr deutlich unterstrichen –: Die viertgrößte Volkswirtschaft der Welt wird man nicht dauerhaft auf Pump finanzieren können.
(Bettina Stark-Watzinger [FDP]: Sehr richtig!)
Wir müssen dafür sorgen, dass die Wirtschaft wieder den Staat finanziert und nicht, wie die SPD es plant, der Staat die Wirtschaft.
(Beifall bei der FDP – Bettina Stark-Watzinger [FDP]: So wird ein Schuh draus!)
Am Anfang war es richtig, sehr hart einzugreifen – deswegen haben wir als Freie Demokraten dem ersten Nachtragshaushalt auch zugestimmt –, aber jetzt braucht Deutschland endlich eine haushaltspolitische Wende.
(Beifall bei der FDP)
Herr Scholz, Sie reden jetzt schon von Steuererhöhungen; das ist zwar grundfalsch, aber es ist zumindest ehrlich. Deswegen will ich mich an die Kolleginnen und Kollegen der Union wenden. Ich frage: Wo ist eigentlich Ihre Haushaltspolitik? Der Vorsitzende der CSU und Ministerpräsident Söder forderte am Wochenende zum hundertsten Mal Steuersenkungen, die Abschaffung des Solidaritätszuschlages und eine Unternehmensteuerreform. Das ist alles richtig. Das Problem ist, Herr Brinkhaus: Nichts davon steht im Haushalt. In Richtung der Kollegen der CSU sage ich: Sie werden einem Bundeshaushalt zustimmen, obwohl Ihr Parteivorsitzender das Gegenteil der entsprechenden Maßnahmen fordert. Das muss man erst einmal hinbekommen.
(Beifall bei der FDP)
Herr Brinkhaus, nach Ihrer Rede frage ich mich, wie Sie diesem Bundeshaushalt eigentlich noch zustimmen können.
(Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Ich habe es erklärt! – Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Sie haben wieder nicht zugehört!)
Es sind keinerlei Entlastungen enthalten. Übrigens müssen die CDU/CSU-Minister im Kabinett dem ja auch zugestimmt haben, sonst hätte der Haushalt den Bundestag überhaupt nicht erreicht.
(Bettina Stark-Watzinger [FDP]: Richtig!)
Herr Brinkhaus, ich will Ihnen einen gewissen Sinn für Humor gar nicht absprechen. Ich habe mir den Bericht des Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion einmal angeschaut.
(Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Dass der bei Ihnen landet, ist ja super!)
Dort steht – das ist sehr interessant vor dem Hintergrund dessen, was Sie gerade gesagt haben –: „Für uns als Union ist eine solide Haushaltpolitik die Grundvoraussetzung für einen handlungsfähigen Staat.“ Für die Freien Demokraten auch. Ich frage mich, warum die Union die Politik, die in diesem Bericht beschrieben wird, nicht macht.
(Beifall bei der FDP)
Dann heißt es weiter: „Bundeshaushalt 2021: Priorität für Zukunft, Technologie und Innovation“. Über den Einzelplan der Bundesministerin für Bildung und Forschung schreiben Sie: „Für den Bereich Bildung und Forschung sind im Haushaltjahr 2021 rund 20,2 Mrd. Euro vorgesehen, womit sich der Ausgabenrahmen nahezu auf Vorjahresniveau befindet.“ Richtig ist: Das Volumen des Einzelplans, mit dem in die Zukunft investiert werden soll, sinkt von 5 Prozent des Gesamthaushalts auf 4,9 Prozent.
(Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Gucken Sie mal in den Einzelplan 60! Einzelplan 60!)
Herr Brinkhaus, was Sie an Politik in Deutschland machen, ist das Gegenteil von dem, was Sie hier gerade propagiert haben. Das muss man an dieser Stelle unterstreichen.
(Beifall bei der FDP – Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Nein, nein!)
Herr Präsident, ich möchte zum Schluss zwei Punkte ansprechen. Nur durch Wachstum – das wissen wir – werden wir aus dieser Krise herauskommen können, nur durch Wachstum werden wir die Schulden zurückzahlen können. Es gibt zwei Voraussetzungen für Wachstum: Das eine sind Entlastungen, damit Unternehmen investieren können und private Haushalte konsumieren können. Das Zweite ist, dass ausreichend Menschen am Arbeitsmarkt die Chance haben, dieses Wachstum zu erarbeiten. Sie, auch Herr Brinkhaus, haben vorhin von Einwanderung gesprochen. Deutschland ist das Land mit der zweitältesten Bevölkerung. Wir brauchen händeringend Einwanderung in den deutschen Arbeitsmarkt, aber Ihr Fachkräftezuwanderungsgesetz
(Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Ist gut!)
ist nicht einmal ein Tropfen auf den heißen Stein. Meine Damen und Herren, Einwanderung in den Arbeitsmarkt, das ist die Voraussetzung für Wachstum und für haushaltspolitische Solidität in unserem Land. Das muss man in dieser Deutlichkeit sagen.
(Beifall bei der FDP)
Jetzt müssen Sie zum Schluss kommen.
Zum Schluss. Zweimal, sowohl beim Thema Entlastung als auch beim Thema Einwanderung in den Arbeitsmarkt, hat sich die Union nicht für die Zukunft, sondern für die Vergangenheit entschieden. Ich freue mich auf die Haushaltsberatungen und würde mich freuen, wenn von dem Zukunftsspirit, den Sie in Ihrer Rede verbreitet haben, Herr Kollege Brinkhaus, sich am Ende auch etwas im Haushalt wiederfindet.
Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP)
Vielen Dank. – Nächster Redner ist für die Fraktion Die Linke der Kollege Fabio De Masi.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7473206 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 178 |
Tagesordnungspunkt | Allgemeine Finanzdebatte |