Christian DürrFDP - Haushaltsgesetz 2021
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet hat gesagt, die Entscheidung, die Schulen zu schließen, würde er heute nicht mehr treffen. Ich teile das übrigens ausdrücklich, und deswegen bin ich dankbar, dass die schwarz-gelbe Landesregierung in Nordrhein-Westfalen auch bei steigenden Coronafallzahlen eine Bildungsgarantie ausgesprochen hat. Das ist der Kurs, den die Menschen brauchen: Zuversicht für unser Land. Meine Damen und Herren, das erwarte ich auch von anderen.
(Beifall bei der FDP)
Herr Kollege Berghegger, ich kann an dieser Stelle an Ihre Rede anknüpfen. Stichwort „Abfluss von Haushaltsmitteln“: Die Frage ist ja nicht nur, was die Länder tun können, sondern auch, was der Bund tun kann. Wie viele Familien mussten in den Wochen des Lockdowns Homeschooling und Homeoffice zusammenbringen und erkennen, wie schwierig das ist! Das darf nicht mehr passieren.
Die Bundeskanzlerin hat am Mittwoch hier in der Generaldebatte gesagt: Wir haben schmerzlich gesehen, dass Schule und Kita da nicht auf Stand sind. – Na, das ist eine ganz interessante Erkenntnis! Im DigitalPakt Schule sind 5 Milliarden Euro Haushaltsmittel drin; davon sind gerade mal 1 Prozent abgeflossen, meine Damen und Herren.
(Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Ländersache!)
Ich frage Sie, Herr Scholz: Was tun Sie dagegen? Es reicht doch nicht, auf die Bundesländer zu verweisen. Sie als Bundesregierung tragen Verantwortung für die Familien im Land! Ich erwarte, dass diese Mittel im DigitalPakt eingesetzt werden. Sie tun nichts bisher. Zeigen Sie einen Plan auf!
(Beifall bei der FDP – Achim Post [Minden] [SPD]: Ihr habt doch eine Bildungsministerin in NRW! – Weitere Zurufe von der SPD)
– Ja, die Kollegen der SPD! Ich finde es sehr interessant, dass Sie jetzt dazwischenrufen, nachdem Frau Stadler diese Rede hier gehalten hat.
(Zuruf des Abg. Lothar Binding [Heidelberg] [SPD])
– Herr Binding, es reicht mir nicht mehr aus, dass die Bundesregierung jede Verantwortung von sich wegschiebt und auf die Bundesländer verweist.
(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Ja, die bestehen aber auf ihrer Bildungskompetenz!)
Sie haben diese Bund-Länder-Vereinbarung mit unterschrieben! Da müssen 32 000 Schulen in Deutschland einen Medienplan vorlegen, bevor sie die Mittel abrufen können. Die Kinder brauchen endlich iPads, meine Damen und Herren! Das muss das Ziel der Politik in Deutschland sein!
(Beifall bei der FDP)
Herr Dürr, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder ‑bemerkung von Frau Hendricks?
(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Vorher würde ich mal Herrn Pinkwart anrufen!)
Ja, ich freue mich darauf. Sehr gerne, Frau Kollegin.
Bitte mit Mikro.
(Otto Fricke [FDP]: Sie schafft das auch ohne!)
– Nein.
Keine Sorge, Otto Fricke. – Herr Kollege Dürr, Sie haben doch wahrgenommen, dass es uns im vergangenen Jahr gelungen ist, das Grundgesetz zu ändern, damit die Bundesebene überhaupt in der Lage ist, den Ländern bei der Finanzierung von Bildungsausgaben beizustehen. Ich kann jetzt im Moment gar nicht sagen – – Doch, Sie haben dann schließlich auch der Verfassungsänderung zugestimmt.
(Zuruf)
– Richtig, es war auch nötig, dass die Länder zugestimmt haben. – Das war aber die Voraussetzung dafür, dass der DigitalPakt Schule überhaupt erst aufgelegt werden konnte. Infolgedessen kann er in einem zweiten Schritt erst wirksam werden.
Ich muss Ihnen doch nicht erzählen – oder Sie wären als Bundestagsabgeordneter falsch an diesem Ort –, dass unsere föderale Ordnung darauf beruht, dass Finanzmittel, die der Bund zur Verfügung stellt, über die Länder in diesem Fall den Kommunen zufließen, weil in den Ländern die Kommunen für die Ausstattung von Schulen verantwortlich sind. Die Lehrer werden von den Ländern bezahlt, aber die Ausstattung von Schulen geschieht durch die Kommunen; das ist in allen Bundesländern gleich. Der DigitalPakt Schule betrifft nun einmal die Ausstattung von Schulen; anders kann man das nicht werten. Wenn Sie das nicht wissen, dann dürften Sie nicht Bundestagsabgeordneter sein.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Herr Dürr, wenn Sie wollen, können Sie darauf jetzt antworten.
Das habe ich vor. Ich halte auch die Redezeit ein.
Hochgeschätzte Frau Kollegin Hendricks, es war nicht vor einem Jahr, es war vor zwei Jahren, und die Freien Demokraten haben maßgeblich an dieser Grundgesetzänderung mitgewirkt – ohne uns wäre diese Grundgesetzänderung gar nicht gekommen.
