Pascal KoberFDP - Anpassung der Regelbedarfe nach dem SGB XII
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir debattieren heute in dieser Debatte aus Anlass der Erhöhung der Hartz-IV-Gesetze zum 1. Januar 2021. Ich sage als Freier Demokrat und für meine Fraktion: Wir stellen die Berechnungsmethode ausdrücklich nicht infrage. Was wir allerdings an dieser Regierung kritisieren, ist, dass die zentrale Frage, um die es eigentlich in jeder Hartz-IV-Diskussion und bei jedem Gesetzesvorhaben zu Hartz IV gehen müsste, nämlich wie wir Menschen in Arbeit bekommen, bei dieser Regierung nie im Mittelpunkt der Diskussion steht. Das ist falsch und nicht der richtige Weg.
(Beifall bei der FDP)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die zweite Frage, die in dieser Regierung keine Rolle spielt, ist die Frage, wie wir es den Menschen, die arbeiten, deren Einkommen aber nicht zum Leben reicht und ihren Bedarf nicht deckt, ermöglichen, sich am Arbeitsmarkt zu qualifizieren und aufzusteigen, um Schritt für Schritt von dem Einkommen, das sie verdienen, selbstständig leben zu können. Auch diese zweite Frage spielt in dieser Regierung leider keine Rolle.
(Beifall bei der FDP – Tobias Zech [CDU/CSU]: Das hat doch mit dem Gesetz nichts zu tun!)
Die dritte Frage, die in dieser Regierung keine Rolle spielt, ist, wie wir die Vererbung von Armut und Langzeitarbeitslosigkeit verhindern. Das geschieht, indem wir präventiv angreifen und die Kinder so stärken, dass der Einstieg in Ausbildung und Arbeit gelingt und dass sie diesen Weg für sich und ihre Zukunft erfolgreich gehen können.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das sind die drei Herausforderungen, die eigentlich im Zentrum jeder Hartz-IV-Debatte stehen müssten, die bei dieser Regierung leider keine Rolle spielen.
Wir haben als Freie Demokraten einen Antrag vorgelegt, mit dem wir zeigen, wie man 300 000 Menschen in Arbeit bringen könnte. Dieses Modell, das wir vorgelegt haben und das 300 000 Menschen in Arbeit bringen könnte – das sagen nicht nur wir, das ist vom ifo-Institut nachgerechnet worden –, wirkt. Dieses Modell liegt schon seit einem Jahr vor.
Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Rosemann, SPD-Fraktion?
(Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Das ifo-Institut hat ja auch behauptet, Mindestlohn würde Arbeitsplätze kosten!)
Ja, selbstverständlich.
Das ist auch gut für die Redezeit. Die wird in dieser Zeit angehalten.
Herr Kollege Kober, vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Ich frage Sie: Wie kommen Sie eigentlich zu der Behauptung, es spiele in dieser Regierung keine Rolle, die Menschen aus dem Bezug von Leistungen nach dem SGB II in Arbeit zu bringen?
(Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Genau!)
Diese Regierung hat in dieser Legislaturperiode den Eingliederungstitel um insgesamt 4 Milliarden Euro erhöht, nachdem eine Regierung, an der Sie beteiligt waren – die letzte, an der Sie beteiligt waren –, den Eingliederungstitel kaputtgespart hat.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Herr Kollege Kober, ich frage Sie: Wie kommen Sie zu der Behauptung, es spiele für diese Regierung keine Rolle, Menschen aus dem SGB-II-Leistungsbezug in Arbeit zu bringen, wenn wir gleichzeitig vor zwei Jahren den sozialen Arbeitsmarkt geschaffen haben. Mit dem § 16i SGB II haben wir ein neues Instrument geschaffen, das Menschen unterstützt, die lange aus der Arbeit raus waren, die lange im Leistungsbezug waren, wieder Teilhabe durch Arbeit zu bekommen. Wir unterstützen sie durch begleitendes Coaching.
Wie kommen Sie zu dieser Behauptung, wenn diese Regierung dieses Instrument geschaffen hat und damit über 40 000 Langzeitarbeitslose in Beschäftigung gebracht hat? Ich frage mich: Wie kommen Sie zu dieser Behauptung, diese Regierung tue nichts dafür, Menschen wieder Teilhabe durch Beschäftigung zu geben? Das Gegenteil ist der Fall. Wir haben den Eingliederungstitel aufgestockt. Wir haben neue Instrumente geschaffen. Wir haben die Qualität in der Vermittlung und Beratung gestärkt. Wir haben das begleitende Coaching eingeführt. Ich frage mich: Wie kommen Sie zu Ihrer Behauptung?
(Beifall bei der SPD)
Lieber Herr Kollege Dr. Rosemann, vielen Dank für diese Frage. Sie gibt mir Gelegenheit, Sie von einem historischen Irrtum zu befreien.
(Kerstin Tack [SPD]: Ach Gott!)
Wenn Sie einmal anhand der Zahlen des Haushaltes der Regierung der Wahlperiode 2009 bis 2013 nachvollziehen wollen, was ich jetzt sage, dann sind Sie dazu gerne eingeladen.
Die Regierung Schwarz-Gelb, 2009 bis 2013, hat im Jahr 2009 die Leistungen zur Eingliederung in Arbeit auf das historisch höchste Niveau im Hartz-IV-System angehoben
(Otto Fricke [FDP]: Sehr wahr!)
und hat dann im Zuge des sich wieder belebenden Arbeitsmarktes, des Abflauens der Wirtschaftskrise, diese Mittel sukzessive zurückgefahren.
