Gero Clemens HockerFDP - Ernährung und Landwirtschaft
Verehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor einem knappen Jahr haben mehrere Zehntausend Landwirte in ganz Deutschland demonstriert – auch hier in Berlin. Für viele Kolleginnen und Kollegen – auch für mich – war es ein sehr beeindruckendes Bild, was sich da ergeben hat.
Auf den Plakaten, die die Demonstranten damals dabeigehabt haben, standen Sätze wie „Redet mit statt nur über uns“, „Wir brauchen Verlässlichkeit“ und „Wir wollen mitreden“. Eigentlich ist das eine Selbstverständlichkeit, meine Damen und Herren.
Umso ernüchternder erscheint es mir und meiner Fraktion, dass in den vergangenen Monaten aus den politischen Bemühungen der Bundesregierung nicht viel mehr herausgekommen ist als eine hastig einberufene Zukunftskommission, deren Ergebnisse quasi schon festgestanden haben, als die Teilnehmer gerade ins Auto gestiegen sind, um nach Berlin zum Kanzleramt zu fahren, und eine hastig zusammengekratzte Bauernmilliarde, von der bis heute niemand wirklich weiß, wofür genau sie überhaupt aufgewendet und wie sie ausgeschüttet werden soll, und die vor allem niemand gefordert hat.
Es ist ein Armutszeugnis dieser Bundesregierung, dass sie das Wesen der Demonstrationen vor einem Jahr so missverstanden hat und glaubt, ihrer schlechten Politik wahllos gutes Steuergeld hinterherwerfen zu müssen, das Betroffene aus guten Gründen überhaupt nicht haben wollen.
(Beifall bei der FDP)
Ich habe in den vergangenen Jahren – und ich weiß, dass das viele Kollegen aller Fraktionen in diesem Hohen Hause auch getan haben – viele intensive Gespräche mit Landwirten geführt. Mein Eindruck ist, dass nicht ein einziger Landwirt, mit dem ich gesprochen habe, die Forderung erhoben hat, er wolle mehr Geld aus Brüssel oder aus Berlin oder in irgendeiner Form mehr finanzielle Unterstützung. Nicht einer! Diese Bauernmilliarde wird von der gesamten Branche vollständig abgelehnt.
Dass Ihnen vor dem Hintergrund dieser Entwicklung nicht mehr einfällt, als Geld zusammenzukratzen, um die Landwirte ruhigzustellen, und man dann noch empört ist, dass die Landwirte dafür nicht auch noch Dankbarkeit zeigen, demonstriert nur sehr deutlich, wie weit Sie sich von den tagtäglichen Herausforderungen entfernt und entfremdet haben, die die Landwirtinnen und Landwirte in Deutschland gegenwärtig zu bestreiten haben, und deswegen machen wir Ihnen das zum Vorwurf, verehrte Frau Ministerin.
(Beifall bei der FDP)
Deswegen fordern wir mit unserem Haushalt auch nicht mehr finanzielle Mittel. Das könnte man ja als Oppositionsfraktion politisch sehr leichtfertig tun; ich sage das ganz ausdrücklich. Das tun wir aber nicht, weil wir der festen Überzeugung sind, dass die Probleme der Landwirtschaft im Jahre 2020 nicht einfach mit mehr Geld gelöst werden können. Was wir tatsächlich brauchen, ist eine Politik, die auch mal den Rücken gerademacht, wenn es bestimmte gesellschaftliche Trends gibt, die vielleicht gar nicht wissenschaftlich fundiert oder fachlich geboten sind. Es ist erforderlich, dass die Politik zu solchen Trends auch mal Nein sagt, und da hilft es nicht, irgendwelchen Landwirten irgendwelche Milliarden zu versprechen, meine sehr verehrten Damen und Herren.
(Beifall bei der FDP)
Ich sage das ganz ausdrücklich: Diese Bauernmilliarde hilft keinem Landwirt, solange bei der Düngeverordnung in Deutschland, die nach ganz anderen grundsätzlichen Werten und Messverfahren zustande gekommen ist als in anderen Staaten, überhaupt keine Vergleichbarkeit mit den Ergebnissen anderer Nationalstaaten existiert. Diese Bauernmilliarde hilft keinem einzigen Tierhalter, der vor wenigen Jahren vielleicht in einen neuen Stall investiert hat, einen Kredit zu tilgen hat und jetzt wieder neuerliche Auflagen auf sich zukommen sieht, sodass er wieder zur Bank laufen und einen zweiten oder dritten Kredit zusätzlich bedienen muss. Diese Bauernmilliarde hilft auch keinem einzigen Landwirt, der es mit Verbrauchern zu tun hat, die nach dem Prinzip „Geiz ist geil“ Lebensmittel einkaufen und jetzt zusätzlich den Eindruck bekommen: Na ja, das ist ja auch legitim; denn die Landwirtschaft kriegt ja schon auf anderem Wege Gelder durch den Bundeshaushalt zugesteckt.
Das sind die Gründe, warum wir diese Bauernmilliarde vollständig ablehnen.
(Beifall bei der FDP)
Ich sage es Ihnen ganz ausdrücklich, verehrte Frau Ministerin: Statt mit Geld könnten Sie den Landwirten tatsächlich helfen – unmittelbar und sehr viel kostensparender für unseren Bundeshaushalt.
(Otto Fricke [FDP]: Ich glaube, sie ist abgelenkt! Das ist echt unhöflich!)
Nutzen Sie die EU-Ratspräsidentschaft, verehrte Frau Ministerin – ich hoffe, dass Sie auch zu diesem Thema gerade in Ihrem Telefon Hinweise finden –,
(Heiterkeit bei Abgeordneten der FDP)
um endlich eine Angleichung der Wettbewerbsstandards innerhalb Europas zu erkämpfen! Jedes in Süd- oder in Osteuropa gebaute Auto muss bestimmte Standards erfüllen, wenn es auf deutschen oder auf europäischen Straßen fahren soll. Nur bei Lebensmitteln, nur bei den Haltungsbedingungen und Fragen der Düngung und des Pflanzenschutzes ziert man sich, solche einheitlichen Standards in Europa zu schaffen. Dabei würde man genau damit tatsächlich etwas für die Wettbewerbsfairness zwischen den Landwirten in Deutschland und ihren süd- und osteuropäischen Kollegen sowie für das Tierwohl und die Reinheit von Boden, Luft und Wasser erreichen.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der AfD)
Meine sehr verehrten Damen und Herren, verehrte Frau Ministerin, die Hälfte der EU-Ratspräsidentschaft geht in diesen Tagen zu Ende. Nutzen Sie wenigstens die zweiten drei Monate dieser EU-Ratspräsidentschaft!
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der FDP)
Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Hocker. – Nächster Redner ist der Kollege Friedrich Ostendorff, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7473272 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 178 |
Tagesordnungspunkt | Ernährung und Landwirtschaft |