Barbara HendricksSPD - Belarus-Politik
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin, möchte ich mit einem Zitat aus der „Frankfurter Allgemeinen“ vom Montag beginnen:
Auf den Straßen von Minsk ist in zwölf Protestwochen seit der gefälschten Präsidentenwahl im August schon vieles gegen friedliche Demonstranten eingesetzt worden: Schlagstöcke, Wasserwerfer, Tränengas, Lärm- und Blendgranaten, Gummigeschosse. Doch am Sonntag wurden in der belarussischen Hauptstadt vor Beginn eines weiteren Protestmarsches erstmals gepanzerte Fahrzeuge mit aufgepflanzten Maschinengewehren fotografiert. Bis zum Abend wurde diese Waffe nicht eingesetzt. Doch liegen die immer martialischeren Drohungen in der Logik des Regimes.
Das bringt sehr deutlich zum Ausdruck, womit wir es seit jetzt ziemlich genau drei Monaten zu tun haben, nachdem am 9. August die Präsidentenwahl in Belarus ganz offenbar gefälscht war. Wir wissen auch, dass sie nicht nur von uns, sondern auch von der gesamten Europäischen Union nicht anerkannt worden ist.
Seit dieser Zeit demonstrieren werktags Tausende und an Wochenenden Hunderttausende. Es gibt viele Gefangene. Insgesamt sind in der Zwischenzeit bis zu 16 000 Menschen verhaftet worden; einige vorübergehend, einige sitzen schon seit Monaten im Gefängnis. Die Wahlen waren auch schon falsch vorbereitet. Es wurden Kandidaten nicht zugelassen. Es gibt noch bis heute in Gefängnissen einsitzende Menschen, die eigentlich kandidieren wollten. Also nicht nur das Ergebnis wurde verfälscht, sondern schon die ganze Anlage der Wahl war falsch.
Was ist seither geschehen, und welche Rolle haben die Frauen dabei gespielt? Als klar wurde, dass nicht alle kandidieren konnten, die eigentlich wollten, war es die Entscheidung von Frau Tichanowskaja, zu sagen: Mein Mann ist verhaftet, dann kandidiere ich. – Dadurch hat es Auftrieb in der Bevölkerung gegeben, die gesagt hat: Ja, wir wollen eine politische Änderung herbeiführen. – Nach der gestohlenen Wahl kam dann die Freiheitsbewegung, die auch von Frauen getragen wurde, erst richtig in Fahrt; wir haben Frau Tichanowskaja im Auswärtigen Ausschuss empfangen können.
(Jürgen Hardt [CDU/CSU]: Das war eine sehr gute Idee!)
– Das war eine sehr gute Idee, das stimmt.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Drei Kernforderungen der Protestbewegung bestehen; ihnen will ich mich uneingeschränkt anschließen: Ende der Gewalt und Freilassung aller politischen Gefangenen, Schuldige für Gewalt zur Rechenschaft ziehen und Rücktritt Lukaschenkos sowie Neuwahlen und ein sich anschließender Verfassungsprozess. Es sollte unsere gemeinsame Überzeugung sein, dass wir in der Bundesrepublik Deutschland und in Europa alles tun, um die wichtigen Ziele der Protestbewegung voranzubringen.
Die OSZE versucht, zu vermitteln; sowohl der jetzige OSZE-Vorsitzende Rama, der albanische Ministerpräsident, als auch die zukünftige Vorsitzende, die Außenministerin Linde aus Schweden, bieten das an. Das wird nicht formal abgelehnt, aber es wird auf Zeit gespielt. Die OSZE hat bisher keine Chance gehabt, tatsächlich tätig zu werden, ist aber selbstverständlich weiterhin dazu bereit. Und was ganz klar ist: Russland muss eine verträgliche Rolle spielen. Es geht nicht anders, als dass Russland – das Land ist ja praktisch ein Machtgarant für Lukaschenko – dort vernünftig eingreift.
Die Forderung der Menschen in Belarus, die wir mit großer Mehrheit unterstützen werden, sind im Wesentlichen, Sanktionen gegen Lukaschenko und sein Umfeld einzuleiten; das hat die Europäische Union vor gerade zwei Stunden für den Freitag angekündigt. Dafür sind wir sehr dankbar.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wir wollen die Opfer – so gut es eben geht – unterstützen, ohne uns in die inneren Angelegenheiten des Landes einzumischen. Wir wollen die Einreise für politisch Verfolgte erleichtern und möglicherweise Stipendienprogramme, zum Beispiel für exmatrikulierte Studierende aus Belarus, in Deutschland auflegen. Ich glaube, das ist nicht zu viel verlangt. Unsere Bitten, unsere Forderungen richten sich an die Bundesregierung, in diesem Sinne tätig zu werden und sich auch in Europa entsprechend einzusetzen.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Vielen Dank, Dr. Barbara Hendricks. – Nächster Redner: für die AfD-Fraktion Dr. Anton Friesen.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7481292 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 188 |
Tagesordnungspunkt | Belarus-Politik |