26.11.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 195 / Tagesordnungspunkt 21

Daniela De RidderSPD - Sahelpolitik

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Gäste! Suchen Sie eine Hintergrundkulisse für Ihre schlimmsten Albträume zu Terror, Drogenhandel, Vergewaltigung und Mord? Dann könnte Mali, dann könnte die Sahelregion wohl in Ihre engere Auswahl gelangen.

Nicht ohne Grund besteht mit der sogenannten G-5-Sahelgruppe eine Antiterrorkoalition für das Gebiet südlich der Sahara aus den Ländern Mali, Niger, Burkina Faso, Mauretanien und dem Tschad. Seit 2012 bereits kontrollieren dort islamistische al-Qaida-Kämpfer Teile dieser Länder. Sie nutzten dabei den Aufstand der Tuareg-Separatisten und die Schwäche der Regierung in Bamako, um in der ohnehin fragilen Region an Einfluss zu gewinnen.

2012 ist im Übrigen auch jenes Jahr, in dem Ibrahim Boubacar Keïta, nur um Herrn Hartwig historisch noch mal auf die Sprünge zu helfen, durch einen Putsch an die Macht kam. Ihm ist es nie gelungen, die dschihadistischen Aufstände im Norden des Landes und die Gewalt zwischen den verschiedenen Ethnien unter Kontrolle zu bringen oder sie gar einzuhegen. Die Dörfer, in denen früher trotz religiöser und ethnischer Unterschiede Bauern, Fischer und Viehzüchter friedlich nebeneinander lebten, sind heute in blutigen Fehden zutiefst verfeindet. So weit, so richtig, lieber Frithjof Schmidt.

Sie alle erleben den „Mali Blues“. Der gleichnamige Dokumentarfilm porträtiert vier malische Musikerinnen und Musiker, die mit ihren Songs für einen toleranten Islam werben. Dabei ist es ganz gleich, ob sie mit Gitarrenriffs die Sehnsucht nach der Wüste besingen, als Singer-Songwriterinnen für die Emanzipation von Frauen eintreten, auf Rockmusik, Hip-Hop oder traditionelle Musikinstrumente setzen: Immer geht es um Toleranz und Frieden, die ihnen in der Realität längst abhandengekommen sind.

Ja, denn dies ist die Realität in der Region: Die Trockenheit und die Klimakrise sind in ihren Auswirkungen nicht einmal annähernd beschreibbar, geschweige denn eingedämmt. Es fehlt an Wasser, an Infrastrukturen, an Ärztinnen und Ärzten und an Krankenhäusern. So weit zum Konsens mit den Antragstellern des heutigen Abends.

Neben Frankreich ist im Rahmen des UN-Mandats MINUSMA auch die Bundeswehr mit einem eingeschränkten Auftrag zugegen. Mit der Mission EUTM Mali werden mit deutscher Unterstützung im Übrigen einheimische Soldaten ausgebildet.

Hat es das Verteidigungsministerium, hat es die Bundeswehr überrascht, dass junge Offiziere der malischen Armee in der Nacht vom 18. zum 19. August in diesem Jahr den unpopulären Präsidenten Keïta, sieben Jahre nach dessen geputschtem Amtsantritt, selbst weggeputscht haben? Dies war eine der Fragen, die wir vor Kurzem im Auswärtigen Ausschuss diskutiert haben. Der völkerrechtswidrige Putsch des Militärs, der aufs Schärfste verurteilt wurde, ist dennoch für viele in der malischen Bevölkerung Anlass, auf eine Wende zu hoffen – auf eine Wende hin zum Guten, eine Wende für mehr Demokratie, vor allem aber auf eine Wende, die die sozialen Verwerfungen, Armut und insbesondere auch die Korruption in der Armee selbst bekämpfen möge. Das ist bitter notwendig, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Die Situation macht jedoch auch deutlich, dass unterstützende Aktionen hin zu einem Reformprozess nicht unterlassen werden können. Die Bekämpfung von Hunger und Armut und jetzt die Bewältigung der Coronakrise sind wesentlich. Die Durchführung von freien, fairen und unabhängigen Wahlen ist es jedoch nicht minder.

In diesem Prozess steht Deutschland an der Seite derjenigen, die sich klar zur Demokratie bekennen. Dazu zählt auch die Nutzung von Instrumenten des Good Governance. Richtig, lieber Frithjof Schmidt: Tötungen in der Zivilbevölkerung müssen strafrechtlich verfolgt, Menschen- und Frauenrechte sowie Pressefreiheit eingehalten und Korruption bekämpft werden, gerade auch dann, wenn die Pandemie die prekäre Nahrungsmittelversorgung drastisch verschärft hat.

Aber auch deshalb hat Deutschland am 20. Oktober dieses Jahres gemeinsam mit Dänemark, mit der EU und den Vereinten Nationen eine virtuelle Geberkonferenz zur humanitären Hilfe für die Sahelregion eingerichtet; und das war wichtig, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD)

24 Geber haben dabei mehr als 1,7 Milliarden US-Dollar für 2020 und die Folgejahre zugesagt, obwohl die Geberländer selbst durch die Coronakrise in einer schwierigen Ausgangslage sind. Zudem hat Deutschland mit fast 50 Millionen Euro für 2020 seine humanitäre Hilfe, etwa im Vergleich zum Vorjahr, mehr als verdoppelt und nun bei der Sahelkonferenz rund 100 Millionen Euro für die nächsten drei Jahre zugesagt.

Aber richtig, wir werden auch noch mehr tun. Die Bundesregierung wird noch mehr als bisher die Kooperation mit ECOWAS und den afrikanischen Unionsländern suchen und noch intensiver als bisher daran mitwirken, dass zivile Kapazitäten aufgebaut und vertrauenswürdige, belastbare staatliche Strukturen entwickelt und ausgebaut werden können. Im Rahmen unseres vernetzten Ansatzes, der aber keineswegs nur aus militärischer Unterstützung besteht – Herr Koob hat es angesprochen –, ist Deutschland ein Aktivposten im Sahel.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vielen Dank, Dr. Daniela De Ridder. – Nächster Redner: für die FDP-Fraktion Dr. Christoph Hoffmann.

(Beifall bei der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7486752
Wahlperiode 19
Sitzung 195
Tagesordnungspunkt Sahelpolitik
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