Johannes VogelFDP - Arbeit und Soziales
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! 2020 war in der Tat – ich glaube, das kann man so sagen – ein furchtbares Jahr: Sorgen um die Gesundheit, Sorgen um die Gesundheit der Lieben, der eigenen Familie, Sorgen um die wirtschaftliche Existenz, Depressionen, familiäre Herausforderungen, Beklemmung durch die Einschränkungen, durch die Enge. Ich glaube, das treibt uns dieser Tage alle um.
In der Tat – da will ich dem Arbeitsminister zustimmen –: Ich glaube, es ist gut, dass wir hier in Gemeinsamkeit der Demokraten dafür gesorgt haben – da hat die Regierung auch unsere Unterstützung; das weiß sie auch –, dass die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt Gott sei Dank erheblich geringer waren als in vielen anderen Ländern. Das ist eine gute Nachricht, die, glaube ich, Regierung und Opposition hier eint, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)
Die zweite gute Nachricht ist, dass es Hoffnung auf Licht am Ende des Tunnels gibt. In beeindruckender Zeit, noch nicht mal ein Jahr nach Entdeckung dieser Pandemie, hat die Menschheit jetzt schon mehrere seriöse Impfstoffe in Zulassungsverfahren. Das hat es so noch nie gegeben. Wenn man die eigene Vorstellungskraft ein ganz klein bisschen bemüht, dann kann man wissen: Wir werden uns wieder umarmen, wir werden wieder reisen können, damit es nicht zum Lockdown des Horizonts kommt – all das wahrscheinlich zu einem Zeitpunkt, der näher liegt, als uns die Pandemie bisher beschäftigt. Das ist eine großartige Aussicht zum Ende des Jahres; auch das muss man sich einmal vergegenwärtigen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Was wir heute tun sollten, wenn wir den Bundeshaushalt 2021 beraten, ist, darüber nachzudenken, was wir aus diesem furchtbaren Jahr 2020 für die Zukunft lernen können. Da will ich mal zwei Lehren aus meiner persönlichen Sicht und aus Sicht meiner Fraktion nennen:
Erstens. Man muss festhalten: Absehbare Versäumnisse holen einen in der Krise ein, liebe Kolleginnen und Kollegen. Da ist dieses Jahr auch reich an Erfahrungen gewesen. Pandemiepläne waren nicht ausreichend umgesetzt mit entsprechender Vorratshaltung. Wir haben bis heute keinen guten Rechtsrahmen für mobiles Arbeiten und Homeoffice, sondern wir drängen Menschen derzeit millionenfach in rechtliche Grauzonen; das ist die Realität. Das Gesetz liegt noch nicht vor.
(Zustimmung der Abg. Antje Lezius [CDU/CSU])
– Da nicken selbst Kolleginnen und Kollegen der Union.
Wir haben einen erschreckenden Zustand der Digitalisierung in diesem Land. Der DigitalPakt Schule kam doch viel zu spät und ist bis heute nicht ausreichend ausgerollt. Ich finde auch, es ist ein Armutszeugnis, dass Novemberhilfen für die Unternehmen in diesem Land im Januar erst ausgezahlt werden können, weil die entsprechende Software noch programmiert werden muss, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das ist zu wenig.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Das zeigt, wie wichtig Vorausschau ist. Mit Blick auf Vorausschau, lieber Hubertus Heil, sehr geehrter Herr Arbeitsminister, muss ich sagen: Also, Zukunftsvorsorge, wie Sie das eben genannt haben, die finde ich in diesem Haushalt zu wenig. Im Gegenteil: Der größte Posten des Haushalts des Bundesarbeitsministeriums ist der Zuschuss zur Rente.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das ist auch gut so!)
Jeder, der sich seriös mit der Rente beschäftigt und in längeren Zeiträumen als in Legislaturperioden denkt, der weiß: Dieses Land ist katastrophal vorbereitet auf die demografische Herausforderung, die in diesem Jahrzehnt auf uns zukommt. – Da haben Sie zur Verschlechterung beigetragen, und nicht zur Vorsorge, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der FDP sowie der Abg. Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Aber euer Vorschlag würde es nicht besser machen!)
Das müssen wir besser machen,
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Aber nicht so, wie ihr es wollt!)
aber nicht so, wie die Linkspartei das will, sondern ganz im Gegenteil: mit zukunftsfester und enkelfitter Rente, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Die zweite Lehre, die man aus diesem Jahr ziehen kann, ist: Fortschritt und Innovation geben uns Hoffnung für den Weg aus der Krise. Schauen wir mal auf den BioNTech-Impfstoff. Ginge es nach der AfD, dann hätte es die Gründer dieses Unternehmens als Kinder türkischer Einwanderer in Deutschland nie gegeben,
(Martin Sichert [AfD]: Das ist doch Unsinn!)
und es ist großartig, dass wir sie in diesem Land haben.
(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Man muss aber ehrlicherweise auch sagen: Ginge es nach dem einen oder anderen harten Kritiker von Kapitalismus und Globalisierung, hätte es wahrscheinlich die Kooperation mit dem Pharmamulti Pfizer nie gegeben, und ich sage: Es ist auch gut, dass wir die haben, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall des Abg. Otto Fricke [FDP])
Aber was können wir daraus für die Zukunft lernen? Ich finde, zweierlei: Erstens. Wir brauchen auch in Zukunft mehr Einwanderung in diesem Land und deshalb endlich ein modernes Einwanderungsgesetz, wie uns das Kanada, Neuseeland und andere vormachen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition. Da ist diese Legislaturperiode zu wenig passiert.
(Beifall bei der FDP)
Zweitens. Unternehmertum und Gründer sind es eben auch, die Innovation fördern. Das ist auch der Grund, lieber Hubertus Heil, warum wir so erschreckt sind, wie Sie mit den Selbstständigen in diesem Land umgehen. Die leben nämlich Unternehmertum jeden Tag, und die lassen Sie als einzige Gruppe katastrophal im Regen stehen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Das muss sich in den nächsten Wochen endlich ändern. Dann haben wir aus 2020 die richtigen Lehren für 2021 gezogen.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der FDP)
Axel Fischer, CDU/CSU, erhält als nächster Kollege das Wort.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Otto Fricke [FDP])
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7489436 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 200 |
Tagesordnungspunkt | Arbeit und Soziales |