(Beifall bei der FDP)
Ich war 14 Jahre Landespolitiker und habe das alles mitgemacht und weiß auch um die knappen Ressourcen der Länder für Bildungspolitik, Frau Kollegin. Ich will Ihnen nur eines sagen: Bei dem, was wir da umgesetzt haben, hat gerade die Große Koalition gebremst. Wir haben gesagt: Es kann nicht nur darum gehen, Tablets auszugeben, sondern die müssen auch funktionieren, gewartet werden; das können wir nicht alles den Lehrern aufdrücken. – Daraufhin hat diese Bundesregierung – die Sie mittragen, Frau Hendricks – eine Bund-Länder-Vereinbarung beschlossen, die ist so bürokratisch
(Eckhardt Rehberg [CDU/CSU]: Quatsch!)
– wie wir mittlerweile wissen, wie wir nach zwei Jahren, Herr Kollege Rehberg, mittlerweile wissen –, dass die Schüler davon nicht profitieren.
Es kann doch eine Bundesregierung und eine Partei wie die SPD, die sich auch als Bildungspartei versteht, nicht kaltlassen, dass das Geld nicht bei den Schulen ankommt! Ich erwarte, dass wir die Verantwortung tragen, meine Damen und Herren. Ich komme mir manchmal – auch bei Ihrem Wortbeitrag jetzt, Frau Hendricks – vor wie in einem schlecht geführten Baumarkt, nach dem Motto „Das ist nicht meine Abteilung“. Doch, Bildungspolitik ist mit dieser Grundgesetzänderung auch die Abteilung des Deutschen Bundestages und dieser Regierung, und wir müssen es, verdammt noch mal, auf den Weg bekommen, dass dieses Geld bei den Kindern ankommt, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der FDP)
Herr Scholz, Sie werfen in diesem Haushalt mit Milliarden um sich, Sie machen Rekordschulden, insbesondere um den linken Flügel Ihrer Partei als Kanzlerkandidat zu befrieden. Die 100 Milliarden Euro, Herr Scholz, die Sie zusätzlich für das Jahr 2021 vorhaben aufzunehmen, das sind genau die Schulden, die die Kinder zurückzahlen müssen, denen teilweise in den letzten Monaten das Grundrecht auf Bildung vorenthalten worden ist. Herr Scholz – das sage ich auch in Richtung der Union, weil es offensichtlich einen Vortrag in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion über die große Haushaltslücke gab, die dieser Haushalt ab 2021 haben wird –: Ich erwarte, gerade weil es die Kinder sind, die diese Schulden zurückzahlen müssen – Kinder, die heute teilweise noch gar nicht geboren sind –, von den Regierungsfraktionen und von der Bundesregierung, dass sie sich nicht hinstellen und sagen: „Es gibt eine gigantische Finanzierungslücke“, ich erwarte von Ihnen einen Plan, wie diese Haushaltslücke in den kommenden Jahren geschlossen wird. Der liegt nicht vor, meine Damen und Herren, und das ist das, was wir anmahnen.
(Beifall bei der FDP)
Zum Zweiten. Neben Bildung ist eines wichtig, nämlich Entlastung. Wir werden die deutsche Wirtschaft nur nachhaltig auf Spur bekommen, wenn wir entlasten. Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln hat gestern veröffentlicht, die vollständige – das sage ich gerade in Richtung der CSU-Kollegen – Abschaffung des Solidaritätszuschlages würde bis zum Jahr 2030 einen Anstieg des Bruttoinlandsprodukts von 86 Milliarden Euro bedeuten und 19 000 zusätzliche Arbeitsplätze allein im kommenden Jahr schaffen, meine Damen und Herren. Auch das verweigern Sie, auch diese Entlastung verweigern Sie den Menschen. Deswegen sage ich, Herr Scholz, in aller Klarheit: Steuergeschenke an die Bank der Superreichen einerseits zu sanktionieren und sogar mitgemacht zu haben, aber auf der anderen Seite der Mitte der Gesellschaft die jetzt notwendige Entlastung nicht zu gewähren,
(Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Jetzt geht aber alles durcheinander, plötzlich!)
das ist eine Schande in der Haushaltspolitik in Deutschland. Es kann nicht angehen, dass wir jetzt nicht die Entlastung machen, die dieses Land nötig hat, liebe Kolleginnen und Kollegen.
So, und ich sage in aller Deutlichkeit: Sie sind jetzt am Ende.
(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Den letzten Satz, Frau Präsidentin,
Mit der Rede ist er zu Ende.
– richte ich an die Kollegen der Union. In dieser Woche sind viele gute Reden von Ihnen gehalten wurden. Meine herzliche Bitte an Sie, liebe Kollegen der Union, ist, dass das Thema „Entlastung der Mitte der Gesellschaft“ nicht immer nur Wahlkampfthema, sondern endlich ein Regierungsthema wird.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der FDP – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Tiefer Seufzer!)
Vielen Dank, Christian Dürr. – Nächste Rednerin: Dr. Gesine Lötzsch für die Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7474307 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 181 |
Tagesordnungspunkt | Haushaltsgesetz 2021 |