20.11.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 193 / Tagesordnungspunkt 27

Gabriele Hiller-OhmSPD - Minijobs in Sozialversicherungspflicht

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Geschätzte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist sicherlich das Recht der Opposition, zu kritisieren,

(Pascal Kober [FDP]: Die Pflicht!)

aber es wäre gut gewesen, wenn wir von der AfD auch alternative Vorschläge gehört hätten. Da bleiben Sie aber zurück. Sie pöbeln hier nur rum und zeigen keine realistischen Lösungsmöglichkeiten auf.

(Beifall bei der SPD – Jürgen Pohl [AfD]: Ich lache wenigstens nicht!)

Das ist ein großer Fehler, den Sie machen. Damit machen Sie sich unglaubwürdig; denn pöbeln alleine reicht nicht und wird die Menschen langfristig auch nicht überzeugen.

(Jürgen Pohl [AfD]: Sagen Sie das Ihren Kollegen!)

– Herr Pohl, ich will Ihnen sagen: Mir reichen schon die Fake News, die ich von Trump ertragen musste. Sie sollten damit aufhören. Es ist nicht die Bundesregierung, sondern das Virus, das zu den jetzigen Problemen – auch in der Wirtschaft – beigetragen hat.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben in dieser Legislaturperiode hier ja schon mehrfach über den Niedriglohnsektor und insbesondere über die Minijobs gesprochen. Ich finde es richtig, Frau Kollegin Ferschl, dass wir dieses Thema heute wieder auf der Tagesordnung haben; denn gerade während der Pandemie wird doch ein Schlaglicht auf die Situation der Minijobberinnen und Minijobber geworfen, und wir sehen, dass sie zu den großen Verliererinnen und Verlierern der Krise zählen.

(Beifall des Abg. Dr. Matthias Bartke [SPD])

Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist es wichtig, dass wir darüber debattieren und dass wir uns Gedanken machen, wie wir die Situation der 7 Millionen Minijobberinnen und Minijobber verbessern können.

(Beifall bei der SPD)

Frau Ferschl, Sie haben darauf hingewiesen: 850 000 Menschen haben allein bis Juni ihren Job verloren. Als Beispiel führe ich die Gastronomie an. Dort sind allein durch die erste Coronawelle 330 000 Menschen von Arbeitslosigkeit betroffen. Sie wurden aus ihren Jobs direkt in die Arbeitslosigkeit katapultiert. Das können wir so nicht hinnehmen. Wir brauchen deshalb dringend eine Ausstiegsstrategie für die Minijobs.

Heute liegen uns nun zwei völlig unterschiedliche Anträge vor. Die Linke fordert die Abschaffung der Minijobs. Die FDP will die Ausweitung der Minijobs. Das ist ein alter Hut; den Antrag haben Sie hier schon öfter gestellt, liebe Kolleginnen und Kollegen der FDP.

(Pascal Kober [FDP]: Der wird aber immer abgelehnt!)

Sie kommen immer wieder mit denselben falschen Argumenten. Sie sagen, die Ausweitung der Minijobs sei eine Gerechtigkeitsfrage, die Jobs seien ein Sprungbrett in den regulären Arbeitsmarkt, in die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung.

(Pascal Kober [FDP]: Statistisch bewiesen!)

Das ist durch viele Studien widerlegt worden. Da sind Sie vollkommen auf dem Holzweg, das ist nicht richtig.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Meine Damen und Herren, was würde passieren, wenn wir die Lohnobergrenze für Minijobs auf 660 Euro hochschrauben würden, wie Sie das, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, wollen? Was würde dann passieren?

(Zuruf von der FDP)

Das würde bedeuten, dass eine knappe halbe Million Menschen, die derzeit nicht im Minijob arbeitet, zu Minijobberinnen und Minijobbern degradiert würde. Das können wir doch nicht wollen.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Matthias Bartke [SPD]: So ist es!)

Die Nachteile der Minijobs sind uns ja allen bestens bekannt: Ein Sprungbrett in reguläre Arbeit sind sie nicht. Es ist auch keineswegs so, dass Minijobberinnen und Minijobber durch die Ausübung des Minijobs besser qualifiziert werden. Im Gegenteil: Es ist doch so, dass viele Minijobberinnen und Minijobber vollkommen unter ihrem Wert arbeiten. Sie haben zum Teil gute Ausbildungen, aber als Minijobber führen sie oft Hilfstätigkeiten aus und machen nicht das, was sie einmal gelernt haben – und das für sehr, sehr geringen Lohn. Das können wir nicht hinnehmen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD)

Die Frauen wurden schon angesprochen. 3 Millionen Frauen stecken in der Minijobfalle. Es kann doch nicht Ihr Ernst sein, dass Sie dies jetzt noch weiter ausweiten wollen; denn Minijob und Altersarmut – das wissen wir alle – sind zwei Seiten genau derselben Medaille.

(Beifall bei der SPD – Friedrich Straetmanns [DIE LINKE]: Dann ändert es doch mit uns!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen der FDP, Sie zeigen mit Ihrem Antrag wieder einmal, für wen Sie hier Politik machen. Das sind eben nicht die Minijobberinnen und Minijobber und die Menschen, die für wenig Geld arbeiten müssen. Für sie machen Sie keine Politik. Sie machen Politik für diejenigen Arbeitgeber, für die Minijobberinnen und Minijobber oft eine flexible Arbeitsmarktreserve sind; ich will es mal so ausdrücken. Da machen wir nicht mit. Wir wollen, dass das sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis wieder voll im Mittelpunkt steht und die Basis für den Arbeitsmarkt ist.

Aber ich will auch sagen, dass es auch volkswirtschaftlich ein großer Fehler ist, Minijobs weiter auszubauen. Sie verschärfen nämlich den Fachkräftemangel.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Den gibt es nicht! Es gibt Fachkräfteengpässe in 20 Berufen, aber keinen Mangel! Das ist ein Märchen! Das habe ich schon einmal dazwischengerufen!)

Auch das wird oft gar nicht so richtig gesehen. Wir klagen über Fachkräftemangel. Gleichzeitig hängen viele Minijobberinnen und Minijobber, die nach ihrer Ausbildung nicht in ihrem erlernten Beruf arbeiten können, im Minijob fest und können nicht als Fachkräfte eingesetzt werden.

Frau Kollegin, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin. – Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, sollte sich ein Land, das händeringend nach Fachkräften sucht, auf keinen Fall leisten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wir werden uns dafür einsetzen, dass – –

Frau Kollegin, das war ernst gemeint. Ihre Redezeit ist zu Ende.

Frau Präsidentin, wir werden uns dafür einsetzen, dass sich der Niedriglohnsektor durch Minijobs nicht weiter vergrößern kann. Und da sind wir auf einem guten Weg. – Danke, Frau Präsidentin.

(Beifall bei der SPD)

So geht das nicht, ich sage Ihnen das noch einmal. Ich meine, das ist nicht zum ersten Mal so. Wenn ich Sie bitte, Ihre Rede zu beenden, dann sollten Sie das wirklich tun, sonst werde ich die Zeit bei Ihren Kollegen abziehen, und dann müssen Sie sich mit denen auseinandersetzen.

(Dr. Matthias Bartke [SPD]: Das bin ich!)

– Nein, ich mache es jetzt nicht. Aber das ist nicht zum ersten Mal.

Nächster Redner: für die FDP-Fraktion Pascal Kober.

(Beifall bei der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7485343
Wahlperiode 19
Sitzung 193
Tagesordnungspunkt Minijobs in Sozialversicherungspflicht
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