01.10.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 180 / Tagesordnungspunkt 1 Epl 09

Klaus ErnstDIE LINKE - Wirtschaft und Energie

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Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich kann nicht anders, aber ich muss noch etwas zur FDP sagen. Herr Houben, langsam verwirrt mich die FDP.

(Reinhard Houben [FDP]: Was?)

Ich habe den Eindruck, ihre Politik läuft nach dem Motto: Wenn ich sie nicht überzeugen kann, verwirr sie! – Ich habe jetzt mehreren Rednern zugehört, auch in der Debatte vorher. Sie sagen, das Problem bestehe darin, dass eine positive Zukunftsaussicht fehlt. Dann gibt es andere, die sagen: Wir haben zu wenig staatliche Unterstützung. – Das war eben Herr Klein.

(Reinhard Houben [FDP]: Nein, das hat er nicht gesagt!)

Dann gibt es Herrn Fricke, der sagt: Wir haben eine viel zu hohe staatliche Kreditaufnahme. – Haben Sie denn nicht gemerkt, dass die staatliche Kreditaufnahme die Voraussetzung dafür ist, dass gegenwärtig Herr Altmaier und andere überhaupt Geld zum Ausgeben haben? Sie müssen sich einfach mal einigen, was Sie eigentlich wollen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn nicht irgendwann ein Profil von Ihnen erkennbar ist, dann passiert etwas ganz Trauriges: Von 2013 bis 2017 waren Sie leider nicht im Bundestag vertreten. Ich fand das sehr traurig, weil ich Ihre Anträge amüsant fand.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Aber es wäre schade, wenn das wieder passieren würde. Also: Bitte eine Richtung, damit man weiß, wohin Sie wollen! Sonst wird es schwierig.

Meine Damen und Herren, es freut mich, dass Sie sich, Herr Altmaier, in dieser Frage deutlich von der FDP unterscheiden, allerdings nicht in allen Punkten. Meine Damen und Herren, es vergeht kein Tag mehr, an dem die deutsche Industrie nicht trotz massiver Hilfe – Kurzarbeit, Kredite, in Milliardenhöhe im Übrigen – einen massiven Abbau von Arbeitsplätzen verkündet; das ist ein Problem. Das müssen Sie doch erkennen. Wir müssen doch überlegen, was da passiert: Conti 13 000 Stellen, ZF 7 500 Stellen, Opel in Rüsselsheim 2 100, Bosch usw. Allein die IG Metall rechnet in ihrem Organisationsbereich mit 200 000 Jobs, die verloren gehen.

Schaeffler kündigt den Abbau Tausender Arbeitsplätze an und will gleichzeitig ins Ausland gehen. Als zuständiger Wirtschaftsminister müssen Sie doch alles daransetzen, da einzugreifen und den Kahlschlag zu verhindern. Ich fordere Sie dringend auf, Herr Altmaier – das meine ich sehr ernst, so wie ich heiße –, Bedingungen zu stellen, die Voraussetzungen sind für staatliche Hilfen. Wenn Sie das nicht machen, verfahren Sie rein nach dem Gießkannenprinzip, und die Unternehmen nutzen es für Dinge, die wirklich nicht notwendig sind.

(Beifall bei der LINKEN)

Es darf keine Unterstützung geben – egal welcher Art –, wenn Arbeitsplätze ins Ausland verlagert werden. Hilfsgelder müssen zur Voraussetzung haben, dass Unternehmensleitungen mit den Betriebsräten Vereinbarungen über die Zukunft der Belegschaft treffen. Einige tun das, leider nicht alle. Dann muss man eben sagen: Wer das nicht tut, kriegt kein Geld. – Dann wird vielleicht die Motivation ein bisschen höher. Hören Sie auf, Fördermittel an jene zu vergeben, die Fördermittel kassieren und gleichzeitig Dividende an die Aktionäre auszahlen. Für was sind wir denn da? Wir finanzieren ja dann faktisch die Dividenden aus Steuermitteln. Herr Altmaier, das alles kann doch nicht Ihr Ernst sein!

Staatliche Beteiligung bei der Lufthansa muss durch staatlichen Einfluss gesichert sein. 9 Milliarden Euro stecken jetzt in diesem Konzern. Ich sage Ihnen: Trotzdem wird Germanwings abgewickelt, aber ein neuer Ferienflieger gegründet, nämlich Ocean. Da können sich die Lufthansa-Beschäftigten, denen jetzt der Rauswurf droht, quasi auf ihre eigenen Stellen bewerben, natürlich zu weitaus schlechteren Bedingungen. Da können wir doch nicht einfach tatenlos zugucken. Für so etwas haben wir den Betrieb nicht übernommen, Herr Altmaier. Da muss man eingreifen.

(Beifall bei der LINKEN)

Man muss zumindest das tun, was man kann, nämlich den Aufsichtsrat so zu besetzen, dass er entsprechend handelt.

Sie hätten das alles verhindern können, wenn man Vereinbarungen zwischen Betriebsrat und Konzernführung zur Beschäftigungssicherung sozusagen als Voraussetzung festgelegt hätte. Machen Sie gefälligst Ihren Einfluss im Aufsichtsrat geltend, damit das verhindert wird!

Zum Schluss. Auf der einen Seite Milliarden ohne Gegenleistung, auf der anderen Seite ist die Hilfe für Soloselbstständige und KMUs völlig unzureichend. Von den 25 Milliarden Euro Überbrückungshilfen sind erst 760 Millionen Euro bewilligt, nur 3 Prozent ausgezahlt. Ganze Branchen wie zum Beispiel die Veranstaltungswirtschaft sind in ihrer Existenz bedroht. Da müssen wir dringend nachsteuern, auf der einen Seite durch klare Auflagen und auf der anderen Seite durch zielgenaue Förderung. Dann haben Sie die Bezeichnung „Wirtschaftsminister für alle“ auch wirklich verdient.

(Beifall bei der LINKEN)

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun Dieter Janecek das Wort.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7473813
Wahlperiode 19
Sitzung 180
Tagesordnungspunkt Wirtschaft und Energie
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