Oliver KaczmarekSPD - Soziale Lage von Studierenden
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es war gut, dass wir in den letzten Tagen über Gastronomen, Schausteller, Kulturschaffende, Veranstalter gesprochen haben. Das alles sind Branchen, die in der Krise berechtigte Interessen an uns formulieren und Unterstützungsbedarf artikulieren, was auch richtig ist.
Jetzt ist es aber auch richtig, darüber zu sprechen, wie die berechtigten Interessen der jungen Generation in der Krise berücksichtigt werden.
(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Es geht darum, wie diejenigen berücksichtigt werden, die in der Schule sind, die sich in der betrieblichen Ausbildung befinden oder die eben ein Studium absolvieren; denn die Herausforderung, vor der wir stehen, ist: Die Pandemie darf für die junge Generation nicht zum Chancenrisiko werden. Wir müssen in den nächsten Tagen und Wochen alles dafür tun, damit es keine Coronageneration gibt.
(Beifall bei der SPD)
Es ist gut, dass wir feststellen können: Der größte Teil der Studierenden kommt durch die Krise. Die meisten werden von ihren Eltern unterstützt, sie verbrauchen ihr Vermögen, sie leihen sich Geld bei Freunden. Das alles sind aber Ressourcen, die endlich sind. Über zwei Drittel aller Studierenden haben einen Nebenjob, und wir müssen feststellen, dass gerade in den Branchen, in denen sie tätig sind, im November keine Möglichkeit besteht, Einkünfte zu erzielen. Was es jetzt braucht, sind Hilfen für Notlagen, um das Studium beenden zu können. Wer dabei allein auf individuelle Verschuldung als Nothilfe setzt – das war ja der Ursprungsvorschlag der Ministerin, und die FDP ist ja auch auf diesem Weg –, der riskiert, dass genau die besonders hart getroffen werden, die ohnehin am wenigsten haben. Das ist weder besonders mitfühlend noch besonders schlau; denn die Folgen wären Ausbildungsabbrüche und Fachkräftemangel, und genau dagegen müssen wir präventiv vorgehen.
(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Zur Erinnerung: Die SPD war und ist für Nothilfen im BAföG; sie ist nicht für eine Verteilung mit der Gießkanne an Betroffene und auch nicht für ein bedingungsloses Grundeinkommen. Das BAföG ist der richtige Ort für diese Hilfen für diejenigen, die Unterstützung brauchen, um ihre Ausbildung zu Ende führen zu können.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Deshalb hat es für diese Forderung ja auch große Unterstützung gegeben, vom Deutschen Studentenwerk bis hin zur Hochschulrektorenkonferenz. Diese Lösung bleibt richtig. Wir, die SPD, sind für eine Lösung im BAföG.
Es gibt aber eben Situationen, in denen man als politisch Verantwortlicher entscheiden muss: Kapituliert man vor ideologischen Festlegungen – einer Ministerin beispielsweise –,
(Dr. Jens Brandenburg [Rhein-Neckar] [FDP]: Na, wer ist hier im Wahlkampf? Ist ja spannend!)
oder versucht man, unter den gegebenen politischen Verhältnissen das Beste für die Betroffenen herauszuholen? Wir haben uns fürs Helfen entschieden. Deshalb bin ich auch sehr selbstbewusst und sage: Ohne die SPD, ohne Olaf Scholz – wir wissen ja, wie die Gespräche gelaufen sind – hätte es diese Überbrückungshilfe nicht gegeben, hätte es keine Alternative zum KfW-Studienkredit gegeben. Jetzt gibt es eine Hilfe als Vollzuschuss mit Zugang für viele, die sonst gar keine Hilfe bekommen hätten. Es war gut, dass wir das noch riskiert haben.
(Beifall bei der SPD)
Ich will an dieser Stelle auch ein Dankeschön an die Studentenwerke sagen, die das zusätzlich zu ihrer Arbeit abgewickelt haben, die sie ohnehin zu erledigen haben, und jetzt, da wir im Wintersemester damit starten und die ganzen BAföG-Anträge dort eingehen, an ihre Belastungsgrenze kommen. Es war großartig, dass sich die Studentenwerke daran beteiligt haben. Sie haben ihre Studenten nicht hängen lassen. Herzlichen Dank dafür!
