Christian DürrFDP - Finanzen, Bundesrechnungshof, Beschluss Art. 115 II GG
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!
Schulden sind ein süßes Gift. Sie sind in zweifacher Hinsicht ein süßes Gift. Zum Ersten führen Schulden immer dazu, dass man der Versuchung erliegt, alle Probleme mit Geld zu lösen und mit Geld zu erschlagen. Ich glaube, das ist nicht richtig … Zum Zweiten ist es ein süßes Gift, weil man ja nicht selber etwas tun muss, sondern weil es die kommenden Generationen tun müssen. Deswegen ist es auch nicht akzeptabel.
(Beifall bei der FDP)
Ich bin nicht überrascht, dass meine Fraktion mir hier Applaus spendet; das hat sie schon am 29. September bei der ersten Beratung dieses Haushaltes getan. Ich bin überrascht, dass die Kolleginnen und Kollegen der Union keinen Beifall spenden; denn das waren eins zu eins die Worte des Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Ralph Brinkhaus, bei der Einbringung dieses Bundeshaushaltes, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Peter Boehringer [AfD] – Stephan Brandner [AfD]: Reingefallen!)
Liebe Kolleginnen und Kollegen der Union, ausweislich des aktuellen ARD-DeutschlandTrends machen sich zwei Drittel der Menschen in Deutschland große Sorgen über die Verschuldung der öffentlichen Haushalte. Sie, meine Damen und Herren, stimmen in dieser Woche einem Bundeshaushalt zu, der dazu führt, dass der Bund in diesem und im kommenden Jahr die Rekordsumme von 1 Billion Euro ausgibt und eine Rekordverschuldung von zusätzlichen 400 Milliarden Euro aufnimmt. Sie beklagen das süße Gift der Verschuldung. Dabei war dieses süße Gift in den vergangenen Wochen doch in Wahrheit Ihr Grundnahrungsmittel. Da fallen Wort und Handeln komplett auseinander, und das ist nicht akzeptabel, liebe Kolleginnen und Kollegen der Großen Koalition.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD)
Sie sagen, das Geld werde für die Unternehmenshilfen gebraucht. Das stimmt aber nicht. Die Wahrheit ist: Ein Großteil der mittelständischen Unternehmen in Deutschland sagt: Das Geld kommt überhaupt nicht an.
(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Dann fließt es ja auch nicht ab! Dann sind die Schulden auch nicht so hoch! Sie müssen sich schon entscheiden!)
Wir hören: Die Software zur Auszahlung der Hilfen wird wahrscheinlich überhaupt erst im Frühjahr des kommenden Jahres fertig programmiert sein, ganz zu schweigen von der Bearbeitung der Anträge. Viele Familienbetriebe fühlen sich wie damals in der DDR. Im Schaufenster ist die große Auslage in Milliardenhöhe von Olaf Scholz bereitgestellt; man betritt den Laden, und dann heißt es: Lieferzeit zwei Jahre.
Ich will in Richtung der Union klar sagen: Das können Sie nicht allein dem Bundesfinanzminister in die Schuhe schieben. Zuständig ist der Bundeswirtschaftsminister von der CDU, Peter Altmaier. Nichts klappt bei den Unternehmerhilfen zurzeit, und daran müssen Sie arbeiten.
(Beifall bei der FDP)
Sie sagen, das Geld sei für die Bekämpfung der Pandemie. Sie schaffen mit diesem Bundeshaushalt in der Ministerialverwaltung in Deutschland Tausende zusätzliche Stellen. Aber dort, wo jetzt ganz konkret zur Bekämpfung der Coronapandemie neue Stellen benötigt werden, nämlich beim Robert-Koch-Institut, verweigert die Bundesregierung diesem Institut, das uns bisher ja durch das, was es tut, und durch Objektivität geholfen hat und das uns gut durch diese Krise bringt, neue Stellen. Meine Fraktion hat diese bereits im März beantragt. Wir haben sie im November erneut beantragt. Nichts tun Sie an der Stelle, wo es jetzt dringend nötig ist, um diese katastrophale Pandemie zu bekämpfen. Ich fordere Sie auf, Frau Bundeskanzlerin: Rufen Sie Ihr Kabinett zur Räson! Da müssen Sie jetzt etwas tun, um die Pandemie zu bekämpfen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Sie sagen, das Geld brauche man für Zukunftsinvestitionen. Die Wahrheit ist – ich will das hier wiederholen –: Das Geld aus dem DigitalPakt Schule kommt erneut nicht dort an, wo jetzt Zukunftsinvestitionen nötig sind. Weniger als 1 Prozent der Gelder aus dem DigitalPakt sind überhaupt erst abgeflossen. Das ist das Gegenteil, liebe Kollegen der SPD, von Bildungsgerechtigkeit und von sozialer Gerechtigkeit, um das klar zu sagen.
(Beifall bei der FDP)
Dort, wo jetzt dringend Entlastung geboten wäre, verweigern Sie sie, zum Beispiel bei der vollständigen Abschaffung des Solidaritätszuschlages, der im kommenden Jahr doch in Wahrheit eine Steuer für mittelständische Betriebe sein wird. Diese Schulden sind die Steuererhöhungen von morgen. In Rede – und das sagt Herr Scholz, also der Finanzminister einer unionsgeführten Bundesregierung schon ganz offen, Herr Brinkhaus – ist doch bereits ein Coronasoli oder – gestern Abend – die Einführung einer Vermögensteuer in Deutschland,
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)
also einer Betriebsteuer für die Unternehmen, die es jetzt besonders schwer haben. Damit tritt man denen in der Krise noch mal in die Knie. Sie wollen also, dass die Unternehmen, die die Hilfen jetzt nicht bekommen, sie ab Oktober in Form von neuen Steuern oder Steuererhöhungen zurückzahlen. Meine Damen und Herren, das ist weder ökonomisch klug noch ist es gerecht.
(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Albrecht Glaser [AfD])
Zum Schluss will ich sagen: Wir zeigen Ihnen, dass es anders geht. Über 500 Änderungsanträge hat meine Fraktion zu diesem Bundeshaushalt gestellt. Wir kommen mit unseren Änderungsvorschlägen mit weniger als der Hälfte der neuen Schulden aus. Stattdessen geben wir das vorhandene Geld für die Entlastung von Unternehmen und privaten Haushalten. Die Abschaffung des Solis, die Entlastung von kleinen und mittleren Einkommen, eine echte steuerliche Verlustverrechnung – das wäre jetzt das Gebot der Stunde.
Stattdessen ist dieser Haushalt – ich darf zitieren – „ein doppelter Verfassungsbruch“. Sie halten eine Rücklage von fast 50 Milliarden Euro zurück und verweigern die verfassungsmäßig gebotene Abschaffung des Solidaritätszuschlages. Das ist kein Bundeshaushalt, Herr Finanzminister und Frau Bundeskanzlerin, das ist eine Farce.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Albrecht Glaser [AfD] – Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Irgendwie ist die FDP allweil peinlich!)
Nächster Redner ist der Kollege Eckhardt Rehberg, CDU/CSU.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7488367 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 197 |
Tagesordnungspunkt | Finanzen, Bundesrechnungshof, Beschluss Art. 115 II GG |