08.12.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 197 / Tagesordnungspunkt I.8

Nicole GohlkeDIE LINKE - Bildung und Forschung

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Bildungspolitik geht es im Kern um die Frage, in was für einer Gesellschaft wir leben wollen. Es geht um die Fragen, wie gerecht es in einer Gesellschaft zugeht und ob alle Menschen die gleichen Chancen haben. Und die Wahrheit ist: Die Chancen sind höchst ungleich verteilt; es geht nicht gerecht zu in unserer Gesellschaft. Kinder aus armen Familien haben zum Beispiel dreimal schlechtere Chancen, aufs Gymnasium zu kommen, als die Kinder aus finanziell gut gestellten Elternhäusern.

Die Wahrheit ist, dass das Bildungssystem in Deutschland bestehende Privilegien und Benachteiligungen reproduziert. Das ist die Situation, und das zu verändern, wäre jetzt die Aufgabe von Politik.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Virus hat die ungleichen Bedingungen ja noch mal ungleicher gemacht. Das gilt zum Beispiel fürs Homeschooling, das benachteiligte Kinder noch weiter benachteiligt, weil es natürlich einen Unterschied macht, ob es einen guten Laptop und einen eigenen ruhigen Arbeitsplatz gibt und ob die Eltern bei den Aufgaben vielleicht helfen können.

(Dr. Götz Frömming [AfD]: Auf einmal!)

Das gilt auch fürs Studium, weil es natürlich auch da einen Unterschied macht, ob man sich die Miete vom Mund absparen muss oder ob die Eltern Geld zuschießen können. Der Aufgabe, diese ungleichen Bedingungen auszugleichen, sie gerechter zu machen, wird diese Regierung nicht gerecht, und das ist absolut unverantwortlich.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Margit Stumpp [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

20,8 Milliarden Euro umfasst der Bildungshaushalt, für den sich die Große Koalition hier ja ziemlich abfeiert. Aber zum Gesamtbild gehört auch, dass diese Regierung mehr als doppelt so viel Geld wie in die Bildung in Militär und Aufrüstung steckt, nämlich 47 Milliarden Euro.

(Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Wir wollen den Frieden retten, Frau Kollegin! Ohne Frieden kein Lernen!)

Dass Sie allein für die Rettung der Lufthansa 9 Milliarden Euro lockergemacht haben, also fast so viel wie die Hälfte des gesamten Bildungshaushaltes! Das steht doch alles in überhaupt keinem Verhältnis mehr zueinander!

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Margit Stumpp [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Diese Zahlen sprechen Bände über die Politik der Großen Koalition. Spätestens jetzt wäre doch der Moment gekommen, dafür zu sorgen, dass Geld ins Bildungssystem fließt, und zwar besonders dahin, wo es am meisten gebraucht wird. Warum machen Sie nicht endlich einmal die Bildung zur Chefsache in diesem Land? Das wäre doch Ihre Aufgabe!

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Margit Stumpp [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wir brauchen Geld für die bauliche Sanierung der Schulen. Es lassen sich ja noch nicht mal an jeder Schule in Deutschland die Fenster zum Lüften öffnen. Es braucht mehr Geld für Luftfilteranlagen und Laptops, und es fehlen an allen Ecken und Enden Lehrerinnen und Lehrer.

(Swen Schulz [Spandau] [SPD]: In Thüringen ist es besser, ja?)

Deswegen: Legen Sie ein Programm für zusätzliche Lehramtsstudienplätze auf! Geben Sie mehr Geld und dauerhaft Geld in den DigitalPakt! Bauen Sie die Schulsozialarbeit auf, und stellen Sie eine gute Verpflegung an Kitas und Schulen sicher!

(Beifall bei der LINKEN)

Denn damit bekämpft man die soziale Spaltung.

(Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Das machen doch die Länder selber nicht!)

– Gehen Sie das endlich mal an, statt sich ständig hinter dem Bildungsföderalismus zu verstecken.

(Lachen des Abg. Tankred Schipanski [CDU/CSU])

– Sie verstecken sich dahinter.

An all diesen Stellen, die ich gerade genannt habe, könnte der Bund helfen, und das wäre dringend notwendig.

(Beifall bei der LINKEN – Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Das ist ein Schmierentheater, was Sie hier aufführen!)

Und es ist höchste Zeit, sich darum zu kümmern, dass ein Studium nicht nur Kindern aus wohlhabenden Elternhäusern möglich ist. Die Zahlen sind schlecht. Heute studieren wieder weniger Kinder aus Arbeiterfamilien als noch vor 20 oder vor 30 Jahren.

(Zuruf des Abg. Dr. Götz Frömming [AfD])

Das ist natürlich auch kein Wunder; denn genau diese jungen Menschen, die kämpfen, um sich ein Studium zu finanzieren, lassen Sie im Regen stehen: Fast 50 000 Anträge auf Coronaüberbrückungshilfe haben Sie mit der Begründung abgelehnt, die Studierenden hätten sich ja schon vor der Pandemie in einer akuten Notlage befunden.

(Lachen bei Abgeordneten der LINKEN)

Das ist absurd. Das ist absurd und zynisch.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Und statt endlich das BAföG zu reformieren, streichen Sie es in Ihrem Haushalt auch noch weiter zusammen. – Die Linke fordert ein existenzsicherndes BAföG und die Öffnung des BAföG; das wäre jetzt die richtige Maßnahme.

(Beifall bei der LINKEN)

Kolleginnen und Kollegen, die Bildungspolitik hat einen anderen und einen größeren Stellenwert in unserer Gesellschaft verdient, als die Große Koalition ihr hier einräumt. Spätestens jetzt gilt es, das Bildungssystem zum Hebel für soziale Gerechtigkeit zu machen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN – Martin Reichardt [AfD]: Das ist wie bei „Willi Schwabes Rumpelkammer“! Das ist ja nicht wahr! – Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Besser wäre schnelles Denken als schnelles Reden!)

Für die SPD-Fraktion hat nun der Kollege Markus Paschke das Wort.

(Beifall bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7488462
Wahlperiode 19
Sitzung 197
Tagesordnungspunkt Bildung und Forschung
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