(Beifall bei der SPD)
Wer will, der kann aus der ersten Phase der Überbrückungshilfen auch etwas lernen. Es besteht nämlich überhaupt kein Zwang, alles genau so zu machen wie beim ersten Mal. Man kann zum Beispiel lernen, dass es viel zu viele Nachweise gebraucht hat, um einen Antrag bewilligt zu bekommen. Man kann zum Beispiel lernen, dass der Antrag zu oft gestellt werden musste, nämlich monatlich, was viel Arbeit bei den Studentenwerken verursacht hat. Wer ein Betätigungsfeld für Bürokratieabbau sucht, der findet hier eines. Wir können die Überbrückungshilfen bürokratieärmer gestalten und damit auch einfacher zugänglich machen.
Vor allem aber müssen wir erkennen – das ist hier schon genannt worden –: Fast die Hälfte aller abgelehnten Anträge ist abgelehnt worden, obwohl eine Notlage nachgewiesen werden konnte,
(Nicole Gohlke [DIE LINKE]: Ja, genau!)
die aber nicht pandemiebedingt eingesetzt hat. Mit anderen Worten: Die Lehre aus der Überbrückungshilfe ist, dass es viel zu viele Studierende in Not gibt, und zwar unabhängig von der Pandemie.
(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Das ist eine Erkenntnis, die wir nicht einfach schulterzuckend zur Kenntnis nehmen dürfen. Wir dürfen diese Studierenden jetzt nicht hängen lassen. Wir müssen ihnen helfen, damit sie ihre Ausbildung erfolgreich beenden können; denn wir brauchen sie als Fachkräfte, wenn wir gut aus dieser Krise rauskommen wollen.
Die SPD fordert daher nach wie vor einen dauerhaften Notfallmechanismus im BAföG. Wie gesagt: Es geht nicht um eine Verteilung mit der Gießkanne, sondern um gezielte Hilfen für diejenigen, die in einer Notlage sind und ihre Ausbildung an der Universität ansonsten nicht beenden können. Auch dafür haben wir prominente Unterstützer, beispielsweise das Deutsche Studentenwerk.
Und wieder muss man sich entscheiden, wenn man politisch in Verantwortung ist: Ist jetzt der richtige Zeitpunkt, vor ideologischen Vorbehalten zu kapitulieren? Ist es der Zeitpunkt, wegzurennen, wie andere das machen? Oder will man vielleicht doch noch was für die Betroffenen bewegen? Die SPD hat sich immer für Verantwortung entschieden. Sie hat sich immer dafür entschieden, unter den gegebenen politischen Umständen so viel wie möglich für die Betroffenen – gerade für die, die sozial schwach sind – rauszuholen. Meine Bitte an die Ministerin, auch wenn sie jetzt nicht hier ist – Herr Rachel, Sie können es vielleicht an sie weitergeben –, ist, das jetzt nicht stur durchzuziehen. Das klappt sowieso nicht; das wissen wir. Wenn wir die Übergangshilfen wieder in Gang setzen, brauchen wir eine bessere Lösung, eine unbürokratischere Lösung, vielleicht auch eine Ausweitung der bisherigen Hilfen, und das schnell; denn die Betroffenen haben keine Zeit. Sie müssen die richtigen Lehren aus der Überbrückungshilfe I ziehen. Die SPD ist bereit dazu. Wir müssen jetzt nur schnell sein und dürfen vor allen Dingen keinen Zweifel daran lassen: Wir kämpfen dafür, dass es keine Coronageneration geben wird. Das werden wir jetzt auch dokumentieren.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD)
Für die Fraktion der FDP hat das Wort der Kollege Dr. Jens Brandenburg.
(Beifall bei der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7481892 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 189 |
Tagesordnungspunkt | Soziale Lage von Studierenden |