Sie sind in Ihrem Urteil Opfer der eigenen Parteiwahlkampfpropaganda. Lesen Sie einmal genau nach, wie Sie – nicht Sie persönlich, aber Ihre Kollegen – damals argumentiert haben.
(Kerstin Tack [SPD]: Ach, du dickes Ei! Das von Ihnen!)
Sie haben immer die Zahlen von 2010 bis 2013 genommen. Da sank der Eingliederungstitel, allerdings ist das unredlich, weil Sie immer mitbedenken müssen, dass diese Regierung den Eingliederungstitel im Jahr 2009 auf das historische Allzeithoch erhöht hat.
(Kerstin Tack [SPD]: Das glauben Sie doch selber nicht! Wir haben doch keine Märchenstunde hier!)
Am Ende des Jahres 2013, Herr Dr. Rosemann, lag der Eingliederungstitel pro Kopf immer noch höher als zu dem Zeitpunkt, als Sie 2009 die Regierung an Schwarz-Gelb abgeben mussten.
(Beifall bei der FDP – Kerstin Tack [SPD]: Das glauben Sie doch selber nicht! Faktencheck!)
Herr Dr. Rosemann, das Zweite: Sie sprechen davon, dass Sie den Eingliederungstitel um 4 Milliarden Euro erhöht haben. Da müssen Sie aber auch ehrlicherweise dazusagen, dass diese 4 Milliarden Euro sich auf fünf Jahre erstrecken.
(Otto Fricke [FDP]: Ja, eben! – Dr. Martin Rosemann [SPD]: Habe ich doch gesagt!)
Sie haben damit ein Instrument geschaffen, das wir, wenn Sie sich an die Debatte erinnern, auch nicht im Grundsatz kritisiert haben. Aber Sie haben ein Instrument geschaffen, von dem Sie von Anfang an selber gesagt haben, Sie wollen nur 120 000 Menschen erreichen, bei 2 Millionen Langzeitarbeitslosen.
(Kerstin Tack [SPD]: Eben nicht gesagt!)
Wenn wir ein Konzept vorlegen, mit dem man zusätzlich 300 000 Menschen erreichen würde, und Sie dieses Konzept nicht übernehmen, dann sage ich Ihnen: Das ist unterlassene Hilfeleistung, dass Sie das nicht tun.
(Beifall bei der FDP)
Deshalb spielt das Schicksal der Langzeitarbeitslosen für Sie in Ihrer Politik eben keine beherrschende Rolle, und das kritisiere ich.
Die dritte Frage – bleiben Sie bitte stehen, Herr Dr. Rosemann –, auf die ich antworten möchte.
(Dr. Martin Rosemann [SPD]: Ich habe nur zwei gestellt! – Niema Movassat [DIE LINKE]: Das war wirklich sehr lange!)
– Gut. – Auch die Hartz-IV-Kinder spielen bei Ihnen keine Rolle; denn wir haben hier einen Antrag eingebracht, dass wir die Leistungen für Bildung auf 170 Euro erhöhen. Da haben Sie um jeden Euro geknausert.
Wir haben eingebracht, dass wir die Bildungs- und Teilhabeleistungen statt von 10 auf 15 auf 30 Euro erhöhen. Da haben Sie um jeden Euro geknausert. Wenn es um die Bildungschancen der Kinder geht, dann hat Hartz IV keine Lobby in dieser Bundesregierung. Das ist die Wahrheit, und das werde ich auch weiter so vertreten, Herr Dr. Rosemann.
(Beifall bei der FDP)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn es darum geht, dass die Menschen mehr Geld in der Tasche haben, dann wäre es das Erste, dass wir die Zuverdienstgrenzen verbessern. Dann würden sie von ihrem eigenen selbstverdienten Geld einfach mehr behalten. Das wäre fair. Das wäre leistungsgerecht. Aber vor allen Dingen würde es vielen Menschen den Weg und den Aufstieg in den Arbeitsmarkt ermöglichen, und das wäre wichtig. Das wäre der richtige Weg. Dieses Konzept liegt Ihnen seit einem Jahr vor. Und Sie verweigern die Umsetzung, weil Sie eben kein Interesse haben an der Verbesserung der Situation der Menschen in diesem Land.
(Beifall bei der FDP)
Meine letzten 15 Sekunden möchte ich nutzen, meiner Wahlkreiskollegin Beate Müller-Gemmeke herzlich zu ihrem 60. Geburtstag zu gratulieren. Liebe Beate, alles, alles Gute
(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der AfD)
und Gottes Segen für deinen künftigen Lebensweg.
(Beifall bei der FDP)
Vielen Dank, Herr Kollege Kober. Das Alter spielt tatsächlich keine Rolle. Geburtstag hätte gereicht.
Insofern will ich darauf hinweisen: Ich rate dringend von weiteren Zwischenfragen ab, weil der Redner die Gelegenheit hat, seine Redezeit zu verdreifachen. Das ist natürlich eine gute Geschichte. Aber wenn wir das alle machen, ist erst um Mitternacht Schluss.
Als nächste Rednerin hat die Kollegin Katja Kipping, Fraktion Die Linke, das Wort.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7475264 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 182 |
Tagesordnungspunkt | Anpassung der Regelbedarfe nach dem SGB